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Forum: "Geschichte zum Weiterschreiben. Teil 2"
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| 19 - 9. | | von: aloevera
erstellt: 06.06.2006 16:33:08 geändert: 06.06.2006 17:15:12 |
Marions Auto stand noch auf dem Schulparkplatz. Nach dem köstlichen Frühstück und einer heißen Dusche brachen sie auf. Viel hatten sie nicht miteinander geredet, aber dieses Zusammensein , das fühlten beide , war etwas ganz Besonderes. An der großen Kreuzung kurz vor der Schule sah sie ihn. Max rollte auf die rote Ampel zu und da stand er, bepackt mit Schlafsack, Isomatte und Bundeswehrrucksack. Die Fußgängerampel wurde grün und Jack, ein Lied vor sich hin pfeifend, überquerte die Straße. Marion fühlte nichts – keine Freude, keine Erregung, keine Traurigkeit, einfach nichts. Sie betrachtete ihren Ehemann von oben bis unten. Er hatte die Haare recht kurz geschnitten und sah beinahe fröhlich aus. Der Rest von ihm steckte in seinem uralten karierten Holzfällerhemd, blauen abgewetzten Jeans und seinen ausgelatschten Turnschuhen. Mit einem flüchtigen Seitenblick auf Max verglich sie beide Männer. Max hatte einen schwarz-weiß karierten Jogginganzug an, darunter ein blütenweißes T-Shirt und strahlend weiße Joggingschuhe. Er wollte Marion zur Schule fahren, joggen und danach in die Sauna gehen. Die Tatsache, nicht arbeiten zu dürfen, lag ihm schwer auf dem Magen. Aber selbst in diesem Freizeitdress sah er apart und elegant aus, während Jack durchaus von der nächsten Parkbank aufgestanden sein konnte. Marion fragte sich lediglich, was er um diese Uhrzeit so bepackt wohl vorhatte und was ihm ein Pfeifen entlockte, zählte Jack doch eher zu der Kategorie Langschläfer und Morgenmuffel.
Als Jack in die Wohnung kam, stellte er mit Verwunderung fest, dass sie unbewohnt schien. Keine Spur von Marion und kein Hinweis darauf, dass sie die Nacht zu hause verbracht hatte. Umso besser, dachte er, denn auf ein Gespräch mit ihr hatte er absolut keine Lust. Er packte seine Sachen zusammen und wollte gerade wieder losgehen, als ihm die SMS seiner Mutter einfiel. Er griff zum Telefon und wählte Hildegundes Handynummer. „Schäfer“ . Der Tonfall in ihrer Stimme erinnerte Jack an seine Zeit bei der Bundeswehr und ließ ihn augenblicklich Haltung annehmen. „Hallo Mutter, hier ist Hans-Rüdiger. Wie…“ „Na reizend, dass du dich auch mal meldest. Ich könnte schon kalt irgendwo liegen und du wüsstest das gar nicht! Was gibt es?“ „Ich wollte mal hören, ob bei dir alles in Ordnung ist?“ „Ja, was soll denn nicht in Ordnung sein. Wir legen noch heute auf Zypern an und ich freue mich auf einen Landausflug bei strahlend blauem Himmel und 28 Grad Sonne“. „Sag mal, deine SMS, die du mir geschickt hast…“ Wieder fuhr Hildegunde ihm über den Mund. „Ich weiß ja nicht, was du den lieben langen Tag treibst, ich jedenfalls habe mich um deine und die Zukunft eures Kindes gekümmert. Wenn ich zurückkomme und zwischen dir und Marion wieder alles in Ordnung ist, bekommst du 50000 €. Das Geld ist nicht von mir, sondern … sondern von deinem Vater.“ Schweigen – Jack glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Von seinem Vater? Von dem Mann, den er nie kennen gelernt hatte? Der Mann, an dem seine Mutter kein gutes Haar gelassen hatte? Sie musste völlig übergeschnappt sein. „Hans-Rüdiger, bist du noch da? Pass auf, das ist eine lange Geschichte. Bring dein Leben in Ordnung und wenn ich zurück bin, erkläre ich dir alles, ja? Mach´s gut und schöne Grüße an Marion.“ Tut, tut, tut… Hildegunde hatte aufgelegt.
