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Forum: "Geschichte zum Weiterschreiben (bitte höchstens 10 Sätze)"
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| 11. - 1. | | von: keinelehrerin
erstellt: 14.05.2006 20:40:35 geändert: 14.05.2006 22:14:08 |
Sabine blätterte voller Hingabe in dem Buch "5000 Vornamen und ihre Herkunft". Schließlich brauchte der Kleine jetzt nach zwei Tagen auch mal einen richtigen Namen. Ja, da, hier, das hört sich doch gut an: "Kaspar, männlicher Vorname persicher Herkunft, " Das gefiel ihr. "Na, wie gefällt dir Kaspar?", wandte sie sich an den schlafenden Säugling. Wie zur Bestätigung blinzelte der Kleine und fuchtelte mit dem Fäustchen. "Dacht ich mir, dass es dir auch gefällt. Kaspar. Kaspar. Kaspar." Um sich an den Klang zu gewöhnen, sprach sie den Namen ein paar mal aus. Zu der gerade eintretenden Schwester lächelte sie: "Mein Sohn soll Kaspar heißen." Schlagfertig antwortete die Schwester: "Zum Glück heißen sie ja nicht Hauser, Frau Grell."
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| 11 -2. | | von: aloevera
erstellt: 14.05.2006 22:11:09 geändert: 14.05.2006 22:29:21 |
Nachdenklich betrachtete Sabine den kleinen Kaspar. Sie war unendlich glücklich, dass die Geburt so problemlos verlaufen und der Kleine kerngesund war.
Der Traum von einer kleinen glücklichen Familie war allerdings geplatzt, nachdem Sabine erfahren hatte, dass ihr vermeintlicher Traummann es mit der Treue nicht so genau genommen hatte. Sie hatte ihm unmissverständlich erklärt, dass er sich weiterhin in anderen Betten austoben könne, aber nicht mehr in ihrem. Sie würde für Kaspar Vater und Mutter sein und hatte Angst, ob sie dieser Aufgabe gewachsen war.
Leise klopfte es an der Zimmertür und Freddy steckte seinen Kopf herein, bepackt mit einem großen Stapel Unterlagen. "Entschuldigung, ich suche Marion. Sie ist nicht in ihrem Zimmer. Aber hier scheinbar auch nicht?"
Er trat vorsichtig an Sabines Bett und betrachtete das schlafende Kind in ihren Armen. "Und - wem sieht es ähnlicher, dem Papa oder der Mama? " fragte er neugierig.
"Der Mama natürlich, siehst du das nicht? Im Übrigen hat Kaspar keinen Vater, sondern nur einen Erzeuger!" antwortete Sabine heftiger, als sie es beabsichtigt hatte.
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| 11.3. | | von: keinelehrerin
erstellt: 14.05.2006 22:55:39 geändert: 14.05.2006 23:12:27 |
Und schon hatte sie die Wochenbett-Depressionen wieder voll im Griff. Ohne dass sie irgendetwas dagegen tun konnte, schossen ihr die Tränen ins Gesicht und sie wandte sich ab. Freddy war nun doch sichtlich überfordert, das ging über seinen Verstand hinaus. Linkisch setzte er sich auf´s Bett und tröstete Sabine. "Das wird schon, wirst sehen. Heute gibt es so viele Alleinerziehende. Das schaffst du, ihr beide." Wie von selbst streichelte er Sabines Arm. "Ach", schniefte Sabine, "irgendwie schon. Aber das will ich nicht. Nicht irgendwie. Kaspar hat nur das beeeestteeee verdient." Die Hormonschwankungen hatten sie voll im Griff! Laut schluchzte sie nun in das Kissen. Freddy hatte noch nie gut mit weinenden Frauen umgehen können, sie machten ihm immer irgendwie Angst.
Um seine Situation noch zu verschlimmern und ihn noch mehr zum Schwitzen bringen, begann Kaspar, irritiert durch das Weinen seiner Mama, auch zu jammern. So sahs Freddy nun im Zimmer mit einer von Weinkrämpfen geschüttelten jungen Mutter und einem schreienden Säugling. Aber er war mehr als erstaunt über sich selbst. Statt zu fliehen so schnell er konnte, kam ein ungewohntes warmes Gefühl in ihm auf. Er wollte Sabine in den Arm nehmen, sie trösten, ihre Tränen wegwischen, sie wieder lachen sehen. Er wollte, dass der kleine Schatz wieder still und zufrieden da lag. Okay, der letzte Wunsch war durchaus verständlich. Aber was war das mit Sabine? Eine weinende Frau die keinen Fluchtreflex auslöste? Eine Frau, die er trösten möchte? Von der er die Unbill der Welt abhalten wollte? War er auf dem Weg sich in diese Frau zu verlieben? Ja, anscheinend ja!
