Du fragst:
"Welche Werte vermittelst du deinem Kind?"
Danke für diese einfache Frage. Sie berührt mich, weil sie mir das Gefühl vermittelt als Mensch ernst genommen zu werden.
Viel zu oft wird Religionsfreiheit nicht als bewusste Entscheidung, sondern als eine spirituell ethische Mangelerscheinung betrachtet. Dagegen anzuschreiben ist mir ein zentrales Anliegen.
M.E. kann es ohne einen Gott keine absoluten Werte geben. Der Wunsch nach absoluten Werten kann aber keinen Gott erschaffen, obwohl die Sehnsucht danach allzu menschlich ist.
Ich glaube nicht an eine kognitive Ethik, bin also ein ethischer Relativist. Das meine ich aber nicht im Sinne des "anything goes" von Paul Feyerabend. Vielmehr sehe ich in unseren evolutionär ererbten Sozialverhalten eine intersubjektive Wertebasis. Logisch gibt es keinen Grund warum wir uns gegenseitig nicht töten sollten, aber ohne Tötungshemmung wären wir als biologische Art kaum überlebensfähig. Evolutionär erfolgreiches Sozialverhalten hat unser Gerechtigkeitsempfinden geprägt. Als die Menschen seßhaft wurden braucht sie eine Justitz. Die intuitive Übereinstimmung im Gerechtigkeitsempfinden bei Abwesenheit rationaler Begründungen trug wahrscheinlich zur Externalisierung des gemeinsamen Empfindens in eine göttliche Gerechtigkeit bei. So haben die Religionsstifter die Kulturhistorische Leistung erbracht unser evolutionäres Erbe zu verbalisieren. Das ist in vielen Kulturen mit sehr ähnlichen Resultaten geschehen. An den sogenannten christlichen Werten stört mich vor allem die eklatente Copyrightsverletzung. "Du sollst nicht töten" ist kein christlicher Wert, sondern ein evolutionärer (Eigentlich: "Du sollst keine Angehörigen deines eigenen Stamms töten").
In der Erziehung von meiner Frau und mir gibt es Gut und Böse nicht. Wir sehen unsere Aufgabe primär in der Stärkung der natürlichen Empathie. Wir fragen: "Wie würdest du dich fühlen, wenn...". Den Rest erledigt die Natur von selbst. Man braucht Kindern nicht zu erklären, dass es nicht gut ist wenn andere Leiden. Der Altruismus ist von Natur aus in ihnen angelegt.
Wenn du so willst ist der Utilitarismus grob Leitlinie unserer Erziehung, wobei einige Extrembeispiele aus der Vorlesung von Michael Sandel (
https://www.youtube.com/watch?v=kBdfcR-8hEY ) mich davon überzeugt haben, dass Utilitarismus in Reinkultur auch irgendwie unmenschlich werden kann. Ethische Grenzfälle entscheide ich emotional, im Vertrauen, dass Millionen Jahre Evolution eine gewisse Weisheit in unsere Gefühle programmiert hat.