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Forum: "Geschichte zum Weiterschreiben (bitte höchstens 10 Sätze)"
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| 16. 3. | | von: keinelehrerin
erstellt: 26.05.2006 00:00:51 |
Max bewegte Sylvias Worte in sich hin und her. "... für eine neue Liebe frei sein" Diese neue Liebe, war das Marion? War er bereit sich fest zu binden? An eine Frau, die ein Baby erwartete? Konnte er dieser Anforderung überhaupt gerecht werden? Konnte er dieses Baby so lieben, als sei es sein eigenes Kind? Oder würde immer der Schatten von Marions Mann über dieser Beziehung liegen? Er hatte mehr Fragen als Antworten. Das bereitete seinem analytisch geschulten Gehirn schon einige Probleme. Und so griff er nach einem weißen Blatt Papier, einem Stift und begann eine Tabelle aufzustellen. Das Blatt schien ihm entgegen zu grinsen, ihn zu verhöhnen. Er brauchte eine Aufstellung über Pro und Contra, um über sein Leben entscheiden zu können. Das konnte doch nicht wahr sein.
Er wählte Marions Nummer, Sylvia hatte gesagt, sie sei zu Hause. Doch es nahm niemand ab, der Anrufbeantworter sprang nicht an. Verflixt, wo war sie? Er legte auf, sah wieder das immer noch weiße Blatt. Entschlossen begann er zwei Striche zu ziehen, einen senkrecht, einen waagerecht. Seine Hand verselbständigte sich, die Striche wurden immer heftiger, kreuzweise. Sie nahmen an Heftigkeit zu, und zum Schluss hatte er das unschuldige Blatt zerrissen. Wütend nahm er die Fetzen, knüllte sie zusammen und warf sie gegen die Wand. Verdammt! Sein Leben hatte doch schon genug Senken gehabt, hatte er nicht auch mal Höhen verdient? 'Bub, verdient hast´e nix. Geschenkt kannst´s bekommn.' Das hatte Onkel Gregor oft gesagt. Onkel Gregor! Ja, natürlich Onkel Gregor, warum war ihm der nicht früher eingefallen?! Er sah auf seine Uhr. 21.15h. Etwas spät für einen Anruf. Auf der anderen Seite war es eine wichtige Angelegenheit. Das würde sein Onkel verstehen. Und - bevor er es sich anders überlegen konnte - rief er seinen Patenonkel an. "Gregor. Hier ist Max. Nein, es ist nichts passiert. Ich brauch aber deinen Rat. Ja, ich weis wie spät es ist. Ich würde dich auch nicht anrufen, wenn es mir nicht so wichtig wäre. ... Ich ....Ja....Klar..." |
| 16 - 4 | | von: oblong
erstellt: 26.05.2006 09:41:16 geändert: 26.05.2006 10:04:15 |
Jack konnte sein Glück nicht fassen: Endlich hielt er die schriftliche Bestätigung in den Händen, und die las er genau und immer wieder:
"Sehr geehrter Herr Schäfer!
Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass eine Eintrittskarte für das Viertelfinalspiel der Fußball-Weltmeisterschaft am 30.6.2006 im Olympiastadion zu Berlin zurückgelegt wurde.
Bitte legitimieren Sie sich ..."
Auweia, er hatte doch Ordnungsdienst in Münster!
"Klar, da sage ich ab, das werden die schon einsehen..."
Jack griff optimistisch zum Handy, doch zu seiner Enttäuschung ließ man ihn wissen, dass er selbst für Ersatz sorgen müsse, denn als höhere Gewalt könne man seine Verhinderung ja nicht gerade bezeichnen.
Reichlich angesäuert pfefferte er das Handy in die Sofapolster, doch von dort prallte es ab und kullerte unter den Esstisch.
Jack fiel erst jetzt ein, dass das Handy noch nicht abgeschaltet war und begab sich ächzend auf die Knie, um das misshandelte Instrument hervorzuangeln und auf die rote Taste zu drücken.
"Wo kriege ich jetzt einen Ersatzmann her?"