Er atmete tief durch. Und dann legte er Kaspar in das Bettchen nebenan und nahm Sabine in den Arm. "Hör zu. Du bist nicht allein. Wenn du willst, bin ich für euch da." Und dann küsste er Sabine zum ersten mal. |
| 11 - 4. | | von: aloevera
erstellt: 15.05.2006 06:23:04 geändert: 15.05.2006 15:55:53 |
Was mache ich hier eigentlich - durchzuckte es Freddy, als er sich der Situation bewußt wurde. Eine verzweifelte Frau, die er kaum kannte, dazu ein wenige Tage altes Baby und ein Krankenbesuch, der eigentlich einer anderen Frau galt. Nicht, dass Freddy kalte Füße bekommen hätte. Er hatte plötzlich das Verlangen, sich seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen. Vorsichtig löste er sich von Sabine, stammelte etwas, wie "Halt den Kopf hoch! Alles wird gut" und winkte Sabine beim Rausgehen verlegen zu.
Als er vor der Tür zu Sabines Zimmer stand, atmete er tief durch, versuchte sein hormonelles Chaos wieder ins Gleichgewicht zu bringen und machte sich erneut auf die Suche nach Marion. |
| 11.6 | | von: keinelehrerin
erstellt: 15.05.2006 11:40:00 geändert: 15.05.2006 16:01:57 |
Ach, wie hätte das Leben so schön und einfach und wunderbar plätschernd wie ein reiner Bergbach sein können.
Zwei Kinder in zwei intakte Beziehungen hineingeboren, ein Säufer, dem es zur Zeit verdientermaßen schlecht geht, eine Schwiegermutter weit weg.
Doch selten ist das Leben ein einfaches und fröhlich fließendes Flüsschen.
Und so nähert sich auch hier hinter einer Biegung eine Wildwasserfahrt mit vielen, vielen Stromschnellen und Strudeln.
Die Schulleitung der Pestalozzi-Schule hatte sich entschlossen für die erkrankte Kollegin Schäfer schnellstens eine Vertretung zu ordern. Nach zwei Tagen tauchte eine junge, brünette Frau im Lehrerzimmer auf, die sich als Verena Metzinger vorstellte. Von Herrn. Dr. Poltz wurde sie den Kollegen ans Herz gelegt und Sylvia nahm sie denn auch unter ihre Fittiche und zeigte ihr das Gebäude, den Kopierer und ganz wichtig das Büro des Hausmeisters. "So, Frau Metzinger, nun haben sie Vertretung in der 8b. Viel Spaß." Die erste Stunde in der neuen Klasse ging sich gut an und Verena freute sich, dass die Kinder so ungezwungen mit ihr umgingen und so gut mitarbeiteten. Allerdings wusste sie nicht, wie lange sie Vertretung würde machen müssen und wollte auch der Kollegin nicht vorgreifen. Deshalb entschied sie sich, ein Randthema aufzugreifen. "Hört mal her. Ich würde gern mit euch ein neues Thema beginnen: Dafür brauchen wir alte Zeitungen, Zeitschriften, Magazine. Glaubt ihr die beschaffen zu können?" Ein Gemurmel setzte ein "Oh...nö.... fein..... wo denn? .....wie alt?..... woher?...." Verena bat um Ruhe: "Ich dachte da an das alte Zeitungsarchiv in der Max-Plank-Straße. Oder stöbert mal auf den Dachböden eurer Großeltern rum, da findet man auch eine Menge. Oder auf dem Flohmarkt, hinten auf dem Wendalinus-Markt. Manchmal findet man die ungeheuerlichsten Sachen." Es klingelte. "Ich verlass mich auf euren Spürsinn," damit schloss Verena ihre erste Vertretungsstunde.
'Puh,' dachte sie, 'ging doch ganz gut.'
