Hi Tandil,
ich kann vor allem aus der Perspektive eines Schülers etwas schreiben, denn meine Schulzeit ist nicht ganz so lange her. Dein Problem hat aber ja zwei Dimensionen, sozusagen eine innere und eine äußere. Zunächst etwas zur inneren:
Ich bin katholisch aufgewachsen, war auch auf einem kath. Gym. Während der 10. Klasse trat ich aus der Kirche aus, weil es mir gegen den Strich ging (und geht), dass der Papst in Glaubensfragen unfehlbar sein soll. Es gibt noch mehr Dinge, die mich am Katholizismus stören, aber alleine das Unfehlbarkeitsdogma reichte mir zum Austritt.
Ich nahm dann am ev. Reli-Unterricht teil und trat Jahre später in die ev. Kirche ein. Während meines Studiums hatte ich eine sehr intensive, spirituelle Phase und erlebte schließlich im Halbschlaf eine Audition. Dieses Erlebnis würde ich aber eher als eine Art Traum erklären, nicht als etwas Übernatürliches.
Mein religiöser Durst nahm danach kontinuierlich ab und schließlich trat ich aus der Kirche wieder aus.
Einerseits habe ich kein Bedürfnis mehr, mich einer Religion anzuschließen. Andererseits vermisse ich es aber, mich mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod trösten zu können, denn manchmal bin ich unsagbar traurig, wenn ich daran denke, dass ich irgendwann meine Familie verlieren werde. Sei es, dass meine Frau oder meine Kinder vor mir sterben oder ich zuerst.
Ich bin seit Jahren der Meinung, dass man einfach nichts wissen kann, was Transzendenz angeht. Ich sage weder "ich glaube" noch "ich glaube nicht", sondern "ich weiß es nicht!"
Aus dieser "Sackgasse" komme ich bisher nicht raus. Ist auch nicht weiter schlimm, nur wenn es um das angesprochene Thema "Trost" geht.
Einer meiner Lehrer sagte einmal "Religionen sind die Ölverschmutzungen auf dem Wasser der Spiritualität". Ich denke, da ist was dran.
Ich bin seit langem dafür, Reli in der Schule nicht "bekennend" unterrichtet werden sollte. Dieser Artikel sprach mir aus der Seele:
http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2014-04/ethik-grundschule-religion
Jetzt der Bogen zur Schülerpespektive: Uns hat es als Schüler meistens sehr genervt, wenn wir merkten, dass der Lehrer den Standpunkt einer Kirche oder Religion vertrat. Wir wünschten uns einen "neutralen" Lehrer, der uns durch die Themen führt.
Ich persönlich hätte mir viel mehr Wissen über andere Religionen und den zugehörigen Kulturen gewünscht. Ich habe mich auch immer nach den Verbindungen zwischen Geschichte und Religion gefragt. Da gibt es einiges, was ich mir dann selbst durchgelesen habe. Dass der indische Subkontinent einmal komplett buddhistisch war und dann wieder hinduistisch wurde, ist doch zumindest erstaunlich!
Ich kann mir deinen Frust wirklich gut vorstellen. Unmotivierte Schüler, die nicht einmal mehr diskutieren wollen, sind gerade in Reli ein Graus.
Vielleicht kann man ja einen Reset-Knopf drücken und das Fach für sich neu definieren. Ich würde es im Sinne des verlinkten Artikels tun. Dann könnte selbst ich mir vorstellen, Reli zu unterrichten (auch, wenn ich da nur Quereinsteiger wäre).
Das würde vielleicht auch deine Glaubenskrise umschiffen. Die ist für dich persönlich sicher schon schwer genug, aber wenn sie dich auch noch im Job beeinträchtigt, wird es doppelt schlimm.
Also schauen, wie man die Glaubenskrise vom Job fernhalten kann.
Wenn es Gott gibt, kann ich mir übrigens nicht vorstellen, dass es ihn in irgend einer Weise berühren würde, wenn jemand nicht an ihn glaubt. Dann wäre er kein Gott. Wenn er die Möglichkeit hätte, sich eindeutig zu offenbaren und wen es ihm wichtig wäre, dass möglichst viele Menschen an ihn glauben, würde er das tun. Ansonsten ist es ihm entweder nicht wichtig oder er kann es nicht. Wenn er es nicht kann, ist er mit Sicherheit gleichmütig genug zu akzeptieren, dass nicht alle Menschen an ihn glauben.
Ich habe mich immer gefragt: Wie kann Gott erwarten, dass die ganze Menschheit an ihn glaubt, wenn er sich nur in Israel offenbart hat? Meine verborten Reli-Lehrer gaben darauf dogmatische (also verbohrte) Antworten. Das hat uns Schüler gestört und obwohl wir diskussionsfreudig waren, hat unseren Reli-Lehrern der Unterricht nur wenig Spaß gemacht. Sie konnten uns mit ihren schräg anmutenden Argumenten nicht überzeugen.
Wenn sie die Bibeln mitbrachten, gab es ein lautes Stöhnen in der Klasse. Ich weiß nicht einmal genau, warum. Vielleicht, weil diese alten Texte für Jugendliche langweilig klingen. Wenn ich mir antike Schriften von Philosophen oder römischen Geschichtsschreibern durchlese, finde ich selbst heute noch, dass biblische Texte damit nicht mithalten können. Sie überzeugen mich nicht, weil sie "zu dick auftragen". Die Sprache ist vergleichsweise geschwollen und das war sie vielleicht auch schon in den Ohren einiger Menschen vor Jahrtausenden.
Eine Lehrerin wollte mir sogar den Unterschied zwischen wissen und glauben wegdefinieren. Sie sagte "Glauben heißt wissen, was man nicht sieht".
Wir leben nunmal in Deutschland in einer aufgeklärten Welt, die von Technik und Wissenschaft beherrscht wird. Da geben sich selbst Kinder mit so etwas nicht mehr zufrieden.
Vielleicht wollten viele Jugendliche an einer Realschule auch nicht über "weiche" Themen diskutieren. Vielleicht wären harte Fakten für sie besser greifbar und sogar interessanter?
Das war mal, was mir alles so in den Sinn kam. Ich hoffe, es ist was Brauchbares dabei
Viele Grüße,
judeldu