So ein Mist! Da hatte er sich so schön von seinen Problemen ablenken wollen, und dann gerät der Fußball auch noch zum Stressfaktor.
Probleme? Da war doch noch etwas zu klären mit Marion.
Au Backe! Schon längst hätte er sich bei Marion melden sollen wegen der Einteilung der Elternzeit. Das hat ihm gerade noch gefehlt! Brummig warf er das unschuldige Handy in ein fliederfarbenes Sofakissen, das diesen Missbrauch als Zielscheibe ebenso erdulden musste wie das arme Kissen in seiner Wohnung, wo ein kleines Sofakissen die wütenden Hiebe von Marion aushalten musste, als sei es ein Punchingball von Regina Halmich... |
| 16. 5. | | von: keinelehrerin
erstellt: 26.05.2006 20:14:38 |
Jack ließ seiner Wut noch etwas Raum und Leine, glaubte in seinem grenzenlosen Egoismus, dass das Universum nichts anderes zu tun hätte als ihn armen Menschen zu quälen und beschloss dann seine Ehefrau anzurufen. Eine Entscheidung musste er fällen, und an seiner Einstellung würde sich nichts ändern. Jetzt nicht, und nicht in einem Jahr. Er war nicht zum Vater-sein geboren. Das würde er Marion mitteilen. Damit während des wahrscheinlich recht unangenehmen Gespräches seine Kehle nicht austrocken sollte, machte er sich auf den Weg zum Kühlschrank um sich eine Flasche Bier zu öffnen. Er hockte sich vor den Kühlschrank um in der Schublade noch nach Nachschub zu suchen, als er Frank nach Hause kommen hörte. Ein fröhliches Pfeifen begleitete seinen Freund herein und ein "Jack, wo steckst du denn?" kam ihm entgegen. "Jack, ich muss es dir erzählen. Ich platze gleich! Ich hab vorhin so einen netten Kerl getroffen. Also ich fass es immer noch nicht. Ach ja, das Auto, also das Autokannst du die nächsten Tage nicht benutzen. Das steht bei Lamberts in der Werkstatt. Mensch, war der aber richtig nett. Und so zart. Ich hab fast gar nichts gespürt. Oh jeh, ich red schon wie die Zahnpastawerbung:'Muttti, Mutti, er hat überhaupt nicht gebohrt.'" Jack sah seinen Kumpel etwas erstaunt an. Der war ja aufgeräumt! Aber von was in drei Teufels Namen sprach er da. Das Gespräch mit Marion musste warten. Zum Glück. Zuerst musste er mal verstehen, von was hier die Rede war. So folgte er nun Frank ins Schlafzimmer. "Erzähl mal der Reihe nach. Du springst ja so. Ich versteh ja nicht mal die Hälfte. Was ist denn da passiert?" Während Frank sein Hemd wechselte sah Jack einen Verband an Franks rechtem Unterarm. "Das hab ich dir doch schon gesagt." Frank wandte sich um, angelte frische Socken aus der Schublade und wollte an Jack vorbei ins Bad. "Stopp! Jetzt setz dich mal hin und erzähl." Und so setzte sich Frank hin und erzählte von diesem Morgen. Das Auto war stehengeblieben und er wollte im Motorraum nachschauen. Als er die Motorhaube hochgehoben hatte, brauste ein LKW vorbei. Der Windstoß ließ die Haube runterplumpsen aber leider war er nicht schnell genug und seine rechte Hand konnte er nicht mehr rausziehen. Er hatte Glück im Unglück und ein anderes Fahrzeug hatte angehalten um Pannenhilfe zu leisten. Der Fahrer kam angelaufen und befreite ihn aus seiner misslichen Lage. Er arbeitet im Krankenhaus und nahm Frank gleich mit um ihn zu versorgen. Sie hätten sich im Auto toll unterhalten, festgestellt, dass sie die gleiche Musik mochten, über die gleichen Witze lachten und beide keine Zwiebeln im Essen mochten.
