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Forum: "freiarbeit - freiphase - werkstatt- offen-..."
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| Beispiele: | | von: kfmaas
erstellt: 19.10.2005 22:01:20 |
Heute nachmittag konnte ich dir leider nicht antworten, weil ich unfreiwillig an einer Konferenz teilnehmen musste, in der diktatorisch festgelegt wurde, dass alle Raucher in ein besonderes Strafregister einzutragen sind und ich laut Konferenzbeschluss gezwungen bin die gleiche Vergleichsarbeit wie meine Kollegen zu schreiben, obwohl mein Unterricht von dem meiner Kollegen "geringfügig" abweicht.
Stelle dir also vor, rolf, ich hätte als Schüler oder auch später als Bundeswehrsoldat oder als Student und Lehrer nicht gelernt unfreiwillig an einigen Aktivitäten teilzunehmen (wenn ich z.B. bei der erzwungenen Verlängerung des Wehrdienstes anlässlich des Baus der Berliner Mauer nach Hause gegangen wäre, oder wenn ich mich diktatorisch festgelegter Regeln nicht unterworfen hätte, oder ich mich dem unfreiwilligen Einsatz in den Bereitstellungsräumen an der Zonengrenze Bayerns entzogen hätte) dann wäre ich ganz einfach ins Gefängnis gegangen)
Wenn ich z.B. ein Diktat schreiben lasse (weil einige Firmen ein solches für die Einstellung ihrer Lehrlinge fordern), dann bin ich der Diktator - und jeder Schüler, der dazwischen schwätzt und seine Mitschüler stört, muss mit Sanktionen rechnen (wenn ich richtig informiert bin, gilt die Regel andere nicht zu stören bei dir auch - also ist deine Lernbegleitung auch geprägt von diktatorisch unterrichten, unfrei arbeiten, erzwungener Arbeit oder?
"Non scholae, sed vitae discimus" stand über der Tür meines Gymnasiums.
Frage an den verantwortlichen Lernbegleiter rolf:
Versagst du den Schülern nicht Lebenschancen, wenn du ihnen alltägliche Lebenslernsituationen vorenthältst?
Kennst du das Schulgesetz? Weißt du welche Rechte die Schüler haben?
Gruß kfmaas |
| Um die Arbeit zu erleichtern | | von: kfmaas
erstellt: 19.10.2005 22:14:58 |
http://rlp.juris.de/rlp/gesamt/SchulG_RP_2004.htm
"§ 6
Begriff der Schule
(1) Schulen im Sinne dieses Gesetzes sind alle auf Dauer angelegten Einrichtungen der Schularten nach § 9 Abs. 3 sowie vergleichbare Einrichtungen. Sie verfolgen bestimmte Bildungs- und Erziehungsziele. In ihnen wird planmäßiger und systematischer Unterricht, der individuelles und soziales Lernen miteinander verbindet, in verschiedenen Fächern, Lernbereichen und Sachzusammenhängen erteilt."
"§ 25
Lehrkräfte
(1) Die Lehrkräfte gestalten Erziehung und Unterricht der Schülerinnen und Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsicht und der Beschlüsse der Konferenzen. Sie sind verpflichtet, an der Schul- und Qualitätsentwicklung mitzuwirken. Unbeschadet des Rechts, im Unterricht die eigene Meinung zu äußern, sollen die Lehrkräfte dafür sorgen, dass auch andere Auffassungen, die für den Unterrichtsgegenstand unter Berücksichtigung des Bildungsauftrags der Schule erheblich sind, zur Geltung kommen. Jede einseitige Unterrichtung und Information ist unzulässig."
kfmaas
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| unterschiedliche blickwinkel | | von: rolf_robischon
erstellt: 19.10.2005 23:43:29 |
lieber kfmaas
wir haben unterschiedliche blickwinkel und sicher sehr verschiedene biografien. statt etwas zu tun was meiner überzeugung grundsätzlich entgegen steht, ginge ich tatsächlich eher ins gefängnis.
ich bin nicht der meinung dass die schule die sowas anordnet wie du es schreibst (zum besten der "schüler") wirklich alles zum besten tut.
sie muss sich wohl ändern.
der neue kultusminister von baden-württemberg will etwas neues:
Er greift damit ein Vorhaben des ZNL auf. Da wir der festen Überzeugung
sind, dass
1. Lernen ein weitgehend individueller und
2. ein aktiver Akt ist und
3. Erzieher wie Lehrer (die -innen schenke ich uns) die Rollen von
Lernbegleitern, Lernanregern, Lernumgebungsgestaltern haben, muss
4. die von einem Wechsel Kiga -> Schule ungebrochene Lernbiografie des
Kindes im Vordergrund stehen.
