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Forum: "Adventskalender 2008"
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| Türchen Nummer 21 | | von: aloevera
erstellt: 21.12.2008 00:24:24 geändert: 21.12.2008 00:25:25 |
Wie durch ein Wunder kam Kathi noch in dieser Woche zu einem freien Tag. Ihre Arbeitsstelle lag im Sperrbezirk des Stadtteiles, in dem eine Bombe aus dem zweiten Weltkrieg entschärft werden musste. So etwas passierte häufiger. Welch ein Wunder, dass ihr der Arbeitsplatz samt Mobiliar nicht schon längst um die Ohren geflogen war.
Viele, die dort nur arbeiten, freuten sich. Anders sah es bei denjenigen aus, die im Sperrbezirk lebten und mal wieder der Verwandtschaft auf die Bude rücken mussten. Auch die Schüler und Lehrer der Gesamtschule freuten sich. Lehrer haben immer etwas zu tun und Schüler sind für jede Minute dankbar, die sie nicht in der Schule verbringen müssen, besonders so kurz vor den Ferien, ebenso die Kinder des benachbarten Kindergartens. Im Krankenhaus blieb alles so wie immer, denn wohin sollte ein gesamtes städtisches Krankenhaus evakuiert werden?
Da in dieser Stadt häufig ‚Bombenstimmung’ war, hatte die Stadtverwaltung gewisse „Was-ist-wenn-Pläne“ ausgearbeitet und sah der Situation gelassen entgegen. Practice makes perfect. Bisher waren alle Bombenentschärfungen und Sprengungen gut gegangen, und somit blickte jeder diesem Tag optimistisch entgegen. Besonders diejenigen, die weiter weg wohnten und, so kurz vor Weihnachten, jede freie Minute zusätzlich gut gebrauchen konnten.
Um keine Minute dieses kostbaren Tages zu verplempern, hatte Kathi am Abend davor fein säuberlich ihre Liste geschrieben, um am freien Tag konsequent und zügig Punkt für Punkt abzuarbeiten. Eine zusätzliche Stunde Schlaf war an diesem Tag gestattet und passte perfekt. Fehlanzeige! Unerbittlich schien der Vollmond in der Nacht davor durch ihr Fenster und raubte ihr den Schlaf. Sie wälzte sich hin und her, döste immer mal wieder ein, um kurz darauf nach einem abstrusen Traum wieder aufzuwachen. Schäfchen zählen, warme Milch mit Honig und Autogenes Training beeindruckten den vollen milchigweißen Mond kaum.
Irgendwann verschwand sie im Reich der Träume und hatte die Kraft des Mondes überlistet.
Im Abstand von fünf Minuten klingelte Wecker Nummer eins pünktlich um acht Uhr in der Früh, aber die Nachrichten aus aller Welt erreichten sie noch nicht. Als Wecker Nummer zwei sein kratziges ‚Good Morning’ krähte, sauste ihre Hand zum Nachttisch und schlug erbarmungslos auf die Schlummertaste. Wecker Nummer drei war ihr Handy. Schlaftrunken fingerte Kathi nach dem Handy, erfühlte die Annahmetaste und meldete sich mit einem langgezogenen ‚Haalooo’. Da niemand antwortete, schob sie das Telefon sorgfältig unter ihr Kopfkissen, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.
Ein ungehaltenes Klingeln an der Wohnungstür weckte ihre Lebensgeister. Sie saß aufrecht im Bett, starrte ungläubig auf beide Wecker, deren Zeiger unerbittlich neun Uhr dreißig anzeigten und sprang aus dem Bett. Das musste der Kundendienst für ihre defekte Spülmaschine sein! Sie konnte von Glück reden, dass sie diesen Termin für heute noch bekommen hatte. Kaum vorstellbar, die fettigen Teller mit Weihnachtsgansresten, Rot- und Grünkohlrändern am ersten Weihnachtsfeiertag alle mit der Hand zu spülen.
„Ich komme“, schrie Kathi aus Leibeskräften durch die Wohnung, schlüpfte in ihre Hausschuhe, riss den Morgenmantel vom Haken und stürmte in den Flur. Den Abstand zum Freßnapf der Katze falsch eingeschätzt, flog dieser durch den Flur und kippte das Schälchen mit der Milch gleich mit um. Katzenfutter und Milch ergossen sich auf der hellen Brücke mitten im Flur und verschmolzen symbiotisch zu einem undefinierbaren Brei.
Der gute Mann vom Kundendienst hatte sich schon wieder die Treppe hinunter begeben, als sie die Macht der drei Türschlösser überwältigt hatte und ihn entschuldigend bat zurückzukommen.
„Ich habe meine Zeit nicht geklaut, junge Frau, Zeit ist Geld“, brubbelte er anstelle eines Guten-Morgen-Grußes, trat in die Wohnung, umging das klebrige Etwas auf dem Flurteppich und marschierte zielstrebig in die Küche.
Bei einer frischen Tasse Kaffee taute er ein wenig auf und binnen einer halben Stunde schnurrte der Geschirrspüler wieder wie neu und nicht mehr wie ein verrosteter Auspuff.
‚Ausschlafen’ und ‚Geschirrspüler’ konnte sie auf ihrem Zettel abhaken. Der Blick auf die Küchenuhr kündigte den nächsten Termin an. In einer Stunde musste sie beim Friseur sein. Auf dem Weg dahin wollte sie sich ein Rezept beim Arzt abholen und ein Weihnachtspäckchen bei der Post abgeben. Nun war genauestes Timing angesagt.
Entrüstet schaute die Katze in ihren leeren Freßnapf und auf den Teppich und blickte Kathi aus großen fragenden Augen an. ‚Soll ich etwa den Matsch auf dem Teppich zusammenkratzen?’, schien sie zu fragen. Ihr Frauchen reagierte nicht und die Katze verschwand beleidigt in Kathis Bett.
