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Forum: "Süddeutsches Abitur"
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| . | | von: ing_08
erstellt: 22.03.2008 19:03:55 geändert: 22.03.2008 19:04:57 |
Im Gegensatz zu der anklingenden Willkür "die und die wurden gefördert, jene nicht" handelte es sich um eine ziemlich feste Quotenregelung; bspw. Quote für Frauen, Quote für Arbeiterkinder, Quote für Berufswünsche, die die DDR händeringend suchte (Lehrer, NVA-Offiziere).
Dabei rückte jedoch die strenge Auswahl nach Fähigkeiten & Fertigkeiten nicht wirklich in den Hintergrund. Es wurde niemand zur EOS/ zum BmA zugelassen, wenn er nicht auch ein notwendiges Maß an Leistung zeigte. Wir reden hier über die Bevorzugung von Leistungsschwächeren durch Quote, nicht über das repressive Durchdrücken von Leitungsschwachen (wie heute).
Ebenfalls faktisch falsch ist die Generalität von Aussagen, daß bspw. Nichtlinientreuen sämtliche Türen zugeschlagen wurden. Es gab diese Fälle zweifelsohne, doch traf es bei weitem nicht jeden.
Ich kann dazu mit einer überragenden Informationsvielfalt aufwarten, die zeigen, daß das System oft recht schwerfällig agierte.
(Wie immer von mir selbstverfreilich aus erster Hand & aufwendiger Eigenrecherche.)
Man mußte sich in der Regel schon dezidiert etwas leisten, damit der Apparat beim *Normalbürger* überhaupt Anstalten zeigte, sich zu bewegen.
Ich spare mir jetzt weitschweifige Anekdoten aus meiner Familie, oder bemerkenswert lustige Einträge aus den Stasiakten.
Relevant ist, ausbildungsmäßig hat uns nie jemand Klötze vor die Füße geworfen, trotzdessen vor allem meine Mutter immer wieder für ein kleines politische Erdbeben gut war.
Es ist deswegen zwingend darauf zu achten, die Verzerrungen und Lenkungen im DDR-Bildungssystem relativiert darzustellen, da defacto zu jedem negativen Beispiel zwei positive Gegenstücke gefunden werden können.
Es war nicht dieses "Das war bei allen so." sondern es war ein "Bei einigen war es so, bei vielen anderen war es nicht so.".
Der Lehrer, der die Beurteilung zum weiterführenden Bildungsweg anfertigte, spielte eine große Rolle. Hier gab es sture Parteisoldaten, natürlich, aber hier gab es eben auch genügend Menschen mit gesundem Menschenverstand, die es gut sein ließen mit der Ideologie.
Unter den Tisch läßt man auch gerne diejenigen fallen, die zwar in erster Instanz scheiterten, also nicht auf die EOS durften, dann aber BmA machten, oder die Hochschulreife nach längerem Armeedienst an der Abendschule nachholten oder oder oder. Auch das gehört zur zweiten Seite der Medaille.
Die Geschichte immer auf die Restriktionen zu verengen, ist einseitig und wird dem Sachverhalt überhaupt nicht gerecht.
Für die Debatte hier leistet eine solche Sichtweise auch nichts. Denn am Beispiel DDR sieht man schön, wie notwendig hierzulande eine Restriktion für den Zugang zur "Schule für die Guten" (Gymnasium) wäre, z.B. ein Mindestnotenschnitt von 1,8. Und dann eben eine ausführliche Beurteilung über Sozialverhalten, Leistungsentwicklung, beobachtet über einen längeren Zeitraum.
Die weiterführende Schule ist kein Ort für aufgefächerte Breitenbildung oder für fast 30% aller Kinder.
Die Einheitsschule ist u.a. auch deswegen so mit Angst bei den Leuten verbunden, weil die längere Verweildauer in Verbindung mit einer frühzeitigen strengen Zensierung schon in der Unterstufe (Grundschule) aufzeigen würde, daß jede Menge Kinder nicht in einen gymnasialen Bildungszweig gehören würden.
