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Forum: "Selbstmord einer Schülerin"
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 | Der Trauer Ausdruck verleihen |  | von: ethos

erstellt: 22.02.2004 16:43:11 |
Liebe Alexandra,
meine Anteilnahme!!!
Habe selber in meiner Zeit als Erzieher einen Jugendlichen durch Freitod verloren und insofern persönliche Erfahrung.
Die oben geschilderte Beobachtung, dass sich Jugendliche gut selber gegenseitig unterstützen halte ich grundsätzlich für richtig.Ihr als Lehrer habt aber die Aufgabe, den Rahmen dafür zu bieten. Also z.B. ein Gespräch unter dem Motto: "Wie verarbeiten wir als Klasse dieses Erlebnis und was können wir als Klasse tun, um so etwas bei uns zu verhindern?" zu moderieren.
Ich denke die beste Chance, drohende Gefahr zu erkennen haben die Klassenkameraden. Wenn jemand wiederholt "Lebensunlust",insbesondere den "Wunsch zu sterben" äußert, dann ist es höchste Zeit, dass sie Erwachsene Helfer informieren. Um so konkreter die Gedanken zur suizidalen Handlung, um so wahrscheinlicher ist die Tat. Ein Problem ist, dass Jugendliche ahnen, dass das oft auf Kinder- und Jugendpsychiatrie hinausläuft und da will kaum einer freiwillig hin. Aber: Um so früher im Prozess, um so besser die Chance, es ohne KJP zu schaffen!
Ironie des Schicksals ist, dass ihr jetzt Ferien habt! Denke die Schüler wissen sowieso alle, was passiert ist. Deswegen würde ich empfehlen, dass ihr dem am ersten Tag nach der Schule auch Ausdruck verleiht. Zum Beispiel, indem jeder Lehrer eine schwarze Schleife am Revers trägt und auf Halbmast geflaggt ist. An der Klassenzimmertür der betroffenen Klasse, vielleicht sogar an den Schultüren könnten von außen lesbar passende Karten aufgehängt sein. Das müssen keine Kreuze sein. Auch Sonnenuntergänge, Novembernebel und ähnliches eignen sich, um jedem der eintritt zu signalisieren: Sei behutsam, hier ist etwas außerordentliches passiert.
Außerdem solltet ihr für jede Klasse absprechen, welcher Lehrer das Thema am ersten Schultag mit welcher Klasse bespricht. Es sollte ein Lehrer sein, der sich dem Thema gewachsen fühlt, einen guten Draht zur Klasse hat und am ersten Tag unterrichtet. So könnten die anderen Lehrer, die davor dran sind signalisieren, dass sie um das Thema wissen, dieses aber später bei Kollege X besprochen wird. Dann würden die Schüler erleben, dass ihr euch abgesprochen habt und an einem Strang zieht. Danach sollte das Thema nur noch besprochen werden,wenn eine Klasse bedarf anmeldet. Ihr sollte verhindern, dass Lehrer, die Unterstützung brauchen, sich diese dann noch Tage nach Schulbeginn bei Klassen holen.-Dafür sind die Kollegen da!
Herzlicher Gruß ethos |
 | @rolf robischon |  | von: pschyremberl

erstellt: 22.02.2004 23:50:45 geändert: 22.02.2004 23:51:21 |
Diesen Aufruhr zur grundsätzlichen Veränderung nicht nur von Schule, sondern im gesamten System Schule - also auch in der Lehrerausbildung - habe ich mir schon von fast 15 Jahren gewünscht, als eine Kollegin im Referendariat den Druck durch die Seminarleiter nicht mehr aushielt und von einem Hochhaus in einer Großstadt in den Freitod sprang. Sind wir doch einmal ehrlich gegenüber uns selbst: Dieses ganze System Schule ist über die Jahre und Jahrzehnte zu einem Molloch verkommen, der mittlerweile zerstörerische Ausmaße angenommen hat. In diesem System ist es doch normal, dass drangsaliert und tyrannisiert wird - das machen die Schüler so, aber auch unsere Dienstherren. Und wer sich dagegen stellt, wird so lange mürbe gemacht, bis er schließlich entnervt aufgibt. Und wer nicht aufgibt, ist irgendwann ein Fall für den Psychiater.
Beim Ordnen einiger Unterlagen bin ich in den letzten Tagen auf den folgenden Text gestoßen:
Geh sorgsam mit dir um,
dich kann´s nur einmal geben
und auch nur kurz
man darf dich nicht verbrauchen
wie einen Rohstoff.
Du bist kein Produkt.
Entzieh dich der Statistik,
du bist wichtig.
Bewahre dich, weiche der Härte aus,
verweigre dich
den Überflüssigkeiten.
Gib deine Antworten selbst,
stell selber deine Fragen,
gib acht auf dich,
dich gibt es nur einmal.
Ich denke, wenn wir alle - Lehrer wie Schüler wie politisch Verantwortliche - uns diesen Text täglich vor Augen halten würden, könnte es uns gelingen, aus diesem Molloch doch noch eine humane Schule zu machen. |
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