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Forum: "Die Brutalität ist nicht Ausdruck einer Bildungskrise, sondern verfehlter Integration..."
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| Ist also Werteverlust der Auslöser für Gewalt? | | von: keinelehrerin
erstellt: 23.05.2006 08:55:33 |
Ganz banal versucht auf eine Aussage zu bringen.
Werteverlust beginnt aber schon vor der Kiga-Zeit, praktisch schon dann, wenn das Würmeli beginnt zu krabbeln.
Wenn man ihm dann nicht beibringt, dass es Schränke gibt, an die es nicht randarf, und dass man keinesfalls bereit ist den Wohnzimmertisch ständig von allem freizuhalten, was dekorativ isst.
Der Kiga leistet - meistens jedenfalls - gute Arbeit. Aber dort sind die Kleinen max. 6 Stunden am Tag. Also ein Drittel dessen, was sie Hause verbringen. Da kann die Erzieherin vermitteln wie sie will, gegen diese Übermacht kommt sie nicht an.
Aber wie willst du - man - frau Werte vermitteln? Entweder haben die Eltern sie von ihren Eltern übernommen, sich bewusst damit auseinandergesetzt, sie für gut befunden, sie widerspruchslos hingenommen, sie abgelehnt, sie ins Gegenteil verkehrt.
Oder die jetzigen Eltern wurden von außen, sprich Religon, Medien (TV, video) beeinflusst.
Und das halte ich selbst für das größte Feld. Eine Nachricht der letzten Tage war doch, dass auf der Spielemesse in ??? der Verkaufsrenner Gewaltspiele gewesen sind. Und das hat noch nicht mal jmd. verwundert.
Kennt ihr auch die Werbung für ein Game, in dem sehr lebenscht dargestellt wird, wie Soldaten, wahrscheinlich US Armee, mit gezückten Gewehren durch Straßen gehen, die menschenleer sind. Auf einmal kommt von oben ein Helikopter und eine wilde Ballerei entwickelt sich in deren Verlauf einer der Soldaten stirbt. Kurz umrissen, und das alles als WERBUNG.
Und zu Zeiten, in denen mein Großer noch Fernsehen darf, sprich vor 21.00 h.
Was willst du gegen diese Art von Beeinflussung der Werte tun?
Außer selbst - meist allein wie der Rufer in der Wüste - deine Meinung vertreten, dich belächeln lassen und hoffen, dass du das Richtige tust. |
| Wertewirrwarr? | | von: oblong
erstellt: 24.05.2006 22:50:31 geändert: 24.05.2006 22:51:08 |
Wenn ich eure gewissenhafte und die phrasenreiche Debatte im Bereich der politisch Gestaltenden um die Werte in meinem Herzen bewege, dann komme ich zu sehr unterschiedlichen, einander nicht immer entsprechenden Beobachtungen:
- Die Gewichtung von Werten ist einem ständigen Wechsel von Aufsteigen und Absinken, Verabsolutierung und vergessen werden unterworfen.
Dies scheint ein geschichtlich-natürlicher Vorgang zu sein, der mit gesellschaftlichen Veränderungen, Naturkatastrophen, technischen Entwicklungen, Entdeckungen verbunden, um nur einige Faktoren zu nennen.
Von daher sollte man nicht vorschnell über den "Werteverlust" generell klagen, sondern prüfen, ob es sich bei dem beklagten Zustand um eine Veränderung auf ein anderes, eventuell auch positives Ziel handelt: machen alte Schwerpunktsetzungen Platz für neue, die von mehr Menschen einer Gesellschaft positiv bejaht und angestrebt werden?
Kein demokratisch gesinnter Mensch, der um die Gleichwesentlichkeit von Mann und Frau sich müht, mag ernsthaft fordern: Frauen an den Herd!
So sehr wir für die Emanzipation der Frau in Deutschland einen ideellen Preis zahlen müssen, so wenig möchten wir doch in die Verlogenheit der Frauendebatte der 40er, 50er und 60er Jahre zurück.
- Der Niedergang von Werten bedeutet immer einen Verlust.
Manchmal reden sich Menschen ein, eine Entwicklung bringe Vorteile für alle, es gebe keine Sieger und Verlierer.
Wie schon der verstorbene Neil Postman am Beispiel der amerikanischen Medienentwicklung der 80er und 90er Jahre aufzeigte, ist dies eine Schutzbehauptung der Sieger, die den Schutt und die Trümmer ihres Gewaltaktes verbergen möchten:
Die Einführung von Computertechnik und Roboter in der Industrie hat Arbeitsplätze geschaffen, aber ganz bestimmte auch vernichtet, die jetzt einen Anteil an unserem Arbeitslosenheer bilden.
Ein zweites Beispiel: Die stärkere Ausbeutung der Menschen in ihrer Arbeitszeit hat auch das Problem der Freizeit verschärft und für eine Verschiebung der Wertegewichtung gesorgt: Leben nur viele unserer jugendlichen Schüler für das Wochenende und empfinden den Schulalltag als stumpfe Wartezeit aufs Wochenende - oder machen ihnen das nicht auch oft ihre Eltern und andere Erwachsene vor?