Jack hörte zu und unterbrach Frank nicht. Endlich ging es ihm besser, es schien wieder Leben in ihm zu sein. Das erste Mal seit er bei Frank eingezogen war, wirkte dieser wie der Mann den er von früher her kannte.
"Und wie heißt dieser tolle Supertyp, der auch noch schienen kann, ohne dass es wehtut?" Denn nebenher war die Elle von Franks Unterarm angebrochen und musste nun für drei Wochen ruhiggestellt werden. "Nils, heißt er," antwortete Frank lächelnd. |
| 16 - 6. | | von: aloevera
erstellt: 26.05.2006 21:28:15 geändert: 27.05.2006 09:39:41 |
Max packte seine Reisetasche. Kurz vor seiner Abfahrt nach Tirol rief er bei Sylvia an, in der Hoffnung, Marion wenigstens an diesem Morgen zu erreichen und er hatte Glück. Er erzählte ihr, dass er bis Sonntag seinen Onkel besuchen werde und es ihm schon wieder ganz gut ginge. „Ich freue mich sehr, dass wir uns am Montag sehen. Wollen wir nach dem Unterricht zusammen etwas essen gehen? Es gibt einiges, das ich erklären möchte.“ Marion, völlig überrumpelt von diesem Angebot, willigte ein.
Die Fahrt nach Tirol verlief ohne Zwischenfälle. Schon von weitem sah Max die weiße Abtei der Benediktiner, St. Georgenberg-Fiecht, die ihm einladend entgegen blickte. Was hatte sich in den letzten zwanzig Jahren verändert? Äußerlich nichts, alles sah aus, als sei die Zeit stehen geblieben. Abt Gregor klagte über den mangelnden Ordensnachwuchs, unter dem alle Klöster litten. Die Kongregation der Mönche war geschrumpft und um das Haus überhaupt halten zu können, hatten sich die Mönche verstärkt auf Öffentlichkeitsarbeit und Angebote wie Exerzitien und Meditationen festgelegt.
Max parkte sein Auto auf dem Parkplatz vor der Pforte und stieg aus. Der Duft blühenden Flieders umfing ihn. Er betätigte den schweren Türklopfer und wartete. Ein betagter Mönch öffnete ihm. „Max, wie schön, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Abt Gregor freut sich schon und alle, die dich noch kennen. Du hast uns gewiss viel zu erzählen.“ Max erkannte Bruder Johannes, der ihn ohne Umschweife in das Besucherzimmer führte, in dem der Tisch mit Brot, Butter, Aufschnitt, Käse und einer Kanne Tee für Max gedeckt war. „Stärk dich erst mal, mein Junge, du musst ja völlig ausgehungert sein nach der langen Fahrt.
Danach zeige ich dir dein Zimmer.“ Bruder Johannes schloss leise die Tür hinter sich und ging.
Max fühlte sich wie vor zwanzig Jahren. Das Zimmer sah genauso aus wie damals, lediglich die Vorhänge und Gardinen waren neu. Über der Eingangstür – genau wie damals – das Motto der Mönche: Ora et labora et lege (Bete und arbeite und lese). Frisch gestärkt und guter Dinge ließ sich Max von Bruder Johannes das Zimmer zeigen. Während er sich umzog, läuteten die Kirchenglocken zur Konventmesse. Erst nach der Messe mit der Vesper würde er seinen Patenonkel sehen können. Max machte sich auf den Weg zur Kapelle. Wie gut er sich noch auskannte und wie vertraut ihm noch alles war, obwohl er in einer gänzlich anderen Welt angekommen war. Der Geruch von Bohnerwachs lag über den Fluren, die sich lang und düster hinzogen. Schon hörte der den kraftvollen Psalmengesang der Mönche, als er an der Kapellentür ankam, sie leise öffnete und sich in die letzte Bank setzte.
Ein Gefühl der Ruhe und des Friedens umfing ihn und er fühlte, dass die Entscheidung hierher zu kommen, richtig war.
