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Forum: "Gesamtschulbefürworter"
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| GY-Lehrerin mit GE-Herz ;-) | | von: dojope
erstellt: 05.04.2008 18:17:48 geändert: 05.04.2008 18:19:44 |
Dazu ein längerer Beitrag (sorry) von jemandem, der an beiden Schulformen (GY und GE) mehrere Jahre unterrichtet hat, und zwar an beiden gerne.
Die Größe ist für mich nicht so sehr das Argument. Mein jetziges GY ist mit 5 Zügen sogar noch etwas größer als meine ehemalige GE mit 4 Zügen, in der Nähe gibt es ein 11zügiges GY mit ausgezeichnetem Ruf. Allerdings ist das System "integrierte Gesamtschule" unterrichtsorganisatorisch komplizierter, z.B. wegen der vielen klassenübergreifenden Kurse, das kann einen schon manchmal zum Wahnsinn treiben (z.B. wenn man versucht, außerunterrichtliche Veranstaltungen zu planen oder einfach nur einer Klasse was mitteilen möchte).
Die Leistungsvergleiche hinken meines Erachtens alle ein bisschen. Da die meisten real existierenden Gesamtschulen in NRW hauptsächlich Schüler mit Real- und Hauptschulempfehlung haben, müsste man sie streng genommen auch mit dieser Schülergruppe vergleichen, und dann schneiden sie gar nicht so schlecht ab. Natürlich schneiden die Gymnasien besser ab, aber da sind ja auch andere Schüler, die mehr Unterstützung von zu Hause und weniger andere Probleme mit in die Schule bringen.
Das Niveau meines Unterrichts ist jetzt am GY schon gestiegen - allerdings hauptsächlich in der SI, in der S II merke ich davon weniger, was den Gesamtschülern da evtl. an Kenntnissen aus der SI fehlt, machen sie dadurch wett, dass es für sie nicht so selbstverständlich ist, die Oberstufe zu besuchen und Abitur zu machen wie für die Gymnasiasten, die da manchmal ein bisschen arrogant wirken. Allerdings gibt es am GY auch in der SII eine Leistungsspitze, die es an der GE einfach nie gab. Wenn ich von der aber absehe, ist der Rest der Schüler (an denen sich dann das Niveau orientiert), vergleichbar. Ich finde übrigens nicht, dass die Klassen am GY "homogener" sind als an der GE, sie sind nur anders heterogen (und eher sogar stärker).
Wenn ich im bestehenden viergliedrigem Schulsystem in NRW die freie Wahl hätte, würde ich, wenn ich ehrlich bin, weiter am GY arbeiten wollen. Es macht mir insgesamt mehr Spaß, weil die Schüler von sich aus interessierter und lernwilliger sind und ich mich weniger mit Problemen und Machtkämpfchen rumschlagen muss, kurzum: Es ist halt aus Sicht des Lehrers einfacher. Am Ende des Schultages habe ich jetzt einfach mehr Kraft für mich selbst übrig als früher. Das liegt natürlich auch daran, dass die eisten GE hier keine wirklichen GE im Sinne des Erfinders sind. ABER: Trotz allem habe ich meine Gesamtschüler heiß und innig geliebt und ich vermisse sie sehr, was daran liegt, dass man gerade durch die intensiver Auseinandersetzung mit den Schülern eine stärkere Bindung aufbaut. Am GY habe ich nicht so das Gefühl, gebraucht zu werden. Ich fühle mich wohl am GY, aber wenn nun alle Schulen plötzlich Gesamtschulen würden, käme ich auch damit klar.