Die Weihnachtslieder im Radio ermunterten Kathi mitzusingen und so schaffte sie es in Windeseile, zu duschen, zwischen Frühstück, Anziehen und Schminken das Päckchen für ihre Schwester zu packen und den Fleck aus dem Teppich zu reiben.
Die Katze registrierte verwundert, dass Kathi einfach ging, ohne sich von ihr zu verabschieden, geschweige, ihr etwas zum Fressen hinzustellen. Woher sollte sie auch wissen, dass selbst die Mäuse im Kühlschrank nichts mehr finden würden?
Als Kathi in den Fahrradkeller kam, glaubte sie ihren Augen nicht zu trauen. Beide Reifen – platt wie eine Flunder. Sie hatte keine Zeit zu prüfen, ob ihr ein Scherzbold nur die Luft herausgelassen oder gleich die Reifen zerstochen hatte. Prima! Das Auto seit gestern Abend zur Inspektion in der Werkstatt und das Fahrrad nicht zu gebrauchen. „Wenn ich dich erwische...“, fluchte sie ins Leere, denn außer dem Rascheln einer Maus, die offenbar den Fluchtweg antrat, war nichts im Keller zu hören und zu sehen.
Kathi blieb nichts anderes übrig, als ihre Wege zu Fuß zu erledigen. Sie ging so schnell, dass sie nach kurzer Zeit mit einem heftigen Stechen in der Seite anhalten und verschnaufen musste. Atemlos erreichte sie die Praxis ihrer Gynäkologin. Das Rezept für die Pille hatte sie telefonisch vorbestellt. „WEGEN KRANKHEIT HEUTE GESCHLOSSEN“.
Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Sie hatte nur noch zwei Tabletten und ihr Lebensgefährte kam am Wochenende aus London zurück. Wenn gar nichts anderes ging, mussten halt Kondome her, die konnte sie überall kaufen.
Die Post lag genau in der entgegengesetzten Richtung. Sie hatte noch geschlagene zehn Minuten Zeit bis zu ihrem Friseurtermin. Also weiter, keine Zeit verlieren.
Von weitem erblickte sie die Schlange vor dem Postamt und hatte schon die Befürchtung, die Post habe auch wegen Krankheit, Trauerfall oder Überfall geschlossen. Die Menschen, die sie sah, waren das Ende einer Schlange, die genau wie sie ein Weihnachtspäckchen aufgeben wollten. Ohne weiter darüber nachzudenken oder sich zu ärgern, schritt sie zielstrebig dem Friseur entgegen.
Sie freute sich auf Jochen, mit dem sich immer nett beim Haareschneiden, Wimpernfärben und Brauenzupfen klönen ließ. Er wußte immer genau, was so gerade im Kiez passierte und gab sein Wissen gern weiter. Stockschwul wie er war, unterstrichen seine Mimik und Gestik alle News, die Kathi mit Interesse aufnahm. Sie betrat den Laden, blickte sich suchend um, konnte Jochen aber nirgends entdecken.
„Hallo Kathi, du musst heute mit mir vorlieb nehmen, Jochen ist krank“ Alex schaute sie freundlich lächelnd an und nahm ihr die Jacke ab. ‚Auch das noch’, seufzte Kathi innerlich.
Alex beherrschte sein Handwerk, aber man musste höllisch aufpassen, dass er einen nicht nach seinen Wünschen stylte und dabei völlig verunstaltete. Und er war ein mundfauler Muffel. Kathi überlegte. In wenigen Tagen war Weihnachten, sie hatte keine andere Wahl, als sich in Alex’ Hände zu begeben. Dementsprechend betonte sie ihre Wünsche, Wimpern blauschwarz, Augenbrauen nicht zu schmal zupfen und die Haare durchstufen, aber in der Länge nur die Spitzen schneiden.
Sie erfuhr nichts Neues, keine Skandale, wer mit wem und warum, keinen Klatsch und Tratsch. Alex blieb stumm wie ein Fisch. Nach ein paar belanglosen Floskeln hatte sich die Konversation zwischen Kathi und ihm erledigt, und sie hatte Zeit zu überlegen, was sie noch erledigen wollte. Arzt blieb auf der Liste, mit dem Vermerk ‚wichtig, aber später’.
Wenn sie ihr Päckchen bei der Post losgeworden war, konnte sie in Ruhe einkaufen und sich auf das Wochenende mit Thomas freuen. Wenn sie Glück hatte, konnte sie noch die Fenster putzen und heute Abend würde sie es sich mit einem guten Glas Wein und einem spannenden Buch gemütlich machen.
Dummerweise hatte sich Kathi vor dem Haareschneiden bereits die Kontaktlinsen herausgenommen, denn nach dem Schnitt erfolgte das Zupfen und dann das Wimpernfärben. Da sie ohne Sehhilfe blind wie ein Maulwurf war, konnte sie nur schemenhaft verfolgen, wieviel Alex von ihrer Haarpracht abschnitt. Gefühlt schien das mehr zu sein, als sie ihm erlaubt hatte. Das Zupfen ihrer Brauen empfand sie wie eine Körperverletzung, er hatte als Heteromann offenbar kein Gefühl dafür. Erbarmungslos rannen ihr die Tränen über die Wangen und gelegentlich entwich ihr ein verzweifeltes ‚Au’. Nun war sie ihm hilflos ausgeliefert. Er deckte Ober- und Unterlieder ab, kleisterte ihr die Wimpern mit Farbe voll, und sie musste die Augen zehn Minuten brav schließen und warten. Bevor der letzte Teil begann, erinnerte sie Alex daran, dass er die Haare nur trocken föhnen sollte, vorher ein wenig Schaumfestiger und nachher ein wenig Gel. Sie haßte es, aufgebauscht und vollkommen verfremdet vor ihrem eigenen Spiegelbild zu erschrecken. Langsam hatte sie Hummeln im Hintern, so lange still zu sitzen war nicht ihr Ding. Kaum hatte Alex den Föhn ausgeschaltet, kramte sie nach ihrer Brille und hob ihr Gesicht erwartungsvoll zum Spiegel. „Toll“, entfuhr es ihr. Innerlich schimpfte sie wie ein Rohrspatz und fluchte, ob dieser Kerl nicht besser zum Ohrenarzt gehörte. Sie sah genauso aus, wie sie nicht aussehen wollte, aufgeplustert wie eine Henne. Sie zahlte, verkniff sich jegliches Trinkgeld und rauschte mit einem flüchtigen: „Frohe Weihnachten“ davon.