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| 19 -10. | | von: aloevera
erstellt: 06.06.2006 22:46:04 geändert: 06.06.2006 23:15:00 |
Mit einem strahlenden Lächeln öffnete Marion die Tür zum Sekretariat. Frau Schneider, immer noch ein wenig bleich um die Nase, zwinkerte ihr verschmitzt zu. Scheinbar hatte niemand etwas vom gestrigen Gelage bemerkt. Alles schien ruhig und seinen gewohnten Gang zu gehen. „Ach Frau Schäfer, Ihr Gatte hat eben angerufen. Er erwartet Sie um 15.00 Uhr zu hause. Es sei dringend, soll ich Ihnen ausrichten.“ Das Lächeln in Marions Gesicht erstarb. Der Tag hatte so schön angefangen und nun das. Reichte es nicht, dass sie Jack heute schon gesehen hatte? Aber, innerlich seufzte sie, es war ja unumgänglich, dass sie noch einmal miteinander redeten. An der Tür zum Lehrerzimmer stieß sie mit Sylvia zusammen, die ihr fast die Tür gegen den Kopf schlug. „Na, meine Gute, hattest du eine angenehme Nachtruhe? Du siehst heute besonders attraktiv aus!“ Und dann leiser „Wie ist er im Bett?“
„So weit sind wir noch nicht, aber wenn es je soweit sein sollte, wirst du es als erste erfahren!“ konterte Marion und hatte ihre alte Fröhlichkeit wieder.
Der Vormittag verlief ohne Zwischenfälle, ohne aufgebrachte Eltern oder böse Anrufe vom Schulamt. Marion setzte sich in ihr Auto, wollte noch rasch etwas einkaufen und sich dann dem Gespräch mit Jack stellen. Völlig in Gedanken fuhr sie los. Was wollte er so dringendes von ihr? Hatte er sich ihren Vorschlag überlegt und wollte dem etwa zustimmen? Ach, was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, dachte sie ärgerlich, er musste sich damit abfinden, dass es endgültig vorbei war und er sich keine Gedanken um dreckige Windeln, Fläschchen, Haushalt und so weiter machen musste.
Plötzlich, sie konnte gerade noch rechtzeitig bremsen, sprang ein Polizist auf die Straße, hielt die Kelle hoch und rief sie in die bittere Realität zurück. Wie oft hatte sie schon andere an dieser Stelle per Lichthupe gewarnt und nun war sie selbst in die Falle getappt. Sie kurbelte das Fenster herunter. „Guten Tag, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass sie sich in einer Tempo-30-Zone befinden und die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten haben.“ „Ich weiß, dass ich zu schnell war“ renkte Marion ein „aber ich hatte es eilig.“ Was sollte sie auch sonst sagen, es war die Wahrheit. „Nach Abzug der Toleranz von 2 km/h bleiben immer noch 45 Stundenkilometer übrig, das kostet Sie ein Verwarnungsgeld von 25 €. Wollen Sie auf die Auswertung und den postalischen Bescheid warten?“ „Nein danke, ich habe schon einige von diesen zauberhaften Fotos und weiß genau, wie bescheuert man darauf aussieht. Ich zahle bar“ entgegnete Marion unwirsch, zahlte und fuhr mit 20 km/h provokativ weiter. Den Einkauf konnte sie sich abschminken, ihr Geld reichte gerade noch für einen Kakao und ein Stück Kuchen beim Bäcker an der Ecke.
Nachdem sie ihren Ärger mit Kuchen und Kakao ein wenig runtergespült hatte, ging sie in ihre Wohnung. Jack erwartete sie bereits.