Die Frage nach dem "überlegeneren System" ist m.E. eine rein politische. Die Parteien müssen sich profilieren und die Bildungspolitik ist eine ihrer Bühnen. Für Pisa und Co ist es völlig irrelevant, mit welchem System wir arbeiten. Es kommt drauf an, was man draus macht. Die ständigen Debatten darum finde ich eher kontraproduktiv. Man kann mit allen Schulsystemen gute Ergebnisse erzielen. Man sollte aber darauf achten dass sie nach oben und nach unten hin durchlässig genug sind. Das finde ich bei der Umsetzung des G8 in NRW so schlimm, dass das Gymnasium jetzt so eine Sondetour fährt und Wechsel in der SI jetzt superschwierig sind. In diesem Sinne ist die GE - wenn auch nicht das überlegenere - so doch zumindest das gerechtere System. Das gilt übrigens auch aus Lehrerperspektive (im Sinne einer gleichmäßigeren Verteilung der Arbeitsbelastung, obwohl ich auch überzeugte GE-Kollegen kenne, die NIE an einem GY arbeiten wollen würden). |
| Situation im Saarland | | von: keinelehrerin
erstellt: 05.04.2008 19:36:06 geändert: 05.04.2008 19:36:29 |
Drei unserer vier Kinder besuchen jetzt eine Gesamtschule. (unser Großer war dem Druck des G8 nicht mehr gewachsen)
G8 heißt im Saarland, Abitur auf dem Gym in acht Jahren, beschult wird von der 5. - 12. Klasse.
GeS beginnt bei uns auch in der 5., geht aber bis zum Abitur in der 13.
Unsere Schule ist dreizügig von der 5.-9., dieses Jahr haben wir eine 10., nächstes Jahr gibt es zwei 10er.
Gemeinsam mit zwei anderen GeS bilden wir eine gemeinsame Oberstufe, die in Kooperation mit einem Gymnasium arbeitet.
Unsere Schule hat ca. 450 SchülerInnnen, bisher habe ich nur LehrerInnnen 'gefunden', die auch ziemlich jeden Schüler kannten.
Dadurch dass die Tutoren die Klasse über Jahre hinweg in sog. Jahrgangsteams führen, kennen sie die Kids wirklich gut. Mit den Klassenlehrern kann ich eigentlich jederzeit einen Leistungsstand abfragen, genauso über den momentanen Klassenzustand, wie sich unser Kind jetzt in der Klassengemeinschaft fühlt usw.
Bei unserem Großen auf dem Gym, war das so nie der Fall. (Teilweise wusste der Franz-Lehrer nach einem halben Jahr noch nicht den Namen unseres Kindes, sondern nur seine Nummer im Klassenbuch!)
Das GeS-System verlangt von den LehrerInnen mehr ab, die Kids sind vom erzieherischen Standpunkt her schon eher eine Herausforderung. Vielfach kommen sie aus Elternhäusern, die nicht viel Kontakt mit der Schule halten, die nicht viel nach ihrem Nachwuchs schauen, denen es teilweise wurscht ist, ob und wie Hausaufgaben erledigt werden. Auf dem Gym halten sich diese Kinder maximal ein Jahr, dann werden diese Kinder weitergereicht.
Die GeS-Schüler stellen auch im Bezug auf die Vermittlung des Lernstoffs größere Anforderungen. Die Kinder haben manchmal Probleme mit ihrer Aufmerksamkeit, ihrer Konzentration, ihrem Bewegungsdrang. Demzufolge ist der Unterricht lebendiger.
Differenziert wird ab der 7. Klasse in der 1. Fremdsprache und in Mathe. In der 8. dann in Deutsch. in der 9. wird dann auf die Abschlussprüfung im HSA hingearbeitet. Die E-Kursler bekommen Chemie, Physik differenziert. In der 10. gibt es A-Kurse, die mit Hinblick auf die Oberstufe unterrichtet werden und die E-Kurse, die auf den MBA vorbereitet werden.
Mir als Mutter kommt die GeS menschennäher und umgänglicher vor.
Zu der politischen Schiene:
Die GeS ist ein Ziehkind der SPD, die CDU war dagegen. Dann kam es zum Machtwechsel, seither sind die GeSen ein Stiefkind. Die Einheitsschule ist jetzt das neue "Wir-müssen-etwas-ändern" der SPD. Die CDU will am dreigliedrigen System festhalten, die GEW ist für eine Zusammenlegung der GeS und der ERS.
Die GeSen im Land sind die wachsende Schulform im Saarland, die Gym haben dieses Jahr noch die meisten Anmeldungen. Wird sich aber im Laufe der Zeit ändern.
Die Zwischeneinsteiger in der 7., 8. und 9. von den Gymnasien (zwei in den umliegenden Gemeinden) füllen unsere E-Kurse auf.
Seit diesem Jahr gibt es eine Schülerbegrenzung in den Eingangsklassen auf 29 Schüler, für alle Schulformen.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu ausführlich und verworren. |
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