Die Schlange an der Post war geringfügig kleiner geworden. Während sie sonst nichts lieber tat, als Leute zu beobachten, fixierte sie die beiden Postangestellten und schaute sie penetrant an. Als ob die deshalb ihr Arbeitstempo erhöhen würden. „So wie die arbeiten, möchte ich Urlaub machen“, ertönte eine verärgerte Stimme hinter ihr. ‚Recht hat er’, dachte Kathi, drehte sich kurz um und nickte dem graumelierten Herrn hinter ihr mit einem konspirativen Lächeln zu. ‚Rentner, typisch, du kannst dich auch früh morgens hier anstellen!’
Ihr Magen knurrte. Außer einem Kaffee und einem alten Stück Zwieback hatte sie heute noch nichts zu sich genommen. Die abgestandene Luft im Postamt gab ihr den Rest.
Endlich hatte sie es geschafft, eilte nach draußen und holte tief Luft. Sie hatte das unbändige Verlangen nach einer Pizza und einem Glas Rotwein. Danach konnte sie mit dem Taxi zur Werkstatt fahren, von der Werkstatt zum Supermarkt und dann nach Hause. Voller Elan würde sie sich dann auf das Putzen ihrer Fenster stürzen.
‚Pizzeria’ stand zwar nicht auf ihrer Liste, wurde aber zwischen Friseur und Werkstatt eingeschoben. Diese kurzfristige Idee war genial, denn ohne die beruhigende Wirkung des Weines und des Amaretto auf Kosten des Hauses hätte sie sich in der Werkstatt sicher aufgeregt und sich maßlos abgezockt gefühlt, als sie mit der Rechnung bedrückt zur Kasse schlich.
Sie hasste es einkaufen zu gehen. Das war eigentlich Thomas’ Aufgabe. Aus sämtlichen Lautsprechern dudelte Weihnachtsmusik. Hatte sie am Morgen noch freudig mitgesungen, ging ihr das jetzt mächtig auf die Nerven. Zwischendrin erklangen die Ansagen über dieses und jenes, was zum Fest besonders günstig war und den Kunden ans Herz gelegt wurde. Kathi arbeitete einen weiteren Zettel ab, auf dem oben deutlich UNBEDINGT EINKAUFEN stand. Unfassbar, was hier los war. Die Leute kauften ein, als würde in den nächsten Tagen eine Hungersnot über sie hereinbrechen.
Die Wirkung des Weines ließ nach, Kathis Verstand wurde wieder klarer und ihre Wahrnehmung deutlich und präzise. Prüfend verglich sie noch einmal Einkaufszettel mit Einkaufswageninhalt, stellte sich in eine Schlange, die an allen zehn Kassen gleich lang waren und starrte voller Sehnsucht zum Ausgang. Sie griff sich ans Ohr. Hatte der Tinnitus sie wieder eingeholt? Sie konzentrierte sich auf die verschienen Plings und Plongs um sich herum. Es waren die Geräusche der eingescannten Waren, nicht ihr Tinnitus, Gott sei Dank.
Mitleidig betrachtete sie die armen Wesen an der Kasse, die dieser Geräuschkulisse Stunden über Stunden ausgesetzt waren und schwor sich, nie wieder über ihren stillen Büroschreibtisch zu schimpfen.
Als sie ihr Auto nach ewigem Kreisen um den Häuserblock in eine winzige Parklücke quetschte, aus der sie nur wieder herauskäme, wenn vor und hinter ihr ein Smart parken würde, stürmte sie, bewaffnet mit Einkaufstüten und Taschen hoch zu ihrer Wohnung.
Kathis Katze machte keinen Hehl aus ihrer Verärgerung und setzte sich beleidigt und demonstrativ wartend vor ihren Freßnapf.
„Nicht böse sein, ich habe dich nicht vergessen“, redete Kathi ihrer Katze gut zu, fingerte das Katzenfutter aus der tiefsten Ecke des Einkaufsbeutels und stellte erst einmal die Katze zufrieden.
Obwohl es erst fünfzehn Uhr war, dämmerte es. Die Ware musste warten oder Kathi musste ihre Fenster im Dunkeln putzen. Dieses ewig graue Wetter hielt nun schon mehrere Tage an und ging ihr langsam auf die Nerven. Weit und breit war kein Sonnenstrahl in Sicht! Kein Wunder, dass jeder über Müdigkeit und einen seelischen Blues klagte.
Sie bewaffnete sich mit zwei Putzeimern, zwei Lappen, Brennspiritus und einer Leiter, stellte ihre Anlage an, setzte sich ihren Funklautsprecher auf den Kopf und befreite die verschmutzten Scheiben vom spätsommerlichen Fliegendreck. So lange es draußen halbwegs hell war, ging ihr die Arbeit zügig von der Hand. Je dunkler es jedoch wurde, desto flinker wurde sie. Ihre Arme erlahmten, die Halswirbelsäule meldete sich und signalisierte, dass sie nun lange genug überstreckt worden war und eine aufrechte Position bevorzugen würde.
Zufrieden schloss sie das letzte Fenster und balancierte mit beiden Eimern rückwärts die Leiter hinunter, ein gewagtes Unterfangen! Die Leiter begann zu wackeln, der erste Eimer rutschte Kathi aus der Hand und mit dem zweiten Eimer fiel sie der Länge nach auf den Boden. Die Leiter hatte sich gegen den Küchenschrank gelehnt und rutschte knirschend über die Küchenfliesen, bis sie reglos am Boden lag. Kathi lag daneben, um sich herum eine braune Brühe, die den gesamten Küchenfußboden bedeckte.
