Lusitanische Nacktschnecke weiter auf dem Vormarsch - Gegenspieler ist nicht in Sicht
Von OTZ-Redakteur Frank Kalla Jena.
Es war im feuchtwarmen Herbst 2007, als Dänemarks Regierung ernsthaft erwog, eine gesetzliche Verpflichtung zur Nacktschneckenbekämpfung für alle Bürger einzuführen. Am Ende blieb es aber bei der Schlagzeile "Tötet die Schnecke!", mit der die Kopenhagener Zeitung "Politiken" ihre Leser an die Front gerufen hatte.
Indes, der Vormarsch der dieser Nacktschneckenart geht auch in Thüringen ungehindert weiter. Landesweit gibt es derzeit kaum einen Kleingärtner, der in den vergangenen Wochen und Monaten nicht fassungslos vor seinen Beeten stand und seinem bis auf die Stängel heruntergeraspelten Gemüse hinterher trauerte.
Dass "Arion lusitanicus", so ihr wissenschaftlicher Name, vor kaum einer Pflanze Halt macht, weiß auch der Jenaer Zoologe Dr. Dietrich von Knorre. Seit Jahrzehnten ist er der aus dem Westen der Iberischen Halbinsel stammenden Nacktschnecke, die vermutlich über Gemüse- und Pflanzenexporte immer wieder aufs Neue nach Deutschland gelangt und sich hier zudem lebhaft vermehrt, auf der Spur.
"Bis zum Mauerfall gab es die Schnecken nur an zwei Stellen im Freistaat: In Camburg ausgehend von einem Friedhof und auf dem damaligen IGA-Gelände in Erfurt. In beiden Fällen waren die fremdländischen Wegschnecken mit importierten Pflanzen eingeschleppt worden", erinnert sich der Wissenschaftler. Nach der Wende sorgten dann die umfangreichen Gemüseimporte sowie die zahlreichen Gartencenter mit ihren importierten Pflanzen dafür, dass "Arion lusitanicus" jede feuchte Ecke im Freistaat besiedelte. "Gartencenter und Frischgemüsetransporte sind die größten Einfallstore", ist sich von Knorre sicher. Und ein Ende der Invasion scheint nicht in Sicht. "Bislang können wir nicht sagen, wer sich bei dieser Wegschneckenart als Gegenspieler etablieren wird", erklärt der Zoologe. Generell sieht er bei der Spanischen oder Lusitanischen Nacktschnecke mehr offene Fragen als Antworten, wie der Plage ökologisch sinnvoll beizukommen ist.
So ist beispielsweise nicht geklärt, wie viele Eier ein ausgewachsenes Exemplar im Jahr legt, wie alt eine Schnecke wird und ob es am Ende nicht sogar mehrere Arten sind, die ihre schleimige Spur der Verwüstung durch die Beete ziehen. Selbst an der Herkunft der Schnecke lässt der Zoologe Zweifel aufkommen. "Möglich, dass sie eigentlich in Portugal beheimatet ist."
Als einen wesentlichen Grund für die schlechte Datenlage führt der Jenaer fehlende Forschung ins Feld. "Es ist leider eine Tatsache, dass organismische Biologie in Deutschland kaum noch betrieben wird." Dabei wäre eine gründliche Erforschung von "Arion lusitanicus" aus seiner Sicht dringend geboten. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Nacktschnecklenproblem die Land- und Forstwirtschaft mit voller Wucht erreicht", ist sich der Zoologe sicher. Aber selbst wenn die braunen Schleimer von den Bäumen fallen würden, gäbe es im Moment nur Fragen. "Wir haben keinen Schimmer, welche Störgrößen sie in unserem Ökosystem darstellen."
Amsel, Igel oder Spitzmaus und auch die wenigen sich räuberisch ernährenden Schneckenarten würden zwar einzelne, meist kleinere Exemplare oder Eiergelege vertilgen: "An einer zehn Zentimeter großen Nacktschnecke scheitert aber eine Spitzmaus." Dass ein strenger Winter die Schneckeninvasion stoppt, daran glaubt von Knorre nicht. "Der letzte Winter hat uns eines Besseren belehrt", verweist er auf die steigende Zahl der Individuen. Vieles spricht zudem dafür, dass die Lusitanische Weg-Nacktschnecke ideale Lebensbedingungen in Deutschland vorfindet. "Wir haben im Verlauf der Jahre immer früher ausgewachsene Tiere beobachtet", sagt der Zoologe. Wann der Höhepunkt der Population erreicht sein wird, darüber mag von Knorre nicht spekulieren. "Fakt ist, dass jede Organismenart versucht, sich so stark auszubreiten wie es geht."
Solange aber kein natürlicher Feind oder eine Krankheit die Schleimlinge stoppt, heißt es für alle Hobbygärtner, sich mit Gegenmaßnahmen zur Wehr zu setzen. "Am besten ist es, die Schnecken einzusammeln und in einen gefüllten Wassereimer zu werfen, in dem man vorher einen Schwapp Fit getan hat", lautet von Knorres Empfehlung.
OTZ 03.08.2009