Ích finde diese Diskussion hoch interessant, gerade weil ich sie durch meinen fast 20-jährigen Aufenthalt in Großbritannien mit zwei verschieden "Köpfen" wahrnehme.
Ich hatte meine gesamte Universitätsausbildung plus Referendariat in GB abgelegt und fand das deutsche Bildungssystem aus Lehrersicht (aus Schülersicht war es mir bekannt) anfangs äußerst befremdlich. Ich (Gymnasiallehrerin, A13) arbeitete plötzlich neben fast gleichaltrigen KollegInnen, die aufgrund der Lehrerschwämme in den 80er Jahren damals keine Festanstellung erhalten hatten und gezwungenermaßen andere Jobs annahmen, teilweise Kinder kriegten und Jahre später doch noch als Angestellte in den Lehrerberuf einstiegen - allerdings mit einigen Hundert Euro weniger im Monat als ich - obwohl sie genau dasselbe, tagein, tagaus, tun! Wie kann es sein, dass in diesem paritätisch ausgerichteten Land eine derartige Ungleichheit hin und wieder zwar bekrittelt, letztendlich jedoch immer weiter stillschweigend hingenommen wird? Auch nach einigen Jahren im Dienst dieses Landes kann ich (mit meinem britischen Kopf)nur schlecht damit umgehen.
Zweiter Punkt. In GB gilt, dass diejenigen, die Kinder unterrichten, begleiten, formen und unterstützen die theoretischen Grundlagen für ihren Beruf an einer Universität erlernen müssen. Das gilt sowohl für "Nursery School Teachers" (= ErzieherInnen), die die Kleinsten unterrichten und die Grundlage für die gesamte, weitere Schullaufbahn legen, wie auch für die Oberstufen-lehrerInnen. An der Uni studieren Nursery School Teachers ihre Fächer mit Schwerpunkt "Kleinkindpädagogik".
Meine Tochter war zunächst in einer Nursery School, bevor wir nach Deutschland zogen. Dort besaß sie wie jedes andere Kind ein "development chart", eine Art Entwicklungstabelle, in die jeder wichtige Entwicklungsschritt - emotional, sozial und sprachlich/mathematisch verzeichnet war. Die Kinder saßen auf Teppichen und Kissen in der Geschichtenerzählecke; es gab für jede Aktivität einen bestimmten Bereich im Klassenraum. Die Lehrerin arbeitete zudem mit zwei Assistenten zusammen; in die Klasse gingen 12 Kinder. Im Kindergarten in Deutschland, dann der Schock: Eine Riesengruppe mit 20 Kindern, schlecht ausgebildete Erzieherinnen, die die Kinder anschrien und sie meistens im "freien Spiel" sich selbst überließen. Keinerlei pädagogisch und individuell abgestimmte Aktivitäten, keinen gezielten Entwicklungsbeistand. Hin und wieder mal ein Projekt, das wars. Und dieser Kindergarten hatte den Ruf, einer der besten zu sein!
Aber was erwartet man in diesem Land auch, wenn man die Erziehung unserer Kleinsten völlig unterbezahlten Kräften zumutet? ErzieherInnen haben eine signifikante Aufgabe zu erfüllen, warum wird sie so abgewertet, indem man ihren sozialen Status und somit ihr monatliches Entgelt unter dem der Lehrer stellt? Lehrergehalt für Lehrertätigkeit!
Punkt 3: In GB studieren alle Lehrer gleich lang und erhalten zu Beginn ihrer Laufbahn alle dasselbe Grundgehalt - egal, ob sie 4-jährige unterrichten oder in der Oberstufe arbeiten. Das Gehalt steigt mit wachsender Erfahrung, Jahr für Jahr. Nach neun Jahren erreicht man eine Obergrenze, die nur aufgrund besonderer Leistungsnachweise zu überschreiten ist. Besonders erfolgreiche Lehrer erhalten ein Schulleitergehalt, damit ihre Fähigkeiten den Kindern im Klassenraum erhalten bleiben und sie nicht ins Management abwandern: Es gilt das Leistungsprinzip. Auch erhält man mehr Geld für größere Verantwortlichkeiten, etwas wie die Übernahme einer Fachleitung (mit Weisungsbefugnis!) oder einer Stufenleitung. Das macht soviel Sinn!
An meiner Schule erhalten diejenigen, die sich am meisten engagieren, das geringste Gehalt. Befördert wird der, der "dran ist" (so die Aussage der SL); mit anderen Worten, derjenige, der dem SL am besten in den Kram passt oder den er halten will, weil er Z. B. ein Mangelfach unterrichtet - undenkbar in GB.
Ich liebe meinen Beruf, finde dieses System jedoch durch und durch verbesserungswürdig; es steckt im Morast längst vergangener Wertevorstellungen und Tradtionen fest und scheint immer tiefer im Sog der sozialen Anforderungen des 21. JH zu versinken, weil es denen einfach nicht mehr gerecht werden kann. Selbst die Politiker trauen sich ja nicht mehr daran - hier heißt es lediglich, embryonisch ausgeklügelte Themen wie G8, Inklusion, selbstbestimmte Schule, ZA "auf Deuvel komm raus" übern Zaun zu brechen únd mit einem selbstgerechten und süffisanten Lächeln ein Häkchen hinter die Pisa - "to do" Liste zu setzen. Schade.