„Die meisten Unfälle passieren im Haushalt“, hörte sie innerlich die Stimme ihrer Mutter.
„Schöne Scheiße“, fluchte Kathi und versuchte, sich aus der Pfütze um sich herum zu befreien. Nun konnte sie auch noch die Küche wischen!
Das Aufrichten war ein Kraftakt, denn sie spürte einen stechenden Schmerz im linken Knöchel. Sie hoffte inständig, sich nichts gebrochen zu haben. Im Vierfüßlerstand gelang es ihr, von der Küche ins Badezimmer zu krabbeln, sich an der Duschkabine hochzuziehen und von dort auf einem Bein humpelnd, den Klodeckel zu erreichen. Der Fuß schwoll in Sekundenschnelle bedrohlich an.
Sie wusste, dass sie ihre Hausapotheke ewig nicht auf den neuesten Stand gebracht hatte, aber ein Rest Mobilat und eine elastische Binde konnte sie noch finden. Sie schaute nicht auf die Uhr, aber nach einer Ewigkeit hatte sie es geschafft, im Vierfüßlerstand die Küche trocken zu legen, ständig in der Angst, die alte Dame unter ihr käme, um sich über Wasserflecken an ihrer Küchendecke zu beklagen. Aber es blieb still an ihrer Wohnungstür.
Mit letzter Kraft packte sie ihre Einkäufe in den Kühlschrank, griff nach allen verfügbaren Kühlkissen und Eiswürfeln und packte sich aufs Sofa.
Als sie die Regionalnachrichten im Fernsehen anschaltete, hörte sie nur noch, dass die Bombenentschärfung geglückt war, alle evakuierten Menschen wieder wohlbehalten in ihren Wohnungen waren und am nächsten Tag überall die Arbeit wieder aufgenommen werden könne.
„Morgen ist ein neuer Tag. Alles wird gut“, schoss es ihr durch den Kopf, bevor der Schlaf sie tief und traumlos umfing.
copyright: aloevera |
| Advent | | von: rfalio
erstellt: 21.12.2008 22:47:29 |
Ankunft
Wenn man das deutsche Wort bei Google eingibt, schwirren einem 7 Millionen Seiten entgegen. Und, o Wunder, unter den ersten 50 Treffern beziehen sich sogar 5 auf den Advent.
Ansonsten geht es um Flugpläne, Züge, Fußballstars, Studenten, Politiker.
Ein paar Gedankensplitter:
Adeste fideles
Seid dabei, ihr Treuen.
Seid dabei im Trubel,
in der Hektik,
im Getriebensein,
im Kaufrausch,
im Eilen von Feier zu Feier,
in der Organisation der letzten Tage.
Transeamus
Laßt uns hinübergehen.
Seid dabei,
bescheiden, demütig
macht euch frei,
gebt Ruhe.
Geht euren Weg,
nicht den ausgetretenen,
sondern den eigenen, besonderen.
Kommt an,
bei euch,
in eurer Mitte.
Und ihr werdet finden:
Ihn
und damit euch.
Et in terra pax Hominibus
Und Friede auf Erden den Menschen
Bonae voluntatis
die guten Willens sind,
die den Frieden suchen
und hoffentlich auch finden.
rfalio |
| Das 23. Türchen klemmt ein wenig... | | von: klamotte
erstellt: 23.12.2008 06:10:17 geändert: 23.12.2008 06:12:10 |
Überraschung am 23.Dezember
Zwei Jahre waren wir zusammen - und naja, es hatte sich totgelaufen, irgendwie, ich spürte es genau. Das ist eine Frage der Zeit, sagte ich mir, fand einfach nicht den Mut, mit ihr Schluss zu machen, denn so ein ganz kleines bisschen schön war es immer noch.
Aber dann war sie auf einmal so verändert, suchte meine Nähe, ich ging auf Abstand. Wir stritten häufig und ich nahm mir fest vor: Vor Weihnachten bringe ich es noch über die Bühne. Ich fand es nicht gemein, sondern ehrlich.
Mit all meiner Aufrichtigkeit und dem festen Entschluss, unsere Beziehung zu beenden, stand ich am 23. Dezember also vor ihr. “Ich muss dir etwas sagen…”, so begann ich das Gespräch. Sie strahlte mich an, fiel mir um den Hals und flüsterte: “Ja, ich dir auch - das nächste Weihnachtsfest werden wir zu dritt feiern. Eigentlich wollte ich dir morgen erst davon erzählen, aber ich habe es vor Freude nicht mehr ausgehalten.”
Ich hielt sie fest an mich gedrückt, es war gut, dass sie meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Endlich löste sich meine Sprachlosigkeit auf. “Das ist großartig”, stammelte ich und begann fast mechanisch ihren Rücken zu streicheln, “einfach großartig.” Sie weinte ein wenig, immer noch ihren Kopf an meine Schulter gelehnt. Ich spürte ihren Atem an meinem Hals, spürte ihre Wärme, ihre Verletzlichkeit, den Schutz, den sie nun brauchte.
“Freust du dich?”, fragte sie leise und ich log das Blaue vom Himmel herunter oder in diesem Fall das Lametta vom Weihnachtsbaum. “Na, da haben wir es ja mit einer richtig gelungenen Weihnachtsüberraschung zu tun…” Dabei versuchte ich meine Stimme sanft, zuversichtlich und überzeugend klingen zu lassen.
“Und, was wolltest du mir sagen?”, sie löste sich ein wenig aus der Umarmung und sah mich erwartungsvoll an.
Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, fühlte mich überrumpelt, hintergangen, mies, feige, ach, alles auf einmal, man kann das gar nicht beschreiben. Ein sekundenlanger Kampf in mir, irgendetwas Plausibles wollte sie jetzt hören. Jetzt. Sofort. Und ich verlogenes Dreckschwein höre mich sprechen: “Nun, ich wollte dir sagen, dass wir uns morgen verloben, wenn du nichts anderes vorhast.”
Copyright by klamotte 2008 |
| Das 24.Türchen (Heiligabend) | | von: ysnp
erstellt: 24.12.2008 09:08:56 geändert: 24.12.2008 13:49:57 |
Hallo ihr 4tealer!
Heit hert ihr mol was uff (nord)badisch.
I will eich väzeele, was so voa üwa väzich Jὀ bei mia in de Kindheit en Weihnachde los war:
Wissd a, mei Oba war ä richtigs Chrischkindl, er hat nämlich em vieräzwanzigschde Geburtsdag ghabt un da war dahὀm ä helle Uffregung:
Für des Feschd beim Oba hen die Fraue imma Kuche gebacke. Mei Mudda hat zwai Schwarzwälder bagge misse, weil se die ὀgeblich em beschde higebrocht hat. Mir Kinna sin ihr dann liewa aus’m Weg gange, weil se Ὀngschd ghabt hat, dass die Sach vergroot und mia wollde ja ned Schuld sei.
Als ma dann im Nachbardorf beim Oba ware, ware do alle meine Un-gls un Tandene un mei Kusengs. I war s’ὀinzigschd Mädl. Mit de Kusengs hemma dann meischdens Brett oda Kaadesspiele gspielt wie zum Beispiel Mühle, Dame, Halma, Mensch ärgere dich nicht, Mau Mau, Fang den Hut und späda dann 66 odda Scotland Yard.
Die erwachsene Männer hen meischdens a gekaadlt; am beliebdeschde war des Cegospiel. Do druff ware Zahle und Figure - soweid i mi erinne kὀnn - un ὀin Un-gl oda mein Vadda hat dann nach äre Weile ä Kard hiegschmisse un laud gebrilld: „Cego!“
Irgendwann, nach em Spiele und Kaffedrin-ge kam dann bei de Oma (als se noch glebt hat) und beim Oba s‘Chrischkind; allerdings kann i mi do wenniger an die Gschen-ge erinnere. Mich hen imma die blecherne Engel, die Flöde gspielt hen, üwam Gribbele fasziniert.
Wo’s dun-gl wὀre isch, sinn mia Kinna immer nerveser wὀre. Nämlich zu uns dahὀm solld ja a des Chrischkindl kumme. Irgendwann hen endlich unsere Eldarn ä Eisehe ghabt und sin mit uns hὀmgfahre. Mei Mudda hat meischdens gsagt: „Gugg ämol zum Fenschda naus, vielleicht siehschs Chrischkind do owe fliege“ und so haw i ma des a vorgschdellt – en Engl mit Fliegl. I heb immer nausgeguggt un die Sterne ὀgeguggt un mei brieda glawe a.
Meischdens isch mei Vadda noch durch d‘Stadt gfahre, damit ma die Beleichdunge üwaraal bewunnere konnde.
Dahὀm war scho alles hergricht; mir hen nämlich scho a paar Dag nemme ins Wohnzimmer neikenne; vor d’Schiewedir war de Radio gstelld. I heb ma imma voagstelld, des Chrischkind käm jetzt durchs Schlüsselloch und dud die Gschen-ge nei. Mei Mudda had mi a in dem Glawe unnaschdizt, denn manchmol isch wirklich was Silvernes rumgleä. Manchmol hew i ja in de vergangene Dag do drin irgendὀin Graschel ghert.
Irgendwann, als ma dann vom Oba dahὀm ware – viel gesse hem ma nemee, denn unser Bauch war vollgschdopft mit Weihnachtsbreedle un Kuche - war dann d‘Bscherung, wo ma, nachdem s‘Chrischkindl do war, ins Wohnzimmer nei gederft hen. Vorher hemma awa vὀrem Adventskranz noch Lieder gsunge un s‘ isch was vorglese wὀre. Dann isch mei Mudda verschwunne und bletzlich hat ä helles Gleggle geglingelt. Nach äre Weile isch se kumme und hat ganz geheimnisvoll gedu und gsagt: „S’Chrischkindl war do!“
I kennd noch mee värzeele, zum Beispiel wie’s do drin ausgsehe hat, awa des wär ä längere Gschicht, deswege her i jetzt liewa uff. Außerdem isch heit ja widda de Heiligobed – also - lasst eich schee bschere!
Lesehilfen:
Ὀ ὀ = offenes o, ähnlich wie bei „Lord“
- = die Silbe wird getrennt gesprochen, nicht ng zusammen, also wie bei nk, doch statt k wird ein g gesprochen
Fast alle harten Laute werden zu weichen; st wie sch gesprochen.
Allen schöne und entspannte Feiertage! |
| 24. Türchen , die Zweite.... | | von: aloevera
erstellt: 24.12.2008 11:19:06 geändert: 24.12.2008 13:27:26 |
Auf mehrfachen Wunsch als (vorläufigen?) Abschluss unseres diesjährigen Adventkalenders:
Die ultimative 4teachers Weihnachtsgeschichte zum Jahre 95i mit den besten Wünschen für die Weihnachtsfeiertage von aloevera
Der Weihnachtsmann, so erzählt man sich, ist ein ziemlich alter Kerl, der weit gereist ist und daher lupenrein viel gesehen und erlebt hat. Man kann ihn schwerlich treffen, es sei denn, man erwischt ihn mal gerade nicht in Papas Hosen oder Nachbars Schuhen, oder beim essen von spinatundei. Trotzdem kann man, wenn man Glück hat, flink wie ein catwheasel, einen Zipfel dieses Weihnachtsmanngeheimnisses und seiner Erlebnisse lüften.