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| 16 - 7. | | von: aloevera
erstellt: 27.05.2006 09:29:56 geändert: 27.05.2006 09:41:26 |
In der Stille des Klosters und bei langen Spaziergängen im gepflegten Klostergarten und in der näheren Umgebung konnte Max seine Gedanken ordnen, ganz ohne Strichliste mit pro und contra. Es war nicht nur der Gedanke an Marion, der ihn in diesen eineinhalb Tagen beschäftigte. Er setzte sich auch intensiv mit der Zeit auseinander, die er damals nach Helens Unfall hier verbracht hatte. Wie wäre sein Leben wohl verlaufen, wenn er damals hier geblieben wäre und in den Orden eingetreten wäre? Abt Gregor erwies sich genau wie damals als ein wahrer Seelsorger. Natürlich musste er den offiziellen Standpunkt der katholischen Kirche vertreten, aber als Mann machte er Max deutlich klar, dass er nichts davon hielt, eine kaputte Ehe aufrecht zu erhalten, unter deren Folgen ein Kind mit Sicherheit leiden würde. Er bestärkte Max darin, nachdem die Vergangenheit mit Helen abgeschlossen war, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Max hatte die vierzig erreicht und es war Zeit, eine Familie zu gründen. „Wenn Marion die Frau deines Herzens ist, worauf wartest du dann?“
Am Sonntag mittag verabschiedete Max sich in der Abtei und fuhr, innerlich gefestigt und entspannt, nach hause zurück. Trotz seiner Krankschreibung würde er morgen wieder arbeiten gehen und – welch ein Lichtblick – Marion wieder sehen.
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| 17. 1 | | von: stumpelrilzchen
erstellt: 28.05.2006 11:15:14 geändert: 28.05.2006 20:43:36 |
Jack hatte Mühe bei alle dem Gewackel, seine Cola so auf dem Oberschenkel zu balancieren, dass sie möglich selten aus dem Flaschenhals schwappte. Wie hatte er sich nur zu dieser Aktion überreden lassen können? Es war schließlich Montag, ein neuer Tag in einer neuen Woche und er hatte einiges gerade zu biegen. Marion hatte er immer noch nicht angerufen und stattdessen den Rest der Woche auf dem Sofa verbracht.
„Jack“, hatte Frank dann Sonntag unvermittelter Dinge zu ihm gesagt: „du brauchst eine Ablenkung, um wieder zu dir selbst zu kommen nach alle dem Psychoscheiß.“ Jack wollte gerade die Bäckerfaust gen Wohnzimmerdecke strecken und brüllen: „Jau, lass uns mal wieder so richtig einen saufen.“, als Frank seine Rede fortführte: „Du kommst morgen mit mir in meine Aquarellgruppe.“ Hätte Jack damals auch nur eine Sekunde geahnt, was das bedeuten könnte, er hätte sofort Reißaus genommen.
Nun saßen sie hier in Franks grünem Panda, zuckelten über einen schlecht geschotterten Waldweg irgendwo in der Pampa und hörten Marianne Rosenberg. „Bist du sicher, dass das was für mich ist?“, Jack versuchte jegliche Panik in seiner Stimme zu unterdrücken und saugte sich gekonnt lässig mit der Zunge einige Fleischfäden des Schnitzels vom Vortag aus den Vorderzähnen. „Natürlich. Wirst sehen, die Leute da sind alle voll nett und strahlen eine total gute Energie aus. Sieh mal, da hinten ist es!“, Frank zeigte auf den Giebel eines Fachwerkhauses, der nun über einer Baumreihe auftauchte.
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| 17 - 2. | | von: aloevera
erstellt: 28.05.2006 13:18:47 geändert: 28.05.2006 13:20:46 |
Marion hatte die Nacht von Sonntag zu Montag alleine in ihrer Wohnung geschlafen und wie immer nach Ferien oder nach Wochenenden miserabel geschlafen und allen möglichen Mist geträumt. Sie fühlte sich wie gerädert, als sie um fünf Uhr aufstand. Wenigstens kam sie heute überpünktlich . Sie zog sich an, schminkte sich sorgfältig, frühstückte in Ruhe und freute sich sogar auf die Schule und natürlich auf Max. Als sie das Lehrerzimmer betrat, stand ein großer Blumenstrauß auf ihrem Platz und sie wurde von den Kollegen herzlich willkommen geheißen.
