der Vergleich der Lehrerausbildung mit einer Fahrschule ist erhellend: natürlich wird man von einem Fahrlehrer erwarten, daß er nicht nur selbst Auto fahren kann, sondern auch "versteht", welche Probleme ein Fahrschüler haben kann, wenn er versucht, die Kupplung "kommen zu lassen", ohne den Motor abzuwürgen. Dieses Verstehen lernt der Fahrlehrer aber nicht am Steuer, sondern bestenfalls auf dem Beifahrersitz (und am Abend oder oder in der Fortbildung). Da ist es gut, wenn er sich von Psychologen belehren läßt, die etwas von Wahrnehmungsproblemen und Reaktionsgeschwindigkeiten wissen. Und schließlich: in der Fahrschule gibt es für die Schüler selbst nicht nur Praxis, sondern auch eine "Theorie", die nicht nur die Dogmatik der Verkehrsregeln beinhaltet, sondern auch zu Reflexionen über die Merkwürdigkeiten des Automobilismus führen sollten (so war es zumindest in meiner Fahrschule), getreu B.Brecht, demzufolge ein guter Autofahrer drei Autos zugleich fahren können müsse: das eigene, das des Vordermannes und das hinter einem fahrende.
Und wie ein Motor funktioniert muß man zumindest in Ansätzen "verstehen", damit man weiß, warum man bestimmte Dinge nicht tun darf, will man Schäden vermeiden. Doch den Motor, die Kupplung und das Getriebe wird man nur am Modell gezeigt und erklärt bekommen - und das ist eine ganz andere Praxis, nämlich die des Unterrichts im Klassenzimmer.
Im übrigen gilt, liebe rooster Deine Forderung, daß der Lehrer(innen)nachwuchs nur von "Praktikern" ausgebildet werden solle, die selbst in der Lage seien, zu unterrichten, vor allem für die Lehrer selbst:
kein Deutschlehrer sollte seine Schüler Aufsätze schreiben lassen, der nicht einen (Muster-)aufsatz schreibt, kein Mathelehrer sollte seinen Schülern eine Aufgabe vorlegen, die er nicht (vorher) gerechnet hat. Aber welcher POWI-Lehrer schreibt einen Text zum Vergleich verschiedener Wirtschaftstheorien, bevor er das von seinen Schülern verlangt, welcher Sportlehrer turnt seinen Schülern tatsächlich am Reck vor oder läuft die 100 Meter in der vorgegebenen Zeit?
(Auf die Frage,warum ein Literaturkritiker kein Literat sein muß, verweise ich nur am Rande.)
Du räumst ein, in den siebziger Jahren, die Abschaffung der PHs begrüßt zu haben und findest diese Entwicklung heute bedenklich. Dazu ist lediglich zu sagen, daß die Akademisierung der Lehrerausbildung keinerlei pädagogischen oder wissenschaftlichen Zweck erfüllt, sondern ausschließlich standespolitische: es ging um die laufbahn- und besoldungsrechtliche Gleichstellung der niederen Lehrämter mit den klassischen Studienräten. Zwar ist die Pädagogik seit nunmehr 80 Jahren eine spezielle Disziplin an der Universität, aber bis heute ist sich die Zunft, die sich heute "Erziehungswissenschaft" nennt, nicht sicher, wie sie ihren wissenschaftlichen Status nachweisen kann. Die Orientierung an der pädagogischen Praxis ist jedenfalls kein Ausweis von Wissenschaftlichkeit. Zwar glaube ich nicht an die Universität als Quelle des modernen Weltgeistes (wie es in der soziologischen Professionstheorie üblich ist) doch der Trend zur Akademisierung der Berufe ist weltweit zu beobachten: Offenbar halte nicht nur ich den (unpraktischen) Luxus namens "Wissenschaft" für unverzichtbar und zwar nicht aus wirtschaftlichen Gründen zur Steigerung des Humankapitals. Deshalb teile nicht die Auffassung, daß man in der Lehrerausbildung das Rad zurück drehen sollte. Egal zu welchen Organisationsformen das Studium künftig finden wird, in der Universität lernt man nicht das Handwerk oder die Kunst des "Lehrers". Man lernt -im besten Falle - das Nachdenken über die Probleme, auf die man sich einläßt, wenn man diesen Beruf ergreifen will. Es geht um "Refelxionsfähigkeit", ohne die Lernen in einem ernsthaften Sinne nicht möglich ist (individuell wie gesellschaftlich). Das ist eine Tugend, auf die viele Praktiker meinen verzichten zu können. Sie flüchten sich in Routine oder Resignation und überlassen das Geschick ihrer Schüler den adminsitrierten "Standards", klippern sich um das letzte bißchen Berufsehre und folgen ritualistisch noch den unsinnigsten "Modernisierung"smaßnahmen.
Das kann man als observer ebenso wissen, wie als "Praktiker".