Der von allen Kindern so geliebte manni hatte sich in einem intensivkurs gerade vom letzten Fest ausgeruht. Er wollte noch etwas erleben. Und so war sein erstes Reiseziel der roedlerhof in veneziaa. Er packte seine klamotten, nahm seine Assistentinnen,frauschnabelund maria77 mit, denn man weiß ja im Alter nie, was einem so zustoßen kann. Und sein Glücksbringer durfte auf keinen Fall fehlen, ein kleiner, leuchtender bernstein.
So begaben sie sich nach Italien. „Viva203“, rief er voll Freude aus, als er italienischen Boden betrat. frauschnabel deutete jedoch auf den herbeigeeilten, fröhlich rufenden „vobiscum“ pastor und erinnerte ihn daran, dass er nicht der Papst sei. Sie wies ihn an, sich wie ein Weihnachtsmann zu benehmen. Der Weihnachtsmann hätte sich fast zum hartpet gemacht und riss sich zusammen.
In veneziaa war es äußerst feul und überall blühten dafylinen. Als er alles erledigt hatte, schwebten ihm noch zwei andere Orte vor: indidi und ein türkischer Basar.
Da er noch ein paar Geschenke vom letzten Jahr hatte, erschien ihm der türkische Basar ein lohnendes Ziel. Hier war es noch heißer und lunatic, aber der Wind pfiff rhauda. Die Geschenke konnte er auf dem Basar sicherlich rasch versilbern. Sie fuhren in das bekannte Handelszentrum bger. Ui, da war was los!! Mit tiefer Stimme begrüßte er den Händler kfmaas mit „palim, palim“, wurde im Nu alles los und konnte für seine letzten oblongs und galadriels sogar noch etwas Neues kaufen. Gestärkt mit einer deftigen erbsensuppe mit ishaa von schroeder, zog die Truppe weiter nach emiliach. Dort auf dem gramst konnte sich der Weihnachtsmann gar nicht mehr beherrschen. Er kaufte noch mehr und machte das Geschäft seines Lebens. Das klappte ja besser als bei ebay. Dort kaufte und verkaufte doch jeder franzy! Er schlug sich vor Freude auf die Schulter und bekam vom vielen türkischen Honig fast eine hekare und ihm wurde richtig flabbergasted. sth konnte ihm jetzt helfen, am besten ein klarer mante. Rein und hops!
Die Zeit klexelte schnell dahin. Donnadarma! Es wurde höchste Zeit, mit der tsv1869 nach indidi zu starten. Er zeigte seine greencard und stieg ein. Vor dem Ausstieg betrachtete sich der Weihnachtsmann eingehend im miro 07 und wischte sich einen silberfleck aus dem Gesicht.
Am Flughafen wartete elefant1, der auf den Namen kunoschlonz hörte und eher einer landwutz glich. Damit hatte der Weihnachtsmann aber nicht gerechnet. Wie sollte er darauf kommen? derhut und ein tarnumhang fehlten ihm. Hilfsbereit kamen ein regiolacanus und ein hesse dahergelaufen, hievten den Weihnachtsmann mit starken Armen hoch und riefen dem armen Tier zu „rfalio, rfalio!!“ (was in etwa: los! los! bedeutet).
Der elefant1 trottete los. Unser Weihnachtsmann fühlte sich wie im fairytale1. Um ihn herum sah es aus wie in sahara14. Scharen von schönen Frauen kamen auf ihn zu und stellten sich ehrfurchtsvoll als igellady, flottesmottchen, und klairchen vor. In ihrem Gefolge waren ihre Kinder karina, ines, ysnp, clausine und joqui. Die Kinder hoben dem Weihnachtsmann stolz ihre Tiere entgegen, eine cath1, einen rooster, ein poni und einen ruedi und der Weihnachtsmann streichelte sie alle sanft und liebevoll.
Inzwischen waren sie schon ein paar Wochen unterwegs. Aber ein so bedeutender Weihnachtsvertreter hat natürlich keinen Kalender dabei. Nun, ein kurzer Zwischenstopp in den USA sollte noch drin sein.
Dort übernachteten sie in einem wabami, trafen auf w.winnetou, dessen Fürsprache sie es zu verdanken hatten, dass Häuptling berni sie nicht an den Marterpfahl band.
Nun ging es zurück in heimatliche Gefielde. Der Weihnachtsmann hatte doch eine Menge Zeit vertrödelt und musste sich nun mental auf seinen Job vorbereiten.
Er verstaute die wunderbaren türkischen und indidischen Geschenke auf Rudolfs Schlitten. Und fühlte sich richtig siebengscheit. Er hatte alles wunderbar geschafft, packte seine klamotten wieder aus und nahm ein aloevera-Bad. keinelehrerin massierte ihm dabei sanft die Rückenmuskeln. Er war stolz auf sich und begab sich nach seinem Bad, neu eingekleidet durch die balule-Straße, durchquerte die fossy-Gasse und schlenderte am xiona-Platz gemütlich über den Weihnachtsmarkt.
Allen, denen er begegnete, wünschte er:
Wunderschöne Weihnachten
skole
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| Im Auftrag von landwutz | | von: mordent
erstellt: 24.12.2008 15:19:09 |
Alle Jahre wieder...Weihnachten
Richtig bewusst erinnere ich mich als erstes Weihnachten an den Heiligen Abend 1954 in Lüdenscheid. Ich war gerade 3 Jahre alt. Das „Christkind“ brachte mir die renovierte Puppenstube meiner sieben Jahre älteren Schwester mit neuen Biegepuppen. Kerzen erleuchteten die beiden Zimmer von hinten durch die Fenster. Ein kleiner hölzerner Engel saß auf einem Stern mit nicht brennender Kerze in der Puppenstube. Dies war der Anfang meiner Sammlung aus dem Erzgebirge.