Wie ich es an anderer Stelle schon erläuterte, verfiele damit für den späteren Lebensweg überhaupt nichts an Chancen, doch das Prestige, der soziale Status, die deutsche Oberschichtsattidtüde wäre hinweggefegt.
Leistungsorientierung im Schulsystem ist der Alptraum eines empfindlichem Teils der Elternschaft.
Oder wie kann es erklärt werden, daß die meisten Eltern die Schulkarriere ihrer Kinder (heutzutage: ihres Kindes) mit Scheuklappen analysieren, daß auf breiter Front geistige Umnachtung vorherrscht?
Keinem Kind geht etwas verloren, wenn es erstmal zehn solide Jahre einschließlich Abschlußprüfung/ berufsqualifizierendem Abschluß absolviert, wenn es charakterlich schon deutlich gefestigt ist, wenn es *eigene* Sichtweisen zum *eigenen* Lebensweg entwickelt hat und wenn ihm dann vom Schulsystem ALLE Optionen offengehalten werden.
Nach zehn Jahren allgemeinbildender/polytechnischer Schulbildung ist die Abbildung des Leistungsvermögens bedeutend akkurater. Vor allem weiß das Kind **selber**, ob es die weiterführende Schule besuchen **möchte**, ob es überhaupt an die Hochschule möchte.
Das Kind hat Vorstellungen & Vorlieben entwickelt, kann eigenverantwortlich bewerten, wohin es im Grunde gehen möchte.
Dem Kinde gedeihen also nicht nur die leistungsorientierten & sozialen Vorteile einer einheitsschulischen Struktur an, es bekommt sogar jede Menge Zeit an die Hand, seinen Platz in der Welt mündig & selbstbestimmt finden zu können.
Anders gesagt, mit der mittleren Reife kann man immer noch in die Oberstufe wechseln und das Abitur anstreben. Sofern die Leistungen stimmen UND Luft nach oben gegeben ist.
Das gegliederte Schulsystem mit Differenzierung und Frühselektion liegt diametral zu einer solch gesunden Entfaltungsmöglichkeit.
Eine bisweilen lächerliche Unterstufe, die in Ermangelung einer früh einsetzenden strengen Benotung soger nur durchschnittlich leistungsfähige Kinder langweilt, die es versäumt in ihrer pseudomodernen, verwissenschaftlichten Pädagogik den Kindern ein ansprechendes Normenregime zu bieten, gefolgt von einer die Chanchen und das Soziale betreffend richtungsweisenden Weggabelung, um die ein erbittert geführter Krieg tobt; die Eltern wollen mit aller Gewalt die Kinder auf das Gymnasium bringen, die Lehrer versuchen mit dem letzten Anstand und den geringen Mitteln das zu verhindern.
Diese Schieflage zeigt doch, daß notwendige Lenkungsmechanismen und eine leistungsbejahende Einstellung innerhalb unserer Schule fehlen.
DDR-Quoten hin oder her, Leistung stand dort immer mit auf der Liste. Statt sich an der strukturellen Idee also schleunigst ein Beispiel zu nehmen, was tut der Deutsche da? Genau, dumm unken.
Ahoi |
| @mordent | | von: ing_08
erstellt: 22.03.2008 19:14:18 |
... ein gerechtes Abitur wird es weder regional noch bundesweit je geben können. Allein das Vereinheitlichen des Gesamtkonstrukts würde Jahre brauchen.
Weshalb denn nicht? Gegenbeispiele gibt es.
Und weswegen sind die "Jahre", die eine Vereinheitlichung bräuchte, ein Problem?
Generalreformen von zersplitterten, überalterten Systemen sind niemals in einem Fingerschnippen erledigt.
Die Finnen brauchten alleine Jahre, um das DDR-System an die finnische Geographie und Bevölkerungsstruktur anzupassen.
Getan wurde es trotzdem oder gerade deswegen!
Es ist doch befremdlich für den gebildeten Menschen, daß in dem Land, in dem ein Literaturgenie einst bekannte "Im Anfang war die Tat!" nur geredet, geredet und nochmals geredet wird.