Wenn sie nur geahnt hätte, welchen Stein sie damit ins Wasser geworfen hatte! |
| 11.7. | | von: ines
erstellt: 15.05.2006 14:24:01 geändert: 15.05.2006 16:11:02 |
Herr Dr. Leonhard G. Poltz dieser Name bürgt für Standfestigkeit, Ehrgeiz, Disziplin. Sylvias Ansicht nach auch noch für Bürokratie, Schreibtischheini und Komplexhaufen. Doch heute konnte er sie nicht aus der Reserve locken, denn sie war in Gedanken beim Babysachen kaufen. Für sie war es längst zu spät für eigenen Nachwuchs, aber was sich laut Marion da so anbahnte ließ in ihr die perfekte Tante hochkommen. Trällernd schwang sie sich in ihren hohen Absätzen die Stiegen hinunter. Die letzten beiden Stufen, schon war sie im Erdgeschoss und direkt hinter der hübschen Verena am Weg ins Lehrerzimmer.
"Na hat's geklappt?"
Verena drehte sich lächelnd um, "Ja die waren total lieb."
"Fein, freut mich. Ist nicht leicht als Vertretung, aber wer weiß vielleicht doch länger als..."
"Wie bitte, Fr. Kollegin?", der Direktor hatte Sylvias letzte Worte aufgeschnappt dann überschlugen sich seine Gedanken, "In die Direktion, sofort.", hektisch lief er voraus. Sylvia folgte ihm betont langsam, während ihre kecken Augen für alle gut sichtbar an die Oberkante ihrer Lider wanderten. Konni grinste breit. Sie kannte Sylvias Spielchen schon.
"Was sollte das eben?"
Sylvia lehnte sich kokett zurück. "Was genau meinen sie Herr Poltz, mit das eben?"
"Sie...sie wissen ...genau was...was ich meine.", hochrot begannen seine Augenbrauen zu beben.
"Wieso provoziert mich diese Frau immer?",er hasste sie dafür.
"Nein, tut mir leid. Weiß ich nicht. Wars das dann?" sie erhob sich und war schon am Weg zur Tür.
"Bleiben sie stehen!", doch sie hörte nicht auf ihn.
Wie ein kleiner hysterischer Bullterrier folgte er ihr brüllend nach.
"Fr. Kollegin Metz ich weise sie an mir zu antworten!"
Die anderen verstummten.
Vor den Augen aller machte sie am Absatz kehrt, blieb stehen und antwortete kühl.
"Ist es dienstlich?" Konni hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte ihr Kichern zu verbergen.
"Ja, dienstlich!", Dir. Poltz war nahe an einer emotionalen Explosion.
"Meinten sie etwa das Gespräch von vorhin, mit Fr. Koll. Metzinger?" Verena blickte erschrocken hoch.
Sonst um keine Antwort verlegen nickte der Direktor stumm mit dem Kopf. Zu mehr war er momentan nicht im Stande.
"Das war privat.", Sylvias Worte standen in einem absolut stillen Raum. Nur das Surren des Kopierers war noch zu hören. Der begossene Pudel rührte sich nicht und selbst Konni schluckte.
Sylvia griff nach ihrer Kaffeetasse, die sie aus dem Internet bestellt hatte, schnappte den neuen Schulplaner und wackelte provokant hüftschwingend zur Kaffeemaschine. "Nehmen sie Zucker, Fr. Metzinger oder nur Milch?" flötete sie Verena zu. Dann deutete sie ihr mit der Hand ihr zu folgen und Verena ging mit. "Sind im Besprechungszimmer!" trällerte sie zu den anderen, schon war sie eine Wolke.
Verena hatte in den letzten fünf Minuten mehr gelernt als in all den Jahren ihrer Ausbildung.
Aus dem Lehrerzimmer war noch immer kein Laut zu vernehmen. |
| 11.8 | | von: keinelehrerin
erstellt: 15.05.2006 16:25:08 geändert: 15.05.2006 16:34:06 |
Nach Schulschluss machten sich die beiden Schülerinnen Ann-Sophie und Lena-Marie auf den Weg zum Wendalinusmarkt. Dort glaubten sie am ehesten eine Ausbeute für den Deutschunterricht zu ergattern. "Na, was suchen denn die jungen Damen?", erkundigte sich eine Verkäuferin. "Och, alte Hefte, so zehn, fünfzehn Jahre alt," antwortete Ann-Sophie. "Oder noch älter. Wenns damals überhaupt Zeitungen gab", kicherte Lena-Marie. "Aber klar, doch." Kopfschüttelnd wandte die Händlerin sich um. 'Die Jugend wurde auch immer seltsamer.' Sollte ihr aber Recht sein, so wurde sie die alten Magazine vielleicht noch zu einem Schnäppchen-Preis los.