Eine hübsche, junge Frau trat auf sie zu und reichte ihr freundlich die Hand. „Guten Morgen, Frau Schäfer, ich bin Verena Metzinger, ihre Krankheitsvertretung. Schön, dass Sie wieder gesund sind.“. Marion betrachtete die junge Kollegin, die wegen der Krankheit von Dr. Poltz weiterhin gebraucht wurde und beschloss, sie nicht zu mögen. Sie selbst sah sich schon als hochschwangeres Monster mit Kleidung, die Zirkuszelten ähnelte, neben dieser hübschen Kollegin durch die Gänge watscheln. Marion waren die anerkennenden Blicke der männlichen Kollegen nämlich nicht entgangen, als Verena das Lehrerzimmer betreten hatte.
„Na, da haben Sie ja was in meiner Klasse angerichtet, mit Ihrem Arbeitsauftrag an die Schüler“ erwiderte sie an Stelle einer Begrüßung. „Wer weiß, was der Kollege Wegener dadurch noch an Schwierigkeiten erleiden muss.“ Zickenzone – für jeden spürbar, für jeden hörbar. Sylvia kam im rechten Moment, die Situation zu entschärfen und führte Marion unter einem Vorwand aus dem Lehrerzimmer. „Bist du total bescheuert?“ fuhr sie Marion an. „Wir wollen, dass hier schleunigst alles wieder in geordneten Bahnen verläuft. Und du kommst hier wie ein Hurrikan herein und wirbelst alles wieder auf. Wenn dir deine Hormone einen Streich spielen, dann lass dich weiter krank schreiben. Oder lass dich mal wieder kräftig …“
Den Rest verschluckte sie, als sie Marions betretenes Gesicht und am Ende des Ganges Max kommen sah.
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| 17 - 3. | | von: aloevera
erstellt: 28.05.2006 18:35:07 geändert: 28.05.2006 18:52:50 |
Sylvias markante Stimme schallte über den ganzen Gang, so dass Max jedes Wort verstanden hatte. Er eilte grinsend herbei. „Guten Morgen die Damen, kann ich behilflich sein?“ „Ja bitte“ antwortete Sylvia und „Nein, danke“ kam es gleichzeitig aus Marions Mund. Alle drei brachen in schallendes Gelächter aus. Nach einer kurzen Information über den Stand der Dinge gingen alle in Richtung ihrer Klassen. „Ich freu mich auf heute Mittag“ konnte Max Marion gerade noch zuraunen, bevor sie die Treppe nach oben erstieg.
Marion wurde von ihrer Klasse stürmisch begrüßt und nach allen Einzelheiten ihrer Operation befragt. Vor ihrer Krankheit, bedingt durch das ständige Streiten mit Jack und ihren Übelkeitsanfällen hatte sie bezüglich ihrer Schüler alle Gefühlsregungen durchlaufen, die auch eine Lehrerseele nicht verschonen. Mitten in der Pubertät, war sie für einige der seelische Mülleimer, für andere die Psychotante, wieder für andere der Blitzableiter und der Prellbock. Sie selbst hätte den einen oder anderen am liebsten öfter durch den Fleischwolf gedreht, einige gefesselt und geknebelt oder mit einigen netten die Flucht auf eine einsame Insel gewagt. Heute jedoch betrachtete sie ganz bewusst ihre muntere liebenswerte Meute, registrierte jeden Zentimeter Wachstum und erkannte bei einigen Veränderungen in den Gesichtszügen. Wie eine Mutter, die nach einer längeren Reise prüfend ihre Kinderschar betrachtete, erfüllte sie ein Gefühl der Wärme und des Stolzes.