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| 19. 11. | | von: keinelehrerin
erstellt: 07.06.2006 16:43:33 geändert: 07.06.2006 17:02:49 |
Bring dein Leben in Ordnung, bring dein Leben in ordnugn, bring .....
Dieser Satz seiner Mutter drehte sich gleich einem unheilschwangeren "Omepatmehum" in seinem Gehirn. Sein Leben war in Ordnung gewesen, alles hatte seinen Lauf gehabt. Bis....ja, bis wann eigentlich? Einen genauen Zeitpunkt konnte er gar nicht nennen. Das ewige Genörgele von Marion, er liese seine benutzten Teller überall stehen; das Gezänke, wenn er die Zahnpasta vom 'falschen' Ende ausdrückte; das Gemurre, dass er nichts im Haushalt mache ...konnte Marion vielleicht Recht haben? Hätte er sich mehr einbringen müssen? Das würde er wohl in Zukunft tun müssen, wenn er seine Frau und das Kind - und das Geld!- behalten wollte. Er musste also auf reuigen Sünder machen und Besserung geloben. Er würde zur Begrüßung Kaffee kochen, ja, das war ein guter Anfang fand er. Daran würde Marion gleich seinen Willen zur Umkehr sehen.
Marion kam mit einem dicken Kloß im Magen in ihre Wohnung. "Hallo. Ich hab dir schon Kaffee gekocht. Gehts dir gut?", fragte Jack, gemäß seiner neuen Rolle als Vorzeige-Ehemann. Überrascht zog Marion die Augenbrauen in die Höhe. "Hast du schon am helllichten Tag getrunken?" fragte sie misstrauisch. Jack gab sich bekümmert:"Was denkst du von mir? Ich trinke nicht mehr." Ein Fingerkreuzen hinterm Rücken machte diese Lüge nicht anrechenfähig fürs Jüngste Gericht. "Den alten Jack gibt es nicht mehr. Ich habe mich geändert. Wirklich! Ich hatte sehr viel Gelegenheit nachzudenken. Und ich bin mit dir der Meinung, dass...." "Halt! Jack! Nein!!!" Marion wusste im ersten Moment gar nicht, wie sie den Redestrom von Jack stoppen sollte. "Es ist aus!! Aus und vorbei!! Ich werde mich trennen. Ich will die Scheidung. Lass es uns wie Erwachsene durchstehen." A U S!! S C H E I D U N G!! Das waren die einzigen Worte, die Jack verstand. Alles andere was Marion zu ihm sagte, versank in einem gellen Nebel aus diffusem Stimmgewabbel. Wenig geistreich stand er im Flur und sah zu wie Marion im Bad das Nötigste zusammensuchte. Als sie den Koffer unterm Bett hervorkramte und die Schranktür öffnete, kam langsam wieder Leben in ihn. "Marion. Das kannst du nicht machen. Hast du nicht verstanden? Ich werde mich ändern. Ich habe mich geändert. Ich werde dem Kind ein guter Vater sein, notfalls geh ich auch in den Krabbelkreis mit ihm. Marion, du kannst mich nicht verlassen. Marion, ich ..... ich brau..... bitte, ich .....Ich brauche dich." Da war es heraus. Und es war genauso gemeint, wie es seine gequälte Seele von sich gegeben hatte. Ein Winden einer in die Enge getriebenen einsamen Kreatur. Marion sah ihn an, ohne eine tiefere Regung als Mitleid für diesen Mann, mit dem sie jahrelang ihr Leben geteilt hatte. Nein, nicht geteilt, dessen Leben sie die letzten Jahre aufgefangen hatte. "Jack, es hat keinen Sinn mehr. Es tut mir Leid. Ich habe mich entschieden. Ich gehe." Den Koffer in der rechten Hand ging sie an Jack vorbei aus dem Schlafzimmer. Mit einem letzten flüchtigen Wangenkuss verabschiedete sie sich von ihm. Leise fiel die Wohnungstür ins Schloss.