- Werte sind ideell und sterben nicht so einfach; sie können wiedererstarken oder verzerrt und entstellt ihr schreckliches Haupt erheben: die preußischen Sekundärtugenden Ordnungsliebe, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Gehorsam kamen als Kadavergehorsam, kleingeistiger Bürokratismus und perfektionistischer Vernichtungswahn im sog. III.Reich wieder.
- Werte können auch, und das macht mir Sorgen, einfach verblassen und verdunsten in einer gleichgültigen, konsumistischen Neid- und Geizgesellschaft, die unterhalten werden will und soziale Verantwortung ebenso verachtet wie eine Beschäftigung mit den nicht endgültig beantworteten Grundfragen der Menschen. Traditionen und Autoritäten werden als Unterdrückungsinstrumente diffamiert und nicht mehr als heimatgebende Orientierungshilfen verstanden, die das erwachsen werdende Menschlein abstreifen soll, um sie als Wegweiser zu erkennen.
Als Beispiele möchte ich die weit gehende Infantilisierung unserer als "Bildungsgesellschaft" gebauchpinselter Konsumenten nehmen, die sich zwar vor "dem Islam" fürchtet, den friedlichen Muslimen in Deutschland aber ein Schlaffi-Bild bietet:
In meinem Reli-Kurs (Oberstufe) wussten nicht einmal die Hälfte elementare Wissensbestandteile des christlichen Glaubens. Was soll ein gläubiger Muslim davon halten? Hat er nicht Recht, wenn er diese Bürger aus seiner Sicht schlichtweg als "ungläubig" bezeichnet?
Wir ermüden uns oft gegenseitig in Diskussionen, was zur Bildung dazugehört - und übersehen dabei, dass so mancher noch nicht einmal einen Videorekorder programmieren kann, den Unterschied zwischen CDU und SPD erklären kann, von den Fernsehnachrichten nicht mehr als zwei Schlagworte wiedergeben kann, wenn man um 20.30 Uhr sie fragt...
Die Liste könnt ihr nach euren Vorstellungen beliebig verlängern.
Wenn ich mich veraltet ausdrücken darf:
Wir brauchen Menschen, die den Hunger nach Bildung wecken: auch nach Bildung, die nicht sich in Cent und Euro umsetzen lässt, die Lust auf Verstehen der Welt macht, die denn Mitmenschen als lebendiges Gegenüber begreift und nicht als Lustbremse oder als Lustbringer.
Werte werden weniger vermittelt als vorgelebt, da führt kein Weg vorbei.
Bei der Erziehung von Jugendlichen brauchen wir Vorbilder, die über ihr Denken, Reden und Handeln Rechenschaft ablegen. Dies sind in erster Linie die Eltern, dann erst die Lehrerinnen und Lehrer.
Ein Rückzug als schlichter Begleiter von eigenmotivierten Lernprozessen mag ein schönes Modell für Kinder sein; für Jugendliche und junge Erwachsene taugt es nicht. Auf Erfurt muss ich eigentlich nicht mehr hinweisen.
Ich meine, einige schlichte Unbequemlichkeiten sollten wir schon riskieren. Ich habe meinen Beamtenstatus nicht nach 18 Jahren Angrestelltendasein angenommen, um in Schweigen zu verfallen.
Entschuldigt die sehr lange Darstellung.
Ich würde mich freuen, wenn ihr zu einzelnen Teilabschnitten euch äußert.
Herzliche Grüße,
oblong |
| @oblong | | von: elke2
erstellt: 25.05.2006 14:27:50 |
1.Unsrer Kinder brauchen Vorbilder, das sind in erster Linie die Eltern! Da magst du recht haben! In einer intakten Familie funktioniert das auch, aber ich unterrichte an einer Hauptschule. Die meisten Schüler leben als Scheidungskinder entweder bei Vater oder Mutter, manche haben gar kein richtiges Zuhause ( Fall: ein Schüler kam nach Schulschluss nach Hause,fand die Haustüre verschlossen. Mutter war mit Lebensgefährten in Urlaub gefahren,ohne den Sohn zu informieren!!!!). Wo sollen da Werte vermittelt werden? In diesem Fall müssen wir Lehrer versuchen, diese Funktion zu übernehmen, aber auch bei den anderen haben wir den Auftrag, die in der Familie vermittelten Werte zu stärken.
2. Was sind die noch heute gültigen Werte? Über diese Frage wird doch gerade in letzter Zeit sehr viel kontrovers diskutiert! Gehört Pünktlichkeit dazu oder Hilfsbereitschaft oder Toleranz oder Rücksicht oder .....? Für mich sind diese Werte gerade heute von großer Bedeutung und ich meine, sie sind in jeder Zeit wichtig. Ohne sie ist ein Leben in der Gemeinschaft nicht möglich. Nur wie soll ein Kind das lernen,wenn es ( s.o.) solche Erfahrungen macht? Wenn ein Erwachsener einer Mutter mit Kinderwagen die Türe vor der Nase zumacht?......... Liebe Grüße elke2 |
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