Ich gehöre zu den Befürwortern ... und finde immer noch einiges richtig, wobei mir die Bedingungen auch nicht gefallen.
K-Schüler hatten und haben wir so gut wie keine, das Gebäude ist nicht rollstuhlgerecht.
L-Schüler hatten wir schon immer in Klasse 1+2, schließlich dauerte es vor der Inklusion 3 Jahre (Klasse 1+2+Wiederholung 2) bis ein gemeldetes Kind auf die FöS wechselte. Dafür bekam man mit etwas Glück 1-2 Stunden eine Sonderpädagogin. Daran hat sich also kaum etwas geändert, denn auch jetzt sind es in meinem BL 2 Stunden pro Woche pro Klasse pauschal - die ebenso unsicher oder unvollständig wie früher im Unterricht ankommen: Schulzeiten passen nicht zueinander, Überprüfungsverfahren müssen in diesen Stunden stattfinden...)
L-Schüler, die vor der Einschulung schon überprüft wurden und in der FöS eingeschult wurden, landen nun auch in der Grundschule. Dadurch sind es auch in Klasse 1+2 mehr Kinder mit zum Teil gavierenderen Problemen. Als unfair empfinde ich, dass die Frühförderung mit dem Eintritt in die Schule gestrichen wird und das Land die Vorgabe hat, dass Kinder, die bereits vor der Schule auffällig waren, nur in Ausnahmefällen überprüft werden sollen. Diese Kinder sollen zunächst mindestens 1 Jahr in den 1. Klassen eine Chance erhalten ... und sollen in dieser Zeit nicht überprüft werden. Man entzieht also Kindern, die vorab komplexe Therapie-Leistungen bekommen haben, durch die Einschulung den Förderstatus.
E-Schüler hatten wir schon immer, es gibt in unserer Region keine allgemeinen Schulen und die einzige Privatschule können die Eltern ablehnen.
Schüler mit Bedarf im Bereich Hören hatten wir sonst auch schon, ein Kind war unproblematisch dank FM-Anlage (Sender-Empfänger), ein Kind nicht und wechselte als L-Kind zur FöS. Heute würde ich manches vermutlich anders machen und weiß auch, dass an unserer Schule weitere Kinder mit diesem Förderbedarf beschult werden, ohne dass sich jemand um eine Überprüfung kümmert, die nämlich viel Arbeit für wenig Erleichterung bietet ... und auch im Prozess stecken bleiben kann.
Wie Janne sage auch ich: die Differenzierung hat bei uns schon immer stattgefunden. Allerdings ist das Ausmaß jetzt um einiges höher und der Unterricht im Gleichschritt ist nicht mehr möglich. Von Nachbarschulen, die offenbar weit weniger i-Kinder beschulen, werden Whiteboards angepriesen, mit denen Arbeitsheft-Seiten gezeigt werden, die dann alle bearbeiten. Bei einem solchen Unterricht könnten in meiner Klasse mindestens 5 Kinder nicht mitarbeiten.
Ich weiß mir zu helfen, habe ein gutes Netzwerk und viel dazu gelernt. In manchen Bereichen kannte ich mich vorab schon gut aus, weil man es im Erstunterricht ohnehin benötigt (LRS, Dyskalkulie), in anderen Bereichen bin ich nun ein gutes Stück weiter (Wahrnehmung, Hören), habe aber auch noch viele offene Fragen, die einem NIEMAND beantwortet und wenn, dann erhält man von 2 Menschen, die man fragt, mindestens 3 verschiedene Antworten, keiner weiß etwas konkret und am Ende bleibt die Verantwortung bei mir. Andere Lehrkräfte legen spätestens an der Stelle die Hände in den Schoß.
Ärgerlich finde ich, dass die KollegInnen allein gelassen werden - die, die nie dafür waren und sich gar nicht kümmern, aber auch die, die dafür waren und nun kaum wissen, wie sie es richten sollen. Man guckt zu, weiß, wie es besser wäre, kann aber an den Bedingungen nichts ändern. Dennoch ist man als Lehrkraft (mal wieder) diejenige, die es richten soll, die es verbessern soll, die sich anstrengen soll, die sich darauf einlassen soll... und vermutlich auch den Schwarzen Peter für das Scheitern zugeschoben bekommen wird.
Außerdem finde ich ärgerlich, dass es erheblichen Druck braucht, um der Öffentlichkeit darzulegen, WAS überhaupt in den Schulen läuft - da wurde viel zu wenig erläutert, worum es bei der Inklusion geht. Die schnelle Umsetzung und die damaligen Berichte haben den Eltern und der Gesellschaft die Bedingungen vorenthalten und immernoch gehen sehr viele Menschen davon aus, dass die inklusive Beschulung bedeutet, dass jedes dieser Kinder den kompletten Schultag eine intensive Betreuung durch eine zusätzliche Fachkraft erhält.
Ich bin mir nicht sicher, ob man das alte System zurückfordern sollte. Auch da gab es viele Verlierer und nicht alles war gut. Mit weniger Ressourcen als zuvor ein System mit Inklusion aufzubauen und weiterzuführen ist aber ebenso falsch.
Es braucht mehr Personal in den Schulen, Lehrkräfte, Sonderpädagogen, aber eben auch Begleiter für die inklusiven Klassen.
Aber es braucht auch innerhalb der Gesellschaft eine andere Entwicklung, da die Kinder, die eingeschult werden, kaum noch Anreize erhalten haben, erheblich jünger sind, auf die Schulsituation wenig vorbereitet. Der Bedarf an Förderung in sehr vielen Bereichen ist so immens (und auch wirklich erschreckend), dass Schule das nicht alleine schaffen können wird.
Bewahrheitet hat sich die Sorge darum, dass die Lehrkraft in der Grundschule jetzt gleichzeitig zu dem Verwaltungsjob auch noch den der Förderschullehrkraft mit übernimmt, die Gutachten zu einem guten Stück weit schreibt und die Förderung fast vollständig allein bewältigen muss, bei gleichem Gehalt und überhaupt keiner Erleichterung oder Anerkennung.