- Ende Kapitel 19 - |
| 20 - 1. | | von: aloevera
erstellt: 07.06.2006 21:46:30 geändert: 07.06.2006 21:48:20 |
Jack ließ sich völlig entmutigt auf die Couch fallen. Er starrte vor sich hin und versuchte sich an Einzelheiten des Gespräches, das eher ein Vortrag von Marion war, zu erinnern. Nur Wortfetzen waren übrig geblieben …Wohnung kündigen…eigene Wohnung… erwachsen werden … ausziehen…verliebt…auseinander gelebt…lange überlegt…kein Zurück mehr…
Alle guten Vorsätze vom Morgen hatten sich erst einmal in Wohlgefallen aufgelöst, was er jetzt brauchte, war etwas, das seinen Kummer herunterspülte. Er fand eine Flasche Whisky, die er an seinem letzten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Nach den ersten zwei Gläsern würde er ruhiger, aber auch zunehmend wütender. Was bildete sich diese blöde Gans ein? Er stand zum ersten mal vor der Situation, eine Menge Geld zu bekommen und da wollte sie ihm einfach einen Strich durch die Rechnung machen? Sie erwartete sein Kind, da hatte er ja auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wie sollte er seiner Mutter gegenübertreten? Ihre Forderung war klar und deutlich gewesen, heile kleine Familie, sonst kein Geld. Zum ersten mal verstand er Frank und fragte sich, warum er nicht schwul war. Das Thema Fortpflanzung hätte sich damit für ihn erledigt und würde ihn nicht, wie jetzt, in den endgültigen Ruin treiben. Wütend ging er in die Küche, öffnete den Küchenschrank, nahm wahllos Tassen, Teller und Schüsseln heraus und warf sie mit voller Wucht auf den Boden. Es klirrte und schepperte wie bei einem Polterabend. Die Whiskyflasche war inzwischen halb leer und Jack torkelte zwischen den Scherben ihres gemeinsamen Hochzeitsgeschirrs herum. Als der Schrank und die Flasche leer waren, legte er sich im Wohnzimmer auf die Couch und fing hemmungslos an zu schluchzen.
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| 20.2. | | von: keinelehrerin
erstellt: 08.06.2006 12:24:33 |
"Dieses Leben ist so ungerecht, so unglaublich ungerecht. Warum mir? Warum passiert das ausgerechnet mir? Das ist nicht fair!" Und wie jeder, der über längeren Zeitraum dem Alkohol zugesprochen hat, suchte er die Antwort auf seine Frage in dem Außen und nicht im Innen. Auf die Idee, dass es etwas mit seiner Einstellung zum Leben und zu seinen Mitmenschen zu tun haben könnte, kam er eigentlich nicht. Der gedankliche Ausflug, den er damals in der Meditationsgruppe hatte, war vergessen. Vergessen waren auch die guten Vorsätze, mit denen er seinen Weg zur persönlichen Hölle pflasterte. Nicht vergessen waren allerdings Hildegundes Worte. Die schwirrten in seinem trunkenen Hirn immerzu herum. Er fiel in seinen Rausch.
Jacks Kismet war schon eines der härtesten, die das Schicksal geschrieben hatte. Aber wer glaubt, dass es sich jetzt nur noch zum besseren wenden kann, dass es ab jetzt nur noch Bergauf gehen kann, der irrt sich. Die nächste Prüfung, die zwischen Jack und seinem irdischen Nirvana lag, war schon im Anmarsch.