Meine Eltern hatten damals sehr wenig Geld, sie lebten als Flüchtlinge mit meiner Schwester und mir in einer winzigen Wohnung, ohne Bad oder Dusche. Trotz allem, Weihnachten war immer ein ganz besonderes Fest. Unmengen Plätzchen, Streuselkuchen und Mohnkuchen wurden in der Adventszeit gebacken. Im folgenden Jahr muss ich wohl ein besonders braves Kind gewesen sein, denn Weihnachten 1955 wurde ich sehr reichlich beschenkt. Die Puppenstube war von einem kinderlosen Nachbarn aufgestockt und mit elektrischem Licht beleuchtet worden. Außerdem fand ich unter dem Weihnachtsbaum, einer bis an die Zimmerdecke reichenden Fichte, meine Puppe Christine (Rotkäppchen), meine Käthe – Kruse - Puppe Susi (von meiner Tante aus Berlin), eine hölzerne Bottich-Waschmaschine und einen roten Puppenkoffer. Auch meine erste Baby - Puppe war im Gesicht neu angemalt worden. Im Weihnachtspaket meiner Patentante aus Kleinröhrsdorf bei Dresden entdeckte ich neben der schwarzen Puppe Bimbo noch einen Engel auf einem Mond mit Kerze. Irmgard, die Tochter meiner Patentante, nutzte in den folgenden Jahren des „Aufschwungs“ unsere großen Lebensmittelpakete mit Kaffee, Seidenstrümpfen und Schokolade, indem sie in der ehemaligen DDR in bestimmten Läden die Verkäuferinnen mit dieser „Mangelware“ bestach und Klöppeldecken , Nussknacker, Räuchermännchen und Engel aus dem Erzgebirge
bevorzugt für viel Geld kaufen konnte, um uns wiederum beschenken zu
können. Dies haben wir natürlich erst viele Jahre später erfahren. So ist
vieles dreifach im „Westen“ angekommen, bei meiner Mutter, bei meiner Großmutter und bei meiner Tante in Berlin. Jedes Jahr kamen ein Engel, ein Sänger oder ganze Gruppen dazu. Als meine Großmutter 1982 verstarb, schickte mir meine Mutter Omas Sammlung vor dem ersten Advent zusammen mit der obligatorischen Blechkiste, gefüllt mit selbst gebackenen feinsten Weihnachtsplätzchen. „Wenn ich die nicht mehr backe, geht es mir schlecht“, meinte meine Mutter (82) im letzten Jahr, als wir sie vorsichtig an die vielen Kalorien erinnerten. Auch meine Tante aus Berlin trennte sich nach und nach von ihren Engeln und schickte mir viele. Zwei sehr alte Engel schenkte mir meine Schwiegermutter. Diese beiden Exemplare passen zeitlich etwa zu den beiden, die ich auf dem Flohmarkt in Bremen einer älteren Dame abkaufte. Weihnachten 2005 machte mir meine Freundin Cornelia, die ich seit dem Schulanfang1958 kenne, eine riesige Freude. Sie schenkte mir ihre Orgel mit Engel, die sie mit 12 Jahren Weihnachten 1964 selbst geschenkt bekommen hatte. Sie hatte erfahren, dass ich nach dem Besuch des Dresdner Striezelmarktes 2003 zwei Jahre lang über einen Neukauf bzw. über das Ersteigern der blauen Orgel bei Ebay nachdachte, da mir der Engel an der Orgel in Dresden so gut gefallen hatte und er mir in meiner Sammlung noch fehlte. Inzwischen sind in der Sammlung über100 Figuren und Engel, Wolken mit Flügel und 3 Spieldosen. Vor der Sammlung fiel schon einmal die Bemerkung, so viele Engel und Sänger könnten doch nur noch brüllen. Früher habe ich die Kapelle mit meinen beiden inzwischen erwachsenen Söhnen bei Weihnachtsmusik vor dem1. Dezember aufgebaut und ihnen zu jedem Stück von seiner Herkunft erzählt. Viele Erinnerungen werden wach, wenn ich abends die kleinen Schachteln öffne und die Figuren aus dem Seidenpapier wickle. „Dich hatte ich schon ganz vergessen! Schön, dich wiederzusehen!“
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| Das 25. Türchen | | von: klamotte
erstellt: 25.12.2008 19:46:36 |
ZUBLINZELN WERDE ICH DIR
Weihnachten stand vor der Tür und wieder einmal hatte es diese endlosen Diskussionen gegeben…
…Diskussionen über die richtige Auswahl der Plätzchensorten. Je älter Anna wurde - und sie war mittlerweile schon eine 80-jährige Lady -, desto früher fing sie mit den Überlegungen an, an denen sie auch Faustin, ihren Ehemann, teilhaben ließ. Seit ihre Kinder aus dem Haus waren, unterzogen sie sich am ersten Adventswochenende einem Backmarathon, um jedem ihrer Sprösslinge eine Dose selbstgebackener vorweihnachtlicher Fürsorge zukommen zu lassen. Mit der Zeit wurden die Dosen immer größer, denn erst kamen die Schwiegertöchter und -söhne dazu, dann die Enkel. Alle wussten diese liebgewonnene Tradition wirklich zu schätzen, keiner wollte darauf verzichten.
“Ach, Faustin, dieses Jahr fällt es mir besonders schwer, mich zu entscheiden.” Dabei blätterte sie in den unzähligen Zeitschriften, die sie bereits seit Herbstbeginn sammelte und mit Lesezeichen versah. “Du weißt, zwölf Sorten - jedes Jahr - all unsere Familienrezepte - und nur eins wird gegen ein neues ausgetauscht. Was hältst du von Aprikosen-Pinien-Päckchen oder Walnussberge?”