"Schaut mal da, ihr beiden. Hier in der Kiste sind ne Menge alter Eltern-Hefte und Burda-Magazine und noch." Die Mädchen nahmen erst zögerlich jede ein Heft in die Hand und blätterten durch. Lena-Marie begann als erste zu kichern: "Schau dir mal die Klamotten an. Oberpeinlich!" "Und die Brille! Potthässlich!" "Und erst die Frisuren. Das die sich auf die Straße getraut haben. Krass! Voll krass, Alter!" So blätterten beide eine zeitlang gackernd und glucksend durch die Hefte. "Du, Ann, schau mal, der Typ da, der sieht aus wie Wegener, nur jung. Oder?" Lena-Marie hielt der Freundin eine Heftseite hin. Diese warf einen Blick darauf und nickte: "Jo Mann. Echt!" Ein stummer Blickaustausch unter Freundinnen und - mit wahrem Feuereifer begannen sie die anderen Hefte durchzublättern; auf der Suche nach einer ganzseitigen farbigen Anzeige. In fünf Heften wurden sie fündig. Mit einem zuckersüßen Lächeln wandten sich die Mädchen an die Verkäuferin. "Wir wollen diese Hefte hier kaufen." "Gern. Sagen wir zwei Euro?" "Gemacht!" Zufrieden zogen die Mädels mit ihrem Fund von dannen. Kopfschüttelnd schaute ihnen die Flohmarkt-Händlerin hinterher. "So jung, die Zwei. Und schon die Kerle im Kopf. Tzt, tzt. Aber 'nen knackigen Hintern hatte der Typ ja schon." |
| 11 - 9. | | von: aloevera
erstellt: 15.05.2006 22:43:23 geändert: 16.05.2006 14:29:55 |
Hildegunde hatte ihre Reise unter großen Beschwerden angetreten, lag nun völlig erschöpft auf dem Bett ihrer Kabine und sah sich neugierig um. Der Fuß machte ihr zu schaffen und schien immer noch sehr geschwollen zu sein. „Das kann ja lustig werden!“ fluchte sie innerlich. Wäre Marion nicht ins Krankenhaus gekommen und ginge es bei ihren Kindern nicht drunter und drüber, wäre das alles gar nicht passiert. Nun saß sie hier vier Wochen auf dem Schiff fest und konnte sich an Himmel und Meer satt sehen. An Landausflüge war mit diesem Ungetüm von Fuß nicht zu denken. Und sollte sie auf dem Schiff einen netten Herrn kennen lernen, hatte der sicher was Besseres vor, als den Krankenpfleger zu mimen.
Beim Einchecken hatte sie sich erkundigt, ob ein Arzt an Bord sei und beruhigt erfuhr sie, dass sie sich darüber keine Sorgen machen müsse.
Es war Zeit, sich für das Abendessen fertig zu machen. Anschließend stand ein „Italienischer Abend“ auf dem Programm mit Musik und Tanz. Hildegunde kleidete sich in ein burgunderrotes Abendkleid, das ihren Gipsfuß wenigstens etwas verdeckte. Sie nahm ihre Krücken und humpelte in den Speisesaal. Ein junger Italiener führte sie freundlich und behutsam an ihren Tisch, an dem bereits ein mindestens 15 Jahre älteres Ehepaar und eine finster blickende bebrillte Dame mit streng nach hinten gekämmten grauen Haaren saß. „Das muss Frau Studienrätin a.D. sein. So kann nur eine frustierte berentete ehemalige Lehrerin aussehen“, grinste Hildegunde in sich hinein.
Nach einer kurzen steifen Begrüßung wurde bereits die Vorsuppe gereicht.
Hmmm, das roch lecker! Hildegundes Verpflegung hatte ja in den letzten Tagen aus den Resten in Hans-Rüdigers Kühlschrank bestanden, weit weg jeglicher gesunden Ernährung oder einer warmen Mahlzeit. Wenigstens darauf konnte sich Hildegunde freuen: bedient zu werden und regelmäßig gut und warm zu essen.
Sie führte den Löffel mit der Minestrone zum Mund, als eine atemberaubende schlanke Frau, etwa Mitte dreißig, mit tiefblauen Augen und langen blonden Haaren ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie lachte so herzlich und voller Lebensfreude, dass Hildegundes Nachbarin dagegen wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen wirkte. Das Lachen der jungen Frau war so mitreißend, dass jeder im Saal die gelassene Stimmung an diesem Tisch spüren musste.
Hildegunde erstarrte, ließ den Löffel sinken und glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
Der Begleiter der jungen Frau war Prof. Dr. Hegebrecht.
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