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Forum: "Geschichte zum Weiterschreiben. Teil 2"
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| 27.9 | | von: keinelehrerin
erstellt: 20.07.2006 08:31:44 geändert: 20.07.2006 12:02:57 |
Der Termin beim Gynäkologen stand an und für Max war es selbstverständlich, dass er mitging. Er wollte auch den kleinen Menschen sehen, der sich so stark in ihrem Leben jetzt schon breitmachte. Das sagte er im Scherz natürlich nur zu seinen zukünftigen Schwiegereltern, Marion gegenüber hätte er so etwas nämlich niemals getraut. Die Besuche bei Sylvia besserten zwar ihre Psyche und ihre Wechselstimmungen etwas. Aber als ihr der Reissverschluss der Hose, die sie sich extra in Größe 42 gekauft hatte, nicht mehr zuging, da stand er einem totalen Wutanfall sehr hilflos gegenüber. Marion war doch eine vernünftige, intelligente junge Frau. In ihrem Körper wuchs ein Baby, es wuchs, d.h. es wurde größer und brauchte demzufolge auch mehr Platz. Wo sollte denn der kleine Wurm hinwachsen, wenn nicht einwenig nach außen, was natürlich zur Folge hatte, dass sich Marions Bauchdecke etwas - aber wirklich nur etwas - nach oben wölbte. Für ihn als Naturwissenschaftler war das gar keine Frage und als er nur ansatzweise Marion auf diese ganz und gar logische Folge ihrer Schwangerschaft hinweisen wollte, begriff er sehr schnell, dieses heikle Thema auch von der mathematischen Seite her keine befriedigende Lösung für die Probleme seiner Freundin beinhaltete.
Erst eine ausgiebige Rückenmassage und eine Fußmassage versöhnten Marion soweit, dass sie wieder mit ihm sprach. Oh ja, er würde sich nicht mehr zu diesem Thema in irgendeiner Art und Weise äußern. Er lernte ja dazu!
Beim Gynäkologen waren sie nun in dem etwas abgedunkelten Sreening-Raum und Max betrachtete fasziniert dieses Gekribbel auf dem Bildschirm. Der Arzt untersuchte sorgfältig sämtliche Organe, ihre Größe, vermaß Köpfchen und Oberschenkelknochen, machte ein Bild als der kleine Mensch gerade ein Beinchen hob. Marion erzählte von den Bewegungen, die sie gespürt hatte. "Ja, das geht jetzt los. Es ist auch schon recht kräftig, ihr Baby. Köpfchen schon 4,5 cm von Schläfe zu Schläfe und seine Brust misst von außen nach außen auch schon 40 cm. Ich schätze mal, das Kind wiegt um die 2 kg. Das übrige Gewicht wird durch Plazenta und Wasser auf die Waage gebracht. Allerdings sollten sie in Zukunft salzärmer essen. So können sie Wassereinlagerungen vermeiden. Trinken sie zur Zeit sowieso bitte mehr. Gerade Schwangere sind mit ihrem Kreislauf selten stabil und bei diesen hohen Temperaturen sollten sie auf noch mehr Flüssigkeit achten. Ach ja,Fundus noch 20, Hb in Ordnung. Ein bisschen Zucker im Urin, aber Eiweiß und Nitrin auch OB. Sie machen das schon richtig." Max dachte als nach, was "Hb in Ordnung" und "Fundus noch 20" wohl heißen möge. Aber da Marion nur genickt hatte, wollte er sich nicht als völlig ahnungslos outen. Nachdem ein nächster Termin vereinbart waren und sie draußen im Sonnenlicht standen, nahm Max seine Marion in den Arm und meinte: "Mein Vater war ja Mediziner, also dachte ich die ganze Zeit ich hätte doch etwas Ahnung. Aber was heißt denn "Hb" und "Fundus"? Das Kleine ist doch nicht mehr so klein, dass es gefunden werden muss." Marion steuerte die gegenüberliegende Bäckerei an und auf dem Weg erklärte sie ihm, dass Hb in Ordnung heiße, sie hätte genug rote Blutkörperchen für sich und das Kind. Und Fundus beziehe sich tatsächlich auf eine Fundstelle, nämlich die, wo die Gebärmutter unter dem untersten Rippenbogen liege. Marion biss genussvoll in ihr Marzipanhörnchen hinein. Da brachte es Max nicht über´s Herz, sie zu erinnern, dass sie Zucker meiden solle. Wenn er es denn nun einem Gemisch aus Mandeln, Puderzucker und Rosenwasser verdanken sollte, dass Marion für einige Zeit gut gelaunt war, dann sollte es so sein. |
| 27.10 | | von: ricca
erstellt: 20.07.2006 19:53:29 |
Delia verzweifelte fast an Jack. Sie hatte sich innerhalb der Zeit, in der sie zusammen wohnten und Jack sie keines Wortes oder Blickes würdigte in Jack verliebt, das musste sie sich eingestehen. Es tat ihr unendlich Leid, dass sie ihn unreflektiert so sehr verletzt hatte. Wie konnte sie ihm nun wieder näherkommen? Würde er ihr verzeihen können? Auf ihren scheuen Annäherungsversuch, als es ihm so schlecht ging, hatte er nicht reagiert. Sie hatte ja nicht erwartet, dass er gleich Hurra schreiend mit ihr das französische Bett bestieg, aber er hätte doch wenigstens mit ihr sprechen können... Sie verhielten sich momentan beide dem anderen gegenüber ausgesucht höflich und distanziert. Was sollte man auch anderes tun, wenn man in der gleichen Wohnung wohnte und keine Ahnung hatte, wie man mit seinen Gefühlen umgehen sollte???
Zu ihren persönlichen Problemen kam dann auch noch der Wiedereinstieg im Krankenhaus. Das Team in der Gynäkologie war zwar außerordentlich nett zu ihr, doch man merkte an allen Ecken und Enden, dass die Kollegin, für deren Ersatz sie sorgen sollte, äußerst gute Arbeit geleistet hatte. Momentan klemmte es überall in den Abläufen, einfach, weil man sich daran gewöhnt hatte, dass Frau Dr. Punjabi überall zur Stelle war und in jeder Situation einen klaren Kopf behielt.
Delia hatte ein wahrhaft schweres Erbe angetreten. Sie kannte sich noch nicht so recht auf der Station aus und war für die ersten beiden Wochen dazu verdonnert worden, abwechselnd bei Chefarzt, Oberarzt und bei den Klinikhebammen mitzulaufen, um recht schnell überall eingearbeitet und einsatzbereit zu sein.
Wenn sie von ihren Schichten nach Hause kam, fiel sie häufig über die kümmerlichen Reste im Kühlschrank her um danach kurz zu duschen und todmüde ins Bett zu sinken. Sie konnte auch noch nicht sagen, ob ihr die Arbeit auf der Gyn Spaß machte; die Zeit rauschte einfach so an ihr vorbei und zum Nachdenken über ihre Arbeit reichte die Kraft einfach nicht. Viel eher zerbrach sie sich den Kopf über Jacks Gefühlswelt.
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| 27.11 | | von: ricca
erstellt: 20.07.2006 20:23:10 geändert: 20.07.2006 20:25:15 |
Auch heute kam Delia am Ende ihrer Spätschicht gegen 22 Uhr müde, kreuz- und fußlahm von ihrem Dienst nach Hause. Sie hatte heute die Aufgabe gehabt, bei einem Kaiserschnitt zu assistieren. Die Frau hatte zunächst versucht, das Baby auf natürlichem Wege zu gebären und hatte während einer Wehenphase eine Ruptur der Gebärmutter erlitten. Delias Aufgabe war es gewesen, die Retraktoren zu halten, die dazu dienten, die Ränder des Schnitts in der Bauchdecke auseinanderzuziehen und so den Operateur bei der Arbeit zu unterstützen. Wichtig war es bei dieser Tätigkeit, dem operierenden Kollegen so viel Bewegungsfreiheit und Sicht zu gewähren wie nur möglich. Außerdem musste sie die Retraktoren absolut ruhig halten, also bewegungslos dastehen, bis die Frau soweit versorgt war, dass die Bauchdecke geschlossen werden konnte. Sie sehnte sich trotz der Bruthitze nach einem heißen Bad, das ihre schmerzenden Muskeln entspannen würde. Außerdem hatte sie Hunger wie ein Wolf.
Delias erster Weg führte sie wie immer direkt in die Küche, die sich links vom Eingang der Wohnung befand. Bevor sie sich jedoch über den Kühlschrank hermachen konnte, stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase.
Rauch! Du lieber Himmel! Brannte es etwa im Wohn-Esszimmer? Panisch vor Angst stürzte sie in Richtung Wohnzimmer, und was sie dort vorfand, überraschte sie derart, dass es ihr, die doch sonst niemals um Worte verlegen war, die Sprache verschlug.
Der Raum erinnerte an ein Märchen aus 1001 Nacht. Er war geschmückt mit Seidentüchern in warmen Farben; er war abgedunkelt und wurde von einem wahrhaften Meer aus Kerzen erleuchtet. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. Auf ihm glomm eine Schale mit Räucherwerk, deren Rauchgeruch sie so erschreckt hatte. Erst jetzt bemerkte Delia, die in der Verbindungstür zwischen Küche und Wohnzimmer stand, dass auch noch ein anderer Geruch in der Luft lag. Es roch verführerisch nach indischen Gewürzen. Was war hier nur passiert? Wer hatte hier so schön dekoriert und gedeckt? Wer wußte, dass sie ein absoluter Indienfan war? Klar, sie hatte es Jack bei ihrem Kennenlernen im Studio erzählt, aber eine soche Aktion traute sie ihm nicht zu. Vor allem, da ja sie die Schuldige an dem ganzen Schlamassel war. |
| 27.12 | | von: ricca
erstellt: 20.07.2006 20:54:52 |
"Aua! Verflixt!"
Marion leckte sich den roten, heißen Tropfen von ihrem rechten Handrücken und lief schnell zum Wasserhahn, um ihre schmerzende Hand zu kühlen. Missmutig starrte sie auf die rote, heiße, blubbernde Masse in dem Edelstahltopf auf dem Herd, die einen verführerischen Duft verströmte. Mittlerweile verfluchte sie sich für die Idee, die sie am Morgen auf dem Markt ganz spontan beim Anblick der Biokirschen gehabt hatte. Hatte sie nicht genug mit Umzugsstress und Einräumen des Hauses zu tun? Musste sie sich nun auch noch die zusätzliche Arbeit machen und Marmelade einkochen? Aber irgendwie musste sie sich doch auch betätigen, nachdem ihr Max quasi verboten hatte, weiter Kisten treppauf und treppab zu schleppen. Er hatte ihr in fast diktatorischem Ton befohlen, jetzt auch mal Pause zu machen, sich zu entspannen und an sich und das Baby zu denken. "Geh doch mal ein bisschen bummeln.", hatte er gesagt. Aber hatte er eine Ahnung, dass sie mit ihrem beständig wachsenden Babybauch absolut keine Lust auf Kleiderkauf hatte? Sie hatte momentan das Gefühl, jede Woche eine Kleidergröße mehr zu benötigen, und auch wenn es absolut unlogisch war: sie fühlte sich wie eine fette Kuh. Aber sie platzte auch gerade fast vor Energie und ärgerte sich mächtig darüber, von der Arbeit im Haus entbunden zu sein.
Also hatte sie heute früh zwei Kilo Kirschen und Einmachzucker gekauft und einige Einmachgläser mit Twist-off-Deckeln dazu. Bislang hatte sie vom Marmeladekochen keine Ahnung, aber was gäbe es wohl Besseres für Mutter und Kind, sich ganz natürlich und so schadstoffarm wie möglich zu ernähren? Bei diesem gekauften Zeug konnte man doch nie wissen, was da alles drin war...
Momentan kochte die Marmelade auf Hochtouren und steigerte die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in der Küche enorm. Ungeschickt begann Marion mit dem Befüllen der Gläser. Vorsichtig ließ sie die heiße Masse in die vorbereiteten Gläser laufen. Nun gut, ein Teil ging daneben und hinterließ knallrote Flecken auf dem feuchten Geschirrtuch, das sie vorsichtshalber untergelegt hatte. Ungeschickt drehte sie die Gläser zu und verbrannte sich ein weiteres Mal die Finger.
Nach zwei Stunden harter Arbeit blickte Marion stolz auf ihre ersten acht Gläser selbst eingekochter Kirschmarmelade. Was wohl Max dazu sagen würde? |
| 27 - 13. | | von: aloevera
erstellt: 20.07.2006 21:39:30 geändert: 20.07.2006 21:43:02 |
Die große Einweihungsparty rückte immer näher. Das Kollegium wusste bis auf Sylvia, Frau Schneider und Verena nichts von der Beziehung zwischen Max und Marion. Marion hatte liebevoll gestaltete Einladungskarten entworfen und als e-Mail oder per Post an die Kollegen und Kolleginnen verschickt. Einige hatten sich entschuldigt, dass sie zum Termin am fünften August verreist seien, alle anderen hatten zugesagt. Dr. Poltz hatte um Nachsicht gebeten, dass er sich noch schonen müsse und daher leider nicht kommen konnte. Niemand wusste, dass er im Briefwechsel mit dem Schulamt stand, und aus gesundheitlichen Gründen um die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand gebeten hatte. Er hatte vor, nach den Sommerferien gar nicht mehr in den Schuldienst zurückzukehren.
Während Max weiterhin die letzten Kisten auspackte, saß Marion stundenlang mit Kochrezepten, Einkaufsblock und Stift bewaffnet und stelle das kalte Buffet zusammen. Einen Teil des Buffets wollte sie selber machen, einen Teil hatte sie bereits beim Partyservice bestellt. Die Getränke lagerten bereits im Keller und die Fässer Bier samt Kühl- und Zapfanlage waren bestellt sowie ausreichend Gartenbänke und Tische und zwei offene Partyzelte.
Marion liebte es, Partys zu organisieren und freute sich auf das Gestalten und Ausschmücken der großen Terrasse und der Gartens. Sie hatte Unmengen an Girlanden, Luftballons, Kerzen für die Tische inclusive Mückenschutz und Fackeln für den Garten gekauft. Entgegen ihren umweltbewussten Prinzipien hatte sie bereits bunte Pappteller, Becher und Plastikgläser, Bestecke und Servietten herangeschafft. Auf ihrer Gästeliste standen etwa fünfzig Gäste und soviel Geschirr mit Zubehör hatte der Haushalt Schäfer-Wegener noch nicht zu bieten.
Max beschlich eine leise Ahnung, in welcher Form der jährliche Kindergeburtstag gefeiert werden würde, allerdings aufgrund des zu erwartenden Geburtstermines im Inneren des Hauses. Solange Marion mit den Partyvorbereitungen beschäftigt war, vergaß die ihre Hormone, ihre Stimmungsschwankungen und freute sich wie ein Kind auf das Fest.
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| 27 - 15. | | von: aloevera
erstellt: 22.07.2006 08:59:34 geändert: 22.07.2006 09:53:06 |
Delia wollte sich bei Jack für den schönen indischen Abend bedanken und wusste auch wie. Jack hatte sich vor zwei Tagen ihr Auto ausgeborgt und im Baumarkt Farbeimer, Pinsel, Rollen und Abdeckfolien gekauft. Er hatte Marion versprochen, die alte Wohnung zu renovieren und da er Samstag und Sonntag frei hatte und die Wohnung in einer Woche abgenommen wurde, musste er bald damit anfangen.
Delia hatte sich mit Verena und Freddy verabredet. Sie hatten ja alle drei bei Jack etwas gutzumachen und Delia konnte sie überzeugen, dass Jack zum Renovieren Hilfe gut gebrauchen konnte. Freddy war nicht begeistert, denn er wollte mit Sabine und Kaspar an diesem Wochenende zum Picknick an einen See fahren, aber, gutmütig und hilfsbereit, wie er immer war, sagte er Delia zu. Er hatte die Adresse, Verena hatte eine Kühltasche mit Getränken, Butter, Käse, Wurst und Obst vorbereitet, Delia wollte vor ihrem Treffen Brötchen kaufen und für neun Uhr waren sie an diesem Samstag Morgen vor Jacks Wohnung verabredet.
Gegen sieben Uhr klingelte das Telefon. Schlaftrunken nahm Jack den Hörer ab und aus den Gesprächsfetzen, die durch Delias Schlafzimmertür drangen, konnte sie entnehmen, dass Jack kurzfristig für einen erkrankten Kollegen einspringen musste. Was nun? Während Jack fluchend und schimpfend in Richtung Dusche verschwand, setzte sie Kaffee auf und deckte den Frühstückstisch. Sie hatte einen ruhigen Nachtdienst gehabt, in dem sie ein paar Stunden im Bereitschaftszimmer schlafen konnte. Für den Rest des Wochenendes hatte sie frei.
Jacks Schlüsselbund lag auf der Kommode im Flur. Sie nahm den einzigen Schlüssel ab, der nicht zu ihrer Wohnung gehörte und ließ ihn in der Tasche ihres Frotteebademantels verschwinden.
Sobald Jack aus dem Haus war, rief sie Verena und Freddy an. Alles sollte so laufen wie geplant, nur erst einmal ohne Jack. Die Materialien waren bereits in der Wohnung und die Heinzelmännchen konnten beginnen.
Als Jack am frühen Nachmittag zur Wohnung kam, schaute er verdutzt auf die offen stehende Wohnungstür und wunderte sich über Stimmen und Musik aus der Wohnung. Waren die neuen Mieter etwa schon da? Das konnte doch nicht sein, er musste doch noch renovieren. Vorsichtig betrat er den Flur, näherte sich dem Schlafzimmer, aus dem die Stimmen kamen und blieb mit offenem Mund und sprachlos an der Schlafzimmertür stehen.
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| 28 - 1. | | von: aloevera
erstellt: 23.07.2006 13:08:15 geändert: 24.07.2006 09:05:18 |
Der Anrufbeantworter blinkte. „Hans-Rüdiger, hier ist deine Mutter. Ich wollte dir nur sagen, dass ich am kommenden Wochenende in Münster bin. Ich werde bei meinem Bekannten wohnen, von dem du ja noch gar nichts weißt. Das ist eine lange Geschichte… Jedenfalls hoffe ich, dass du es einrichten kannst, dass wir uns sehen. Ich würde dich gerne mit ihm bekannt machen. Außerdem hat er eine reizende Tochter, die gut zu dir passen würde. ….“.
Jack grinste vor sich hin. Es war wohl mal wieder an der Zeit, dass Hildegunde ihm so etwas wie einen neuen Papi präsentieren wollte. Diese Episoden hatte er in der Zeit seiner Pubertät des öfteren gehabt, allerdings nie von langer Dauer. In der Auswahl ihrer Bekannten hatte Hildegunde stets Erwartungen, die kein Mann dauerhaft erfüllen konnte oder wollte und so war eine konsequente Flucht des jeweiligen Mannes oft die einzige Lösung.
Jack nahm auch diese Episode gelassen hin und ließ die Dinge auf sich zukommen. Er würde sich sogar für seine Mutter freuen, wenn es ihr diesmal gelänge, eine dauerhafte Bekanntschaft zu pflegen. Der Herbst hatte schließlich auch schöne Tage.
Jack ahnte allerdings nicht, um wen es sich bei dieser Bekanntschaft handelte, geschweige denn, wer sich hinter der reizenden Tochter verbarg. Hätte er das gewusst, hätte er sich sicher nicht am Freitag Abend mit sandfarbener Hose und schwarzem Poloshirt, geschniegelt und gebügelt, auf den Weg ins chinesische Restaurant gemacht, in dem ihn seine Mutter, ihr Bekannter und dessen Tochter erwarteten.
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| 28 - 2. | | von: aloevera
erstellt: 23.07.2006 23:22:58 geändert: 23.07.2006 23:48:41 |
Schon von weitem leuchtete ihm ein burgunderrotes Sommerkleid entgegen. Hildegunde hatte ihre grauen Haare kurz schneiden lassen und sich – passend zum Kleid – ein paar freche burgunderrote Strähnchen einfärben lassen. Geschmack hatte sie, das musste man ihr lassen. Der graumelierte Herr an ihrer rechten Seite musste ihr neuer Bekannter sein. „Nicht übel“, dachte Jack, während er noch am Eingang stand und versuchte, die Situation mit einem Blick zu erfassen. Der große Unbekannte strahlte Lebendigkeit und Freundlichkeit aus. Mit dem Rücken zum Eingang, ihrem Vater gegenüber, saß also die so reizende Tochter, von der Jack nur den schmalen Rücken und lange dunkle Haare sah.
Jack straffte seinen Rücken und ging auf den Tisch zu. Überschwänglich begrüßte Hildegunde ihren Sohn und stelle ihn formvollendet ihrem Begleiter vor. Hildegunde legte alle mütterlichen Gefühle, zu denen sie fähig war, in ihre Stimme, als wäre Hans-Rüdiger ihr Ein und Alles, ihr ganzer Stolz und das Beste, was ihr je im Leben passiert war.
Als Jack sich der jungen Frau zuwandte und ihr die Hand zur Begrüßung reichen wollte, gefror ihm kurzzeitig das Blut in den Adern. Er brachte nur ein klägliches „Guten Abend, Charlotte“ heraus. „Guten Abend, Jack“ erwiderte Charlotte seinen Gruß. „Oh, ihr kennt Euch?“ flötete Hildegunde „Woher?“ Charlotte reagierte schneller als der verdutzte Jack. „Wir haben uns vor vielen Jahren im Sportverein kennen gelernt und uns dann aber wieder aus den Augen verloren.“
Was ging hier ab? Jack hatte ja vorgehabt, seine Mutter sobald wie möglich zu fragen, ob sie von Charlottes Schwangerschaft gewusst und sie damals weggeschickt hatte. Wenn er das an diesem Abend und in dieser Runde täte, wäre der Abend gelaufen, der neue Bekannte womöglich weg und der Scheck seines leiblichen Vaters über 50000€ ebenfalls. Und wenn seine Vermutung richtig war, bewunderte er Charlotte, dass sie zuließ, dass so eine Frau Einzug in die Familie hielt. Eine innere Stimme riet ihm, abzuwarten, wie sich die Stimmung und der weitere Abend entwickeln würden.
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