Dazu träumen wir von der
- Einrichtung von Lernhäusern,
- in die Kinder mit 3 oder 4 Jahren aufgenommen werden
- und die sie verlassen, wenn sie den Anforderungen der weiterführenden
Schule gewachsen sind (also mit 8 bis 12 Jahren).
- Dazwischen gibt es altersgemischte Lerngruppen,
- Lernangebote aus dem Bereich der Kulturtechniken
- wie aller anderer Entwicklungsbereiche,
- Teams aus Erziehern und Lehrern, die geschult darin sind, Kinder zu
beobachten, ihre Beobachtung zu dokumentieren, und darauf ihr Handeln
aufzubauen:
- den Raum, das Angebot für das Kind zu gestalten,
- aber auch Entwicklungs- und sonstige Verzögerungen zu erkennen und
absichtsvoll ausgleichend darauf einzugehen.
- Konkret werden wir Schulen und Kindergärten, die in räumlicher Nähe
zueinander arbeiten, sich füreinander zu öffnen und letztendlich zu einer
gemeinsamen Institution zu werden.
Das ZNL will mithelfen, Konzeptionen zu entwickeln, zu erproben und das
Ganze zu evaluieren. Am Schluss möchten wir dokumentieren können, wie weit
Kinder kommen können, wenn sie beim Lernen nicht gestört, sondern aufmerksam
begleitet und unterstützt werden, was das kostet und welche
Rahmenbedingungen dazu geschaffen werden müssen.
ZNL ist das Netzwerk für Gehirnforschung und Schule, verantwortlich Prof. Manfred Spitzer.
das fett gedruckte hat mir der geschäftsführer gemailt und mich um eine stellungnahme gebeten.
sieht so aus als ob sich die schule verändern könnte. |
| Leider vermisse ich sehr stark | | von: kfmaas
erstellt: 20.10.2005 00:49:28 geändert: 20.10.2005 01:18:36 |
die soziale Komponente. (Ob sich das schon bald im Generationenkonflikt rächt?)
Ich kann dir nur sagen, dass es teilweise 2 Jahre dauert, bis Schüler einigermaßen gelernt haben zielgerichtet (auch nach eigenen Zielsetzungen)mit einem Partner oder innerhalb einer Gruppe nach der Grundschule zu lernen. Und ich wünschte mir manchmal, du würdest die 5. und 6. Stunde Englisch in meiner 6. Klasse mit einem Drittel türkisch/pakistanischer, einem Drittel russisch/polnischer und einem Drittel deutscher Herkunft mit 31 Schülern lernend begleiten, so dass eine Vergleichsarbeit, die den Vorgaben (Bildungsstandards, Drittelbestimmung) standhält, geschrieben werden kann.
Und ich kann dir sagen, ich bin äußerst innovativ tätig und lasse mir einiges einfallen.
Tatsächlich scheinen wir trotz gemeinsamen Alters unterschiedliche Biografien zu haben.
Es erinnert mich an die Geschichte:
"Gibt es ein Leben nach der Geburt
Ein Gespräch von Zwillingen die sich vor ihrer Geburt im Schoß der Mutter unterhalten...
Die Schwester sagte zu ihrem Bruder: Ich glaube an ein Leben nach der Geburt!" Ihr Bruder erhob lebhaft Einspruch: Nein, nein. Das hier ist
alles. Hier ist es schön und warm, und wir brauchen uns lediglich an die Nabelschnur zu halten, die uns ernährt." Aber das Mädchen gab nicht nach: Es muss doch mehr als diesen dunklen Ort geben; es muss anderswo etwas geben, wo Licht ist und wo man sich frei bewegen kann." Aber sie
konnte ihren Zwillingsbruder nicht überzeugen. Dann, nach längerem Schweigen, sagte sie zögernd: Ich muss noch etwas sagen, aber ich fürchte, du wirst auch das nicht glauben: Ich glaube nämlich, dass wir eine Mutter haben!" Jetzt wurde ihr kleiner Bruder wütend: Eine Mutter, eine Mutter!" schrie er. Was für Zeug redest du denn daher? Ich habe noch nie eine Mutter gesehen und du auch nicht. Wer hat dir diese Idee in den Kopf gesetzt? Ich habe es dir doch schon gesagt: Dieser Ort ist
alles, was es gibt! Hier ist es doch alles in allem gar nicht so übel. Wir haben alles, was wir brauchen." Die kleine Schwester war von dieser
Antwort ihres Bruders ziemlich erschlagen und wagte eine Zeitlang nichts mehr zu sagen. Aber weil sonst niemand da war, mit dem sie hätte darüber sprechen können, sagte sie schließlich doch wieder: Spürst du nicht ab und zu diesen Druck? Das ist doch immer wieder ganz unangenehm.