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| 17.4. | | von: keinelehrerin
erstellt: 28.05.2006 20:44:26 geändert: 28.05.2006 20:45:38 |
Die erste Stunde verflog. Die zweite auch. Dann klingelte es zur Pause. Marion packte ihre Tasche zusammen und ging zu ihrem Frühstück. Seit sie wusste, dass sie schwanger war, trank sie keinen Kaffee mehr, sondern nur noch Tee. Im Lehrerzimmer setzte sie den Wasserkocher auf, nahm ihre 4t-Tasse aus dem Schrank und betrachtete verstohlen die neue Kollegin. Bemerkenswert, wie sie sich bei den Kollegen in so kurzer Zeit beliebt gemacht hatte. Da kam Max zur Tür herein. Auch er nahm eine Tasse und stellte sich mit einem Teebeutel ausgestattet hinter Marion. "Und wie war's heute so?" 'Oh, mann! Was stellte er für blöde Fragen. Sonst konnte er doch viel witziger sein,' gedanklich trat er sich selbst gegen das Schienbein. Die unausgesprochenen Erklärungen die er Marion schuldete, lasteten doch auf ihm. Egal was Onkel Gregor gesagt hatte. Er musste nun hier stehen. Onkel Gregor war weit fort.
Der Wasserkocher pfiff und Marion brühte sich einen Melissentee auf. Den Kocher reichte sie an Max weiter, um so völlig unverfänglich seine Hand berühren zu können.
Sylvia beobachtete die beiden von ihrem Platz aus. 'Aha,' dachte sie, 'scheint ja alles wieder ins Lot zu kommen.' "Frau Metz," rief sie die Sektretärin durch die offene Bürotür, "Frau Metz, Telefon." Seufzend erhob sich Sylvia. Wer störte sie in ihrer wohlverdienten Pause? Wenn das nicht wichtig war! Wichtig wars. Denn das teilte ihr die Sekretärin im Flüsterton mit, als sie ihr das Gespräch ins Büro von Dr. Poltz legte. "Der Schulrat. Auf Geheiß vom Ministerium. Hört sich extrem wichtig an." Uh, Sylvia straffte die Schultern und griff den Hörer. "Guten Morgen. Sylvia Metz hier." Und dann ging eine Triade auf sie nieder, bei der sie zwei Minuten keine Gelegenheit bekam auch nur zwei zusammenhängende Worte von sich zu geben. "Stopp! Halt! Herr von Foch! Darf ich auch mal was sagen! Eine Dienstenthebung! Das ist unverantwortlich! Nein, jetzt hören sie mir zu....." Doch auf der anderen Seite war schon aufgelegt und Sylvia hörte niemand mehr zu. Wütend pfefferte sie den Hörer auf das Telefon. Selten war Sylvia um Worte verlegen, aber Max mitzuteilen, dass er vorerst vom Dienst suspendiert war, ohne Weiterzahlung seiner Bezüge, dass eine Kommission eingesetzt worden sei....und und und. Das Ministerium drehte durch. Was war geschehen?
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| 17.5 | | von: graz1
erstellt: 29.05.2006 16:33:35 geändert: 29.05.2006 18:23:29 |
Sylvia war zum ersten Mal in ihrem Leben völlig sprachlos. Wie sollte sie Max diese durchaus besorgniserregende Mitteilung überbringen? Ohne vorhergehendes Klopfen ging die Tür der Kanzlei auf. Eine etwas zerstört wirkende Frau Metzinger betrat den Raum. "Entschuldigen Sie, aber am Gang findet gerade ein Elterntreffen statt. Ich glaube, Sie sollten sich das mal ansehen!" Sylvia seufzte, auch das noch, wieder einmal ein paar aufgeregte Eltern, konnte sie denn nie Ruhe haben. Ein schneller Blick noch in den Spiegel, ihr Makeup saß, und schon war sie auf dem Gang. Mensch, was war denn das für ein Auflauf. Auf den ersten Blick erkannte sie den Anführer der Elternschaft, ausgerechnet Herr Zollner. Dieser erblickte Sylvia im selben Moment und stürzte sich auf sie. Doch mehr als, "das ist ja eine bodenlose Frechheit", konnte sie nicht verstehen. |
Beitrag (nur Mitglieder) |
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