“Ja, ja, ist schon recht”, brummelte Faustin und dachte schon mit Schrecken an die lange Einkaufsliste für all die Zutaten. “Und, was soll ich dir diesmal vorlesen? Hast du einen Wunsch? Vielleicht einen Krimi?”, fragte er. An den zwei heiligen Backtagen wich Faustin nicht von Annas Seite. Er reichte ihr das Mehl an, wenn der Teig zu klebrig war, bestrich fertige Kekse mit Glasur, füllte die Dosen und war zuständig für den Grog, den sie sich zwischendurch gönnten. Während der längeren Zeiträume, in den Anna Kugeln rollte, Kipferl formte oder auf die richtige Temperatur des Wasserbades für die Kuvertüre wartete, las er ihr vor - ruhig und bedächtig mit wohlklingender Stimme.
“Ein Krimi wäre nicht schlecht. Hast du noch einen guten, nicht zu langen?”
“Na, mal sehen, ich habe da schon eine Idee…”, sinnierte er und wurde auf einmal sehr still. “Sag, Anna, was machst du eigentlich, wenn ich mal nicht mehr bin? Ich meine, wer wird dir dann beim Backen vorlesen?”
“Mein guter alter Faustin, was hast du nur für krause Gedanken…Außerdem gibt es Hörbücher!”
“Was?”
“Hörbücher, Faustin, Hörbücher - und dass du mir dann nicht von da oben dazwischenquatschst!”
“Versprechen kann ich dir das nicht, aber aufpassen werde ich auf dich und dir zublinzeln, damit du dich für die richtige Kekssorte entscheidest.”
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| ...das 26. Türchen öffnet sich | | von: klamotte
erstellt: 26.12.2008 09:58:07 |
DER PATCHWORK-OPA
Weihnachten stand vor der Tür und wieder hatte es diese endlosen Diskussionen gegeben…
…Diskussionen darüber, wer wann wo und mit wem die Weihnachtsfeiertage verbringen wollte - könnte - müsste.
Es war wirklich nicht einfach, aber es war ihr so unendlich wichtig, die Weihnachtsfeiertage mit Chris zu verbringen, dessen Töchter bei seiner Exfrau Kathy lebten. Ihr schwirrte der Kopf, wenn sie an all die Möglichkeiten dachte, die sich ergaben:
1. Chris am 24. und 25. mit den Kindern bei Kathy und ihrem neuen Partner.
2. Chris mit den Kindern am 24.bis 18.00 Uhr bei ihnen zu Hause, dann die Mädchen zu Kathy bringen und am Abend des 25. wieder abholen und mittags am 26. wieder zurückbringen.
3. Chris am 24. bei Kathy wie unter 1. - die Kinder morgens am 26. abholen, abends wieder hinbringen.
4. Chris und sie am 24. bei Kathy, 25. und 26. jeder für sich.
5. Kathy mit Kindern und Partner am 24.bei Chris und ihr…
Bei Punkt 4 und 5 konnte sie sich nur eine mittelschwere Katastrophe vorstellen. Sie ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Egal, dieser Frust war es wert, auch für sich allein eine Flasche Prosecco zu öffnen. Mmh, gar nicht mal so schlecht, dieser Problemlösungsbeschleuniger!
Macht doch eure ganzen Absprachen ohne mich! - Den Opa habt ihr alle noch gar nicht mit einbezogen in eure Überlegungen! - Es wird auf irgendeine vermurkste Regelung hinauslaufen, die keiner auch nur annähernd gut findet. - Man kann Kinder nicht so aufteilen und hin- und herschicken… - Am liebsten würde ich mich ausklinken - nur dieses eine Mal - wirklich, nächstes Jahr habe ich dann wieder die Kraft für dieses Hick-Hack.
Die Flasche war halb voll oder halb leer, als Chris nach Hause kam. Sie merkte sofort, dass er nicht gerade gut gelaunt war.
“Was ist los? Gab es Ärger im Geschäft?, begann sie das Gespräch.
“Nein, da ist alles in Ordnung, aber es gibt eine neue Variante zu unseren Weihnachtsüberlegungen - Kathy wird mit den Kindern über die Feiertage verreisen”, antwortete er.
“Ist doch super, dann bahnt sich ja vielleicht eine neue Regelung an, ein Jahr sind die Kinder bei ihr und im nächsten Jahr haben wir sie für uns!”, entfuhr es ihr prosecco-spontan. Als sie sein trauriges Gesicht sah, schob sie schnell hinterher: “Du, dann feiern wir mit den beiden Mädels Silvester - aber so richtig!!!”
“Ja, dann feiern wir mit ihnen Silvester…”, wiederholte er müde. “Und noch eins, den Opa, den müssen wir dann übernehmen, wenn sie verreist sind.”
Jetzt war das Maß aber voll!!!
“Sag mal, habe ich das richtig verstanden? Deine Ex macht sich mit ihrem Lover und den Kindern über Weihnachten ein paar schöne Tage und will uns ihren Vater aufdrücken??? Ich habe keine Lust auf diesen Patchwork-Opa, der jetzt irgendwie übrig ist. Er ist ein fremder Mann für mich, auch wenn er dein Schwiegervater oder besser Ex-Schwiegervater ist! Weißt du was, du kannst Weihnachten mit ihm allein verbringen, ich werde nämlich auch verreisen!”
Chris hatte sich auch ein Glas Prosecco eingeschenkt, hielt es aber die ganze Zeit nur in der Hand, ohne zu trinken. Nachdenklich sah er sie an.
“Du, die Reise ist noch gar nicht gebucht, wenn sie nichts Passendes finden, dann müssen wir sowieso noch mal ganz neu entscheiden…”
Sie fiel ihm einfach ins Wort: “Du, Chris, ich bin raus aus eurer gesamten Weihnachtsnummer - macht, was ihr wollt! Entscheidet, verwerft es, entscheidet neu - ich kann und will nichts mehr damit zu tun haben - bei aller Liebe zu dir und deinen Kindern, es macht mich fertig!”
Sie drehte sich um und verschwand schnell in ihr Arbeitszimmer, so dass sie nicht mehr mitbekam wie Chris verzweifelt flüsterte: “Ja, es macht mich auch total fertig, bei aller Liebe…”
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