Besonders schlimm daran: Es wird nicht etwa das Wann diskutiert, sondern tatsächlich das Ob!
Die Unterschiede werden durch ein bundeseinheitliches Abitur nur noch stärker hervorgehoben,...
Weswegen?
Und so bald werde ich noch keine Kursstufen unterrichten, so dass ich mir das eine Weile von draußen anschauen kann.
Vermutlich wirst Du überhaupt keine Kursstufen mehr unterrichten, denn die KMK hat ausnahmsweise eine gute Idee verabschiedet: Das Kurssystem der Oberstufe wird abgeschafft.
Man muß nur noch bangen, was für ein Quark den alten Quark ablöst.
Ahoi |
| . | | von: ing_08
erstellt: 22.03.2008 21:02:43 geändert: 22.03.2008 21:12:20 |
Und?
Mit dem "Gesetz über die Demokratisierung der deutschen Schule" vom Frühjahr 1946 wurde die Struktur des zukünftigen Einheitsschulsystems unverrückbar festgelegt. Darin war die 1. Stufe die sogenannte "Vorstufe". In der DDR war das dann später der Kindergarten.
Gerade die DDR hätte mit einer großen Migrantenquote überhaupt keine Probleme gehabt, da man vergleichsweise einfach im Vorfeld der Einheitsschule hätte dafür sorgen können, die Kinder auf das Niveau einzupendeln, also z.B. auch die Sprache sicherzustellen.
Das ist ja gerade eine der genialen Leistungen, die sich besonders in den anderen Ländern bewährt hat: Es wurde sogleich verhindert, daß im Kleinkindalter Ungleichheiten bezogen auf den Bildungsweg aufkamen, indem das Soziale durch soviel Sozialstaat wie möglich geschultert worden ist.
Kinderkrippenganztagsbetreuung für 27 Mark, kostenfreier Kindergartenganztagsbesuch mit kostenfreier pädagogischer Förderung für alle Kinder, kostenfreier Schulbesuch, kostenfreie Nachmittagsbetreuung, Zuschüsse für die Verpflegung der Kinder.
Et cetera.
Nichts anderes als die Verhindung von verhinderbaren Ungleichheiten tun heutzutage die Länder, die die frühkindliche Förderung von der DDR übernahmen.
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@Miro
Tja, aber "sehr sehr viele" Leute sind eben nicht der normale Großteil der Gesellschaft gewesen, der in Gedanken müde über die versuchte Indoktrinierung gelächelt hat.
Stoibers Verbalattacke aus dem Bierzelt damals entzündete unter den Ostdeutschen ein Solidaritätsgefühl mit der Ex-DDR, was es zu DDR-Zeiten nie gegeben hat. Hätten Ulbricht oder Honecker gewußt, wie wenig die Gesellschaft mit der Zeit hinter dem Realsozialismus standen, hätten sie soviel Identifikation mit dem System, wie der Idiotenauftritt Stoibers verursachte, mit Kußhand empfangen.
Ich frage mich in dem Zusammenhang übrigens gerade was die Verunglimpfung "Jahrgang 1983" schon wieder soll. Ich muß mich hier rhetorisch aus fragwürdigem Anlaß zügeln, aber die anderen poltern munter weiter in diffamierenden Implikationen...
EDIT
Was daran lustig ist? Zum Beispiel was von den Offizieren der Staatssicherheit so aufgeschrieben wurde, oder wie es auch aufgeschrieben wurde, was an Absurdem teilweise in den Akten zu finden ist, welche grotesken Nichtigkeiten dokumentiert worden sind.
Ich hatte da mit meiner "konterrevolutionären" Mutter oder meinen "dem Studium des Marxismus-Leninismus in überdeutlich den Sozialismus sarkastisch herabwürdigender Sprache abgeneigten" Brüdern so manchen illustren Nachmittag, wo ich Tränen gelacht habe.
Ich habe nicht davon gesprochen, daß nicht auch ernstes Zeug in den Akten steht.
Doch Deine Reaktion, naja, sagt einiges.
Ahoi |
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