Heiko brachte Frank, der wegen seines Gipses immer noch nicht fahren durfte, zu Jacks Wohnung. Er half ihm auch, die paar Habseligkeiten, die Frank in der Eile zusammengesucht hatte, vor Jacks Wohnung abzulegen. Frank klingelte und klingelte und klingelte. Fast glaubte er schon, es sei niemand zu Hause als dann doch endlich Schritte im Flur zu hören waren und die Tür in Zeitlupentempo geöffnet wurde. Eine wirklich bemitleidenswerte gebeugte Gestalt hielt sich mühsam am Griff aufrecht. Unter wirren Haaren sahen in ein Paar dickverquollene Augen an. "Häh...?" Frank schluckte noch einmal, blieb dann aber bei seinem Entschluss. Er hatte es mehrfach mit der Meditationsgruppe besprochen und sie waren zu dem Ergebnis gekommen, dass Jack bei Frank ausziehen müsse. Frank hielt es mit diesem undankbaren Ferkel wirklich nicht noch länger aus! "Jack, hier sind deine Sachen. Du kannst nich mehr bei mir wohnen, ich werf dich raus. Junge, du brauchst dringend 'ne Therapie. Machs gut." Damit verschwand Frank. Jack starrte auf das Bündel vor seiner Tür und fragte sich gerade, welch seltsame Mondkonstellation im Moment am nächtlichen Himmel herrschen möge, die dazu führte, dass sein ganzes Umfeld durchzudrehen schien. Gabs denn keine normalen Menschen mehr?! Mühsam klaubte er die Sachen vom Boden, schlürfte in die wohnung zurück und legte sich wieder hin und wartete bis die Planeten günstiger stehen würden. |
| 20 - 3. | | von: aloevera
erstellt: 08.06.2006 23:11:22 geändert: 08.06.2006 23:26:48 |
Marion hatte ihren Koffer in den Kofferraum gepackt, war ein paar Straßen weitergefahren und hielt an. Sie hatte genau das getan, was sie in der Schule verabscheute, Jack sozusagen einen Lehrervortrag im Frontalunterricht gehalten, kaum Fragen zugelassen und ihn in Grund und Boden geredet. Das war auch nicht das, was sie unter „Regelung unter Erwachsenen“ verstand. Aber zurückfahren wollte sie auch nicht. Sie vergewisserte sich, dass sie Sylvias Wohnungsschlüssel in der Handtasche hatte. Instinktiv legte sie die Hände auf den Bauch und hielt Zwiesprache mit ihrem ungeborenen Kind. „Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das. Alles wird gut“. Sie startete ihr Auto erneut und fuhr los. Als sie nach dreimaligem Anlauf endlich eine Parklücke gefunden hatte, parkte sie ein, zog den Zündschlüssel ab und blieb regungslos im Auto sitzen. Die Tränen liefen ihr die Wangen runter, still und leise weinte sie vor sich hin. Sie wusste hinterher nicht mehr, wie lange sie im Auto gesessen hatte. Marion stieg aus, nahm ihren Koffer und ihre Handtasche und klingelte.
„Marion, was ist passiert? Komm rein.“ Max blickte in ihr tränenüberströmtes Gesicht, nahm den Koffer und zog sie sanft in die Wohnung hinein. Ohne Worte nahm er sie in den Arm und hielt sie ganz fest. Das war es, was Marion jetzt brauchte, eine starke Schulter, an die sie sich anlehnen konnte und starke Arme, die sie fest halten würden, bevor ihr der Boden unter den Füßen wegrutschte.
