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Forum: "Lateinunterricht ist Lebenszeitklau"
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| bernsteins Senf zum Thema | | von: bernstein
erstellt: 25.05.2008 23:06:13 geändert: 25.05.2008 23:26:39 |
Ich hatte von Klasse 7 (Quarta) bis 11 (Untersekunda) = 5 Jahre Latein. Die beste Zeugnisnote je war eine 4 und ich muss zugeben, dass mich Übersetzungen, egal in welche Richtung, sehr quälten.
Notenmäßig ging es mir in Französisch genauso.
Was aber diese wenig berauschenden Ergebnisse nicht zerstören konnten bei mir, war eine gerade durch den Lateinunterricht geweckte geradezu unbändige Lust an der Sprachreflexion, an dem Aufspüren von Spuren des Lateinischen in anderen Sprachen, in Eigennamen, in Fantasienamen, Werbung, an Wortbildungsregeln in form von Suffixen und Affixen, an Satzbildungsregeln, an Grammatik etc. (bernstein outet sich hiermit als der absolute Grammatikfreak.... *duck*)
Beispiel: Mein Vater, im Bürobedarfshandel tätig, erzählte immer wieder von einer Firma namