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Forum: "Das Land der Bekloppten und Durchgeknallten"
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| falsche Blickrichtung | | von: rhauda
erstellt: 06.06.2011 19:30:25 geändert: 06.06.2011 21:54:22 |
Was mich an der ganzen Inklusionsdebatte nervt - und auch an der UN-Ansage ist der Ausschließlichkeitsanspruch, der sich immer nur an dem orientiert, was Außenstehende an angeblichen Bedürfnissen identifiziert haben. Mir fehlt ein wenig die Sichtweise vom Kind aus.
Die eine wollen Inklusion um jeden Preis und zwar für alle. Dabei richten sie sich mit ihrer Rigorosität nicht am einzelnen Kind aus, sondern an ihrer Ideologie. Dass es Kinder gibt, die in Inklusionsklassen hervorragend aufgehoben sind aber anderereits andere, die in kleinen Systemen glücklicher sind und besser lernen können, wird schlichtweg abgestritten.
Ebenso wird bei der Zuteilung von Unterstützung immer nach dem Gießkannenprinzip vorgegangen. Ausgangslage ist das, was der Finanzminister hergibt und nicht das, was die Kinder brauchen. Zwei Sehbehinderte Schüler in einer Klasse bedürfen je nach Alter und Behinderunggrad viel bis kaum Unterstüztung.
Der nächste Bock findet sich in dem, was Janne schildert: Inklusion soll grundsätzlich und immer alle Kinder gemeinsam zur gleichen Zeit beschulen, möglichst auch noch Kinder mit 4 verschiedenen Behinderungen. Auch hier geht man wieder von seinem eigenen Anspruch an Inklusion aus, nicht von dem was die Kinder wollen und benötigen. Die werden nämlich meist als Letzte gefragt.
Dass Schulen als Kompetenzzentren für bestimmte Behinderungen de Schülern einfach mehr bieten können als Schulen, wo man für alle alles vorhalten muss, ist doch klar. An den letzteren Schulen werden die sonderpädagogischen Lehrkräfte trotz allen Bemühens dann nämlich zu Generaldilettanten, oder wie die Engländer sagen: "Jack of all trades, master of none."
Klassengrößen sollten keine starren Zahlen widerspiegeln, sondern die exakt ermittelten Bedürfnisse genau dieser einen Klasse mit diesen zu fördernden Kindern.
Mit starren Grenzen wie "20 in Inklusionsklassen" kann ich nichts anfangen. Je nach Situation könnten die Klassen 12-26 Schüler haben.
Ich habe mich Anfang Mai mit Inklusion in einer einwöchigen EU-Fortbildung beschäftigt. Fest steht, dass von den teilnehmenden Ländern Frankreich, italien, Polen, Gr0ßbritannie, Irland, Rumanien, Slowenien, Litauen und Deutschland unser Land am schlechtesten ausgestattet ist bezüglich der Regelschule und desaströs bezüglich der Inklusionsklassen.
Die Ausstattung der Förderschulen hier ist traumhaft im Gegensatz zu den anderen Ländern.
Was mich am Ende immer noch beschäftigt, ist, dass laut Aussage der anderen Teilnehmer die inklusive Beschulung für die Förderschüler keine besseren Ergebnisse bringt als die in den dort wesentlich schlechter ausgestatteten Sonderschulen.
Am Ende wird sich das inklusive System auch bezüglich der Effektivität verantworten müssen, es reicht nicht aus zu sagen, Inklusion ist ein Wert an sich. Wichtig ist, wie gut die zu fördernden Schüler am Ende zurecht kommen und ein selbstbstimmtes Leben führen.
Stumpfe entweder-oder Rhetorik ist nicht vom Kind aus gedacht, sondern entspringt immer unserer eigenen Meinung. |
| Inklusion | | von: bger
erstellt: 06.06.2011 20:12:47 |
bedeutet aber auch, dass im Alltag - also nicht
nur in der Schule - Behinderte nicht
ausgeschlossen werden. Und da ist in Deutschland
noch vieles im Argen. In Ländern wie den
Niederlanden oder England sieht man im
Straßenbild, bei kulturellen Veranstaltungen usw.
erheblich mehr Behinderte als bei uns. Eine Schule
ist doch angeblich der Spiegel der Gesellschaft -
da bleibt auf beiden Seiten noch viel zu tun!
Ich sehe die Inklusion in der Schule mit
gemischten Gefühlen. Bei uns an der Schule gibt es
noch keine Behinderten, was auch mit unserer
schwierigen Raumsituation zu tun hat. Aber unsere
Nachbarschule, ein Gymnasium, hat in Klasse 5
einige Lernbehinderte aufgenommen. Nun frage ich
mich: Was sollen Lernbehinderte am Gymnasium? Mit
welcher Berechtigung landet jemand, dessen IQ 5
Punkte über der Lernbehinderung liegt, auf der
Hauptschule? Seine Eltern würden das als ungerecht
empfinden.
Wie toll Förderschulen arbeiten, sehe ich am
Beispiel meines Enkels, der laut psychologischem
Gutachten in eine Schule mit sozial-emotionalem
Schwerpunkt umgeschult wurde. Dorthin geht er
gern, er wird dauernd gelobt, ist der Bravste der
Klasse. Es herrschen ideale Bedingungen, sowohl
räumlich als auch personell. Die Klasse ist sehr
klein, 6 Kinder, die beiden Lehrer halten viel
Kontakt zu den Eltern, machen regelmäßig
Hausbesuche (und wundern sich, wieso das Kind bei
ihnen gelandet ist, nebenbei erwähnt). Die
Kehrseite der Medaille: Im Taxibus zur Schule
(ländlicher Raum, Fahrtzeit 3/4 Std.) gibt es viel
Streit, da sitzen Sechzehnjährige neben
Achtjährigen und bringen denen manchen Unfug bei.
Da lernt ein sonst eher braves Kind schlechtes
Verhalten! Für das Sozialverhalten der Kinder wäre
vielleicht eine Regelschule besser... |
| @briefoeffner | | von: janne60
erstellt: 06.06.2011 20:33:04 |
Die Kinder haben hier die wenigsten Ängste. Von denen kommt im Gegenteil der Satz "können wir in den ruhigen Raum gehen?" Bei der obigen Schilderung ging es allein um die Befindlichkeit der Mutter. Und da sind wir bei dem, was rhauda anspricht:
Wann wird eigentlich mal geschaut, was das KIND möchte und braucht?
Ich habe in meiner jetzigen Klasse drei Jahre lang ein schwer lernbehindertes Kind gehabt. Nach drei Jahren Kampf mit den Eltern, das Kind umzuschulen, willigten sie endlich ein. Mit dem Kind ging eine unglaubliche Wandlung vor sich. Zuvor war es extrem verschüchtert, zurückhaltend, kontaktscheu, hatte null Selbstvertrauen usw. Da es auch noch enorm übergewichtig und größer als die anderen Kinder war, kann man sich in etwa ausmalen, wie unwohl es sich fühlte (die Förderlehrerin war ihre einzige Vertrauensperson, zu der sie hin und wieder weinend sagte, sie wolle gar nicht hier in dieser Schule sein, sie wolle überhaupt nirgends sein). Dazu sei erwähnt, dass die Klassenkameraden sehr lieb und fürsorglich waren.
Nach der Umschulung kam das Kind immer mal uns besuchen, da es noch Geschwister an unserer Schule hat. Es war plötzlich fröhlich, gesprächig, konnte laut lachen, Späße machen, und es erzählte von den guten Noten und den interessanten dingen, die es an der neuen Schule tun konnte.
Nun frage ich mich, warum man diese Förderschulen einstampfen muss, wo sie doch offensichtlich hervorragend greifen?
Das Argument, das damals den Vater zum Umdenken brachte, war übrigens, dass das Kind beim Durchlaufen der Regelschule einmal ohne Schulabschluss dastehen würde. Am Ende der Förderschule winkt der Hautschulabschluss. So what? |
| . | | von: briefoeffner
erstellt: 06.06.2011 20:45:15 geändert: 06.06.2011 20:46:08 |
Die Kinder haben hier die wenigsten Ängste. Bei der obigen Schilderung ging es allein um die Befindlichkeit der Mutter.
Man kommt aber kaum gegen eine Mutter an, die ihr Kind nicht in Ruhe lässt. Deshalb habe ich versucht, die Forderung der Mutter mit ihrer Angst zu begründen. Man versteht sie dann besser und kann auf ihre Angst eingehen.
Ich habe ein schwer lernbehindertes Kind gehabt. Nach drei Jahren Kampf mit den Eltern, das Kind umzuschulen, willigten sie endlich ein. Mit dem Kind ging eine unglaubliche Wandlung vor sich.
Deshalb heißen die Schulen ja auch FÖRDER-Schulen. Dort werden die Kinder gefördert. Du schreibst das fast wie eine Entschuldigung. Das ist die teuerste Schule in Deutschland! Eine Eliteschule
Nun frage ich mich, warum man diese Förderschulen einstampfen muss, wo sie doch offensichtlich hervorragend greifen?
Weil es billiger ist.
Das Argument, das damals den Vater zum Umdenken brachte, war übrigens, dass das Kind beim Durchlaufen der Regelschule einmal ohne Schulabschluss dastehen würde. Am Ende der Förderschule winkt der Hautschulabschluss. So what?
Mein Argument ist: Ihr Kind wird hier keinen Schulabschluss bekommen. Wenn es aber nach dem Förderzentrum die Schule verlässt, hat es Anspruch auf weitere Eingliederungshilfen. Ohne Schulabschluss bei der Regelschule hat es keinen Anspruch auf Hilfen.
Bei mir ist es häufig so, dass die Eltern ihre Kinder unbedingt auf der Regelschule lassen wollen. Das Brettergymnasium hat nicht so'n guten Ruf. Obwohl die Kinder, die von dort zurückkommen, zu fast 100 % den Anforderungen der Regelschule entsprechen. |
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