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| 20.4. | | von: keinelehrerin
erstellt: 09.06.2006 21:11:17 geändert: 09.06.2006 21:31:14 |
"Ich hab ihm gesagt, es ist aus. Ich hab ihm gesagt, dass wir ihn nicht brauchen. Ich...." Hier brach ihre Stimme und sie schniefte herzzerreißend. Ja, die Hormone. "Oh, Max. Jetzt sind der Wurm und ich vaterlos." Völlig aufgelöst kann Marion keinen klaren Gedanken mehr fassen. Es waren doch zuviele Entscheidungen in den letzten Wochen zu treffen, einmal abgesehen davon, was ihr Körper in den ersten Schwangerschaftsmonaten rein physisch lernen und verarbeiten musste. Da war es nur zu verständlich, dass sie jetzt die Haltung etwas verlor. Max streichelte ihr den Rücken, hielt ihren zitternden Körper fest. "Ihr seid nicht allein, du und der Wurm. Ich bin für euch da." Marion schaute zu ihm hoch. Fragend sah sie ihn an: "Ist das dein Ernst?" Liebevoll lächelte Max ihr zu und nickte bekräftigend. Zur Besiegelung küsste er sie ganz zart. Zuerst etwas überrascht erwiderte Marion den Kuss. Das sah Max als Bestätigung und drückte seine Lippen etwas fordernder auf die von Marion. Den warmen, weichen Körper der geliebten Frau im Arm, fühlte sich Max dem Himmel sehr nah. Marion war ausgehungert nach Zärtlichkeiten. Viel zu lange hatte sie wirkliche Nähe und Verbundenheit vermisst. Hingebungsvoll ergab sie sich ganz den Küssen von Max. Ihr Liebesspiel wurde fordernder, die Küsse leidenschaftlicher, die Bewegungen schneller. Marion japste zwischen zwei Küssen: "Max. Max. Willst du das wirklich? Noch können wir zurück." Max sah sie an. "Wovon redest du? Natürlich weis ich was ich will. Nie in meinem Leben wusste ich etwas so genau. Ich will dich. Und den Wurm." Liebevoll täschelte er den Unterbauch von Marion. "Ich will ihm ein guter, liebevoller Vater sein. Und dir, dir will ich ein liebevoller, zärtlicher, leidenschaftlicher, dich auf Händen tragender Mann sein." Bei jeder Aufzählung küsste er zart ihre Nasenspitze. "Marion." Er hielt sie auf Armeslänge von sich. "Marion. Ich liebe dich." |
| 20 - 5. | | von: aloevera
erstellt: 10.06.2006 00:15:59 geändert: 10.06.2006 14:19:26 |
Irgendwann ist jeder Rausch mal ausgeschlafen. Jack erwachte am nächsten Morgen mit einem Brummschädel, der mindestens nach drei Aspirin schrie. So nach und nach kehrte die Erinnerung an den gestrigen Tag zurück und verursachte sofort heftigste Depressionen. Er ging in die Küche , um sich einen Kaffee zu kochen und stellte fest, dass er gründliche Arbeit geleistet hatte. Im Schrank befand sich keine einzige Tasse mehr. Sämtliches Geschirr aus dem Küchenschrank lag zerdeppert am Boden. Während er den starken Kaffee aus einem Bierglas trank und sich das Chaos in der Küche näher betrachtete, beschloss er, sich für eine Weile für seine Umwelt tot zu stellen. Die sollten ihn doch alle gern haben, Marion, seine Mutter, Frank und seine esoterischen Freunde, einfach alle. Alle? Wer war denn da noch, außer ein paar Saufkumpanen? Je nüchterner er wurde, desto klarer konnte er denken. Sein bisheriges Selbstmitleid wich einem Hauch von Selbsterkenntnis. Marion wollte die Scheidung. Er hatte immer in ihrem Schatten gestanden. Sie, die Beamtin auf Lebenszeit, ehrgeizig, Lehrerin mit Leib und Seele, er dagegen durch Leichtsinnigkeit gut genug für die Ersatzbank. Wenn kein anderer da war, durfte er mal wieder kurzzeitig Lehrer sein. Seine Mutter, die zwar immer alles für ihn getan hatte, erpresste ihn nun. Mit ihr verstand er sich nur auf sichere Entfernung. Aus dem gemeinsamen Freundeskreis war Jack nach und nach ausgebrochen und hatte sich mit oberflächlichen Kumpels die Zeit vertrieben. Frank hatte sich nach seiner Scheidung um 360 Grad gedreht und hatte andere Vorlieben entdeckt. Das einzig stabile in seinem Leben und ein kleiner Lichtblick waren scheinbar nur der neue Fernseher und die bevorstehende WM. Und danach? Die Prognose war düster. Er konnte weder eine Familie, noch eine geregelte Arbeit und kein intaktes soziales Umfeld vorweisen. Da er kein Geld mehr hatte, saß er bald auf der Straße, denn alleine konnte er die Wohnung nicht halten. Eigentlich könnte er sich auch erhängen, schoss es ihm durch den Kopf. Er blickte sich suchend im Zimmer um, entdeckte aber keine geeignete Stelle für solch ein Vorhaben. Und die WM wollte er schließlich noch miterleben. Vielleicht könnte er seine gewonnene Karte gut verkaufen, um während der WM wenigstens nicht zu verhungern und zu verdursten.