Manchmal tut es richtig weh." -, ja", gab er zur Antwort, aber was soll das schon heißen?" Seine Schwester darauf: Weißt du, ich glaube, dass dieses Wehtun dazu da ist, um uns auf einen anderen Ort vorzubereiten, wo es viel schöner ist als hier und wo wir unsere Mutter von Angesicht zu Angesicht sehen werden. Wird das nicht ganz aufregend sein?" Ihr kleiner Bruder gab ihr keine Antwort mehr. Er hatte endgültig genug vom dummen Geschwätz seiner Schwester..."
Henri Nouwen
Gibt es ein Leben nach der Grundschule?
Gruß kfmaas
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| Dein Beispiel | | von: brigitte62
erstellt: 30.10.2005 11:57:17 |
finde ich nicht zutreffend, denn es muss ja nicht immer Mama sprich Erwachsener sein, der mit den Kindern "spielt". Kinder lernen voneinander vielleicht viel leichter und besser - manchmal lernen sie auch von Erwachsenen leichter und besser - alles hat seinen Platz. Ich denke nur die Institution Schule neigt dazu das Lehren von Erwachsenen zu Kindern an die erste und manchmal auch einzige Position zu setzen - schließlich ist das ja auch vermeintlich unsere berufliche Rechtfertigung.
Methodentraining: Wenn ich mir kleine und auc ganz kleine Kinder anschaue, verfügen die schon über ein beträchtliches Repertoire an Methoden, mit denen sie sich Wissen und Können aneignen. Für mich schließt "Freies Lernen" ein Belehren auch nicht aus, es darf aber nicht aus Belehren bestehen. Also muss ich nicht nur mein Verhalten, sondern auch meine Materialien daraufhin überprüfen, ob sie nur in eine einzige Richtung funktionieren oder auch Lernmöglichkeiten eröffnen. Im besten Fall werde ich von meinen Schülern als Teil ihrer Lerngruppe akzeptiert. Als so jemand habe ich natürlich auch ein "Spezialistenwissen" einzubringen, von dem alle profitieren können.
Aber: Natürlich ist ein solches Lernen und Lehren zunächst in der Grundschule besser zu verwirklichen, weil hier oft noch weniger Druck herrscht. Druck, den ich als Lehrerin natürlich als Teil der Institution Schule verkörpere. |
| die Frage | | von: vonderseite
erstellt: 31.10.2005 22:06:56 |
von fairytale war doch eigentlich, was ihr unter offenem
Unterricht versteht.
Ich verstehe unter offenem Unterricht, wenn Lernende und
Lehrende gemeinsam den Lernprozess gestalten.
Das kann so aussehen, dass z.B. der Lehrer die Themen oder
interessante Fixpunkte nennt und dann gemeinsam überlegt
wird, wie man da dran geht. Wie Lehrer- oder Schülerzentriert
das wird, hängt wohl vor allem davon ab, wie selsbstständig die
Schüler schon sind und welche Methoden und Kompetenzen
schon vorrausgesetzt werden können. Und ob alle dabei noch im
Klassenraum sitzen und ob individuelle Pausen gemacht werden,
hängt davon ab, wieviel Offenheit sich die Beteiligten zutrauen
und vor allem, wie gut der Lehrer Teamprozesse beratend
begleiten kann --- eine Kompetenz, die in der üblichen
Lehrerausbildung ja lange Zeit nicht so gefragt war (soweit ich
dass als Seiteneinsteiger beurteilen kann).
Das solche Art von Unterricht oft nicht stattfindet, weil die
Lehrenden sich das nicht zutrauen, oder schlechte Erfahrungen
mit ihren ersten Versuchen gemacht haben (der größte
Widerstand kommt ja bekanntlich von den Lernenden, die
plötzlich mitmachen müssen) oder weil sie einfach grundsätzlich
nicht daran glauben, steht auf einem anderen Blatt.
Mehr Mut bei den Lehrern wäre hier -- finde ich -- sinnvoll. |
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