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Forum: "Würdet ihr wieder Lehrer/in werden?"
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| JA | | von: fruusch
erstellt: 14.06.2013 20:04:30 |
Nachdem ich bis vor ein paar Jahren jeden in die geschlossene Anstalt gesteckt hätte, der behauptet hätte, ich würde als Lehrer arbeiten können und auch noch Spaß an der Sache haben, kann ich die Eingangsfrage inzwischen aus vollem Herzen mit JA beantworten.
Als Seiteneinsteiger habe ich die harte Realität der "freien Wirtschaft" da draußen hautnah erlebt. Ich glaube kaum, dass es irgendeinen (unselbstständigen) Beruf gibt, der einem mehr Freiheiten gibt als der Lehrerberuf. Und wenn man nicht gerade einen Heiligen als Chef hat, wird man auch in anderen Berufen kaum mehr Anerkennung finden als ich das als Lehrer erfahre. Es kommt halt immer darauf an, was ich als Anerkennung zähle. Muss es lautstarkes, öffentliches Lob sein? Für mich nicht, mir geht das Herz schon auf, wenn ein 6.-Klässler, der bei mir stes 4er kassiert, mir erzählt, dass Mathe ihm Spaß macht. Es sind solche kleinen Dinge, die für mich den Lehrerberuf zum schönsten Beruf der Welt machen. Nervige Eltern, haufenweise Bürokratie und pubertierende 8.-Klässler hin oder her. |
| Vorneweg | | von: caldeirao
erstellt: 14.06.2013 20:38:38 geändert: 14.06.2013 20:44:28 |
ich bin gern Lehrerin und mir macht die Arbeit auch noch Spaß.
Aber hbeilmann über Deinen letzten Beitrag war ich etwas überrascht, obwohl ich Deine Beiträge i.A. sehr schätze.
Freiheit ist ja immer ein sehr relativer Begriff unter denen jeder etwas anderes versteht. Nach meiner Auffassung kann ich Dir diesbezüglich nur widersprechen. Mein Mann, Nichtlehrer und auch nicht selbstständig, hat wesentlich mehr Freiheiten als ich auf seiner Arbeit. Er reißt seine 40 Stunden runter, kann kommen und gehen wann er will, Stress ist dort auch klein geschrieben und das ist es ja was viele LuL kaputt macht. Die psychische Belastung ist im Lehrerberuf enorm hoch- ist auch nachgewiesen und wer diesbezüglich nicht Topfitt ist bekommt mit den Jahren seine Problemchen.
Ich will damit nicht die Belastungen der freien Wirtschaft herunter reden. Die gibt es in jedem Job, wir wissen auch, dass diese Belastungen ständig steigen und ich habe auch die Achtung vor vielen anderen Berufen, vor allem wenn sie schlecht bezahlt werden, aber was die Arbeitsbedingungen betrifft, ist der Lehrerberuf aus meiner Sicht kein Traumjob, sondern sie sind oft anders gelagert.
Es gibt natürlich auch genug LuL die nur jammern, wie schlecht es ihnen geht. Na ja, das ist für mich auch gewöhnungsbedürftig und da sage ich auch schon mal, schau mal in die freie Wirtschaft. |
| Freiheit | | von: fruusch
erstellt: 14.06.2013 20:58:48 |
Warum sollten wir wenig Freiheiten haben?
Klar, im Lehrplan steht festgeschrieben, WAS wir unseren Schülern beibringen sollen. Aber selbst dort gibt es (zumindest bei uns in RLP) schon einige Freiheiten und Wahlmöglichkeiten. Der Physik-Lehrplan in der Oberstufe (Leistungskurs) sieht zB 18 Pflichtbausteine vor und dazu 35 Wahlpflichtbausteine, von denen ich beliebig 14 auswählen kann, je nach Zielsetzung, die ich mit meinem Unterricht verfolgen will.
WIE ich die Themen aber meinen Schülern näher bringe, kann ich nahezu vollständig selbst entscheiden. Ich kann selber festlegen, wie ich meinen Unterricht organisiere. Ich kann selber festlegen, wann ich bestimmte Arbeiten erledige (Vorbereitung, Nachbereitung, Korrekturen, bürokratischen Unsinn...). Wenn ich mich also an gewisse Rahmenbedingungen halte (Lehrplan, Notengebung, Schulgesetz...), kann ich frei schalten und walten, wie ich will.
In der "freien" Wirtschaft sieht das ganz anders aus. Ich bin dort nicht am Fließband gestanden, sondern war als Projektmanager für internationale medizinische Studien verantwortlich - also schon in einer eigentlich recht komfortablen Position. Doch wie sieht es da aus? Die Geschäftsleitung schreibt willkürlich irgendwelche zu erreichenden Erfolgszahlen vor. Marketing und Vertrieb schreiben das Ergebnis der Studien vor - wenn die Daten das nicht hergeben, muss man halt ein bisschen mit ihnen "arbeiten". Überstunden werden selbstverständlich verlangt und nicht bezahlt. Anerkennung für ein erfolgreich abgeschlossenes Projekt gibt es - wenn überhaupt - nur im kleinen Kollegenkreis. Wenn alles perfekt läuft, gibts das volle Gehalt, ansonsten Abzüge. Wenn man versucht sich zu wehren, kommt das Argument, die Abteilung könne ja auch nach Indien ausgelagert werden. Ähnliches höre ich von Freunden und Bekannten auch aus anderen Branchen, in Großkonzernen und Kleinstbetrieben.
Insofern komme ich mir als Lehrer wirklich fast wie ein Freiberufler vor. |
| Immer noch ja! | | von: schulmamsell
erstellt: 19.06.2013 18:56:29 |
Selbst in Zeiten, in denen ich als Lehrerin an der WRS nicht weiß, wo ich nächstes Jahr unterrichten werde und in der wir jeden Tag um unsere Daseinsberechtigung kämpfen müssen, liebe ich meinen Job. Warum? Weil ich diese ganzen nervigen pubertierenden halbstarken Sturköppe meiner Klasse, die grundsätzlich erstmal gegen alles sind und die launenmäßig die unglaublichsten Stinkbomben absondern, die mich in den Wahnsinn treiben, weil sie Mathe auch nach der 487. Wiederholung noch nicht kapieren und für die ich erstmal einen Thai-Kurs belegen müsste, um ihr Englisch zu verstehen, die ihr Handy und ihre neuen Keilabsatz-Sandaletten für eindeutig interessanter halten als meinen superausgefeilten Unterrichtseinstieg zum Thema Judenverfolgung im Dritten Reich, die mir Falten und graue Haare und manchmal auch Tränen bescheren, nicht EINEN Tag missen möchte! |
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