Franks Rat, eine Therapie zu machen, fiel ihm wieder ein. Jack auf der Couch eines Psychodoktors? Lächerlich!! Wo doch jeder weiß, dass die Psychologen meistens selbst nicht alle Latten am Zaun haben. Der Gedanke, dass Marion einen anderen hatte, er erinnerte sich dunkel, dass sie gesagt hatte, sie sei verliebt , verursachte ihm solch einen Stich in der Magengegend, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen. Er hatte keinen blassen Schimmer, wer das sein könnte. Während er sich mit dem Heizkissen auf dem Bauch wieder aufs Sofa legte, wusste er plötzlich, wer der neue Mann in Marions Leben war. Kartoffelpürree, schoss es ihm durch den Kopf, der neue Kollege, der sie damals mit seinem lächerlichen Topf besuchen wollte und den er im Krankenhaus wieder getroffen hatte. Die Magenschmerzen wurden immer heftiger statt besser. Jack zog sich die Decke fester um die Schultern und hoffte, dass er jetzt sterben würde. Vermissen würde ihn sowieso keiner und er war mit sich und der Welt erst einmal fertig.
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| 20 - 6. | | von: aloevera
erstellt: 10.06.2006 09:38:01 geändert: 10.06.2006 14:23:04 |
Jack erwachte nach einer weiteren unruhigen Schlafphase und stellte verwundert fest, dass er noch lebte. Seine Kopf- und Magenschmerzen waren weg und er fühlte sich gar nicht schlecht. Er hatte wirres Zeug geträumt, wahrscheinlich hatte der Restalkohol in seinem Körper sein Unterbewusstsein mächtig durcheinander gebracht. Trotz seiner miserablen Verfassung musste er grinsen, als er sich an den Traum erinnerte, in dem er sich mit seinem Nebenbuhler duelliert hatte und ihn mit einem gebrochenen Nasenbein und drei ausgeschlagenen Zähnen zurück gelassen hatte. Mit diesem Resultat hatte der Kartoffelpürreemann viel von seiner Attraktivität verloren. Recht so!
Während Jack mit bitterer Miene seinen frisch gebrühten Kamillentee trank, hellte sich sein Gesicht auf. Genau! Das war doch die Lösung. Warum sollte er sich nicht einen Mitbewohner suchen? Die Wohnung hatte große, helle Zimmer, lag zentral und doch in einer ruhigen Wohngegend und die Miete war für zwei erschwinglich. Wenn Marion auszog und einen Teil der Möbel mitnahm, denn sie hatte fast alles ausgesucht und bezahlt, war genug Platz für jemanden, der einen eigenen Hausstand mitbrachte. Jack hatte nie längere Zeit alleine gelebt, was sich in seiner Unselbständigkeit jeglicher Hausarbeit gegenüber widerspiegelte. Praktisch gedacht, musste er eine Mitbewohnerin suchen, denn er dachte nicht daran, sich in Zukunft mit putzen, Wäsche waschen, bügeln, kochen und solchen Dingen zu befassen. Er wusste auch schon, wen er gerne als Mitbewohnerin hätte.
Sie war jung und hübsch, sehr häuslich und unkompliziert, warmherzig und hatte bisher immer ein offenes Ohr für ihn gehabt. Sie war auch keine Lehrerin und bestimmt nicht durch Homonschwankungen und Schwangerschaft zickig und bisweilen unausstehlich. In ihrer Gegenwart hatte er sich immer wohl gefühlt und er mochte sie sehr und sie ihn. Bei ihrem letzten Gespräch hatte sie angedeutet, dass sie sich eine andere Wohnung suchen wollte, denn da sie nach Feierabend gern ihre Ruhe hatte und gerne las, brauchte sie eine ruhige Atmosphäre. Ihre Wohnung war klein, dunkel und sehr hellhörig. Rechts von ihr wohnte eine schwerhörige alte Dame, deren Lautstärke im Fernseher für die gesamte Etage ausreichte. Links von ihr wohnte ein Ehepaar mit drei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren. Auch diese Geräuschkulisse hatte ihr das Wohnen in diesem Haus verleidet. Finanziell war sie einigermaßen abgesichert, sie führte einen kleinen Buchladen, den sie von ihrem Vater übernommen hatte. Sie verdiente keine Reichtümer, kam aber gut über die Runden, so dass sie sich ein Auto leisten konnte. In diesem Buchladen hatte Jack sie damals kennen gelernt, da er oft für Marion Bücher besorgt hatte. Sie waren sich in vielen Gesprächen näher gekommen und hatten hin und wieder etwas gemeinsam unternommen. Die letzte gemeinsame Unternehmung war der Theaterbesuch, danach hatten sie sich noch einmal zufällig getroffen. Jack wusste, was er als nächstes tun würde. Er würde den kleinen Buchladen aufsuchen und Simone besuchen.
Seine nächsten Schritte überlegte sich Jack gründlich. Die Begegnung mit Simone sollte ganz unverfänglich sein, um herauszufinden, ob sie immer noch umziehen wollte. Von Frauen hatte er grundsätzlich erst einmal die Nase voll, seine Intention war keine neue Beziehung, sondern eine praktische Wohngemeinschaft, um sein Überleben in jeder Hinsicht zu sichern. Ob sich jemals daraus mehr entwickeln würde, bliebe abzuwarten. Mit geordneten, wenn auch neuen Lebens- und Wohnverhältnissen konnte er vielleicht auch Hildegunde überzeugen. Die Tatsache, dass sie Oma würde, war ja nicht ihr Lebenstraum gewesen, sondern etwas, das passiert war und mit dem sie sich arrangieren musste. Was auch immer an dieser ominösen Bemerkung mit den 50000 Euro von seinem angeblichen Vater dran war, das Geld, so glaubte Jack, stände ihm mit oder ohne Kind zu. Schließlich war er ohne Vater aufgewachsen und betrachtete dieses Geld als ganz normalen Schadensersatzanspruch.
Mit neuem Optimismus erfüllt war er recht zufrieden mit sich. Nun mussten Taten folgen.
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| 20 - 7. | | von: aloevera
erstellt: 11.06.2006 11:09:21 geändert: 11.06.2006 11:10:09 |
Max und Marion genossen das lange Wochenende und nahmen sich Zeit, sich besser kennen zu lernen. Unter Max´ Fürsorge blühte Marion auf wie eine Pflanze, die zu lange im Schatten vor sich hingekämpft hatte und entfaltete ihre wahre Blütenpracht. Sie war gelöst, heiter und entspannt und konnte wieder herzhaft lachen. Max verwöhnte Marion, so gut er konnte. Es gelang ihm, dass sie die Gedanken an die Zukunft erst einmal völlig vergessen konnte. Zuviel war noch in Bezug auf Jack und die Scheidung zu regeln und dann stellte sich die Frage, wo Max, Marion und das Kind auf Dauer wohnen würden. Aber das alles hatte Zeit. Jetzt waren sie sich erst einmal wichtig. Halbe Tage verbrachten sie im Bett und entdeckten sich körperlich immer wieder neu. Aber sie unternahmen auch viel und stellten überraschend viele gemeinsame Interessen und Vorlieben fest. Auch Max vergaß seine beruflichen Sorgen und die Frage, wann er wieder arbeiten durfte und wo. Er hoffte, dass dieses Problem bald positiv für ihn entschieden würde und dass er an der Pestalozzi Schule bleiben konnte. Jetzt, da sie sich endlich gefunden hatten, wollte er auf keinen Fall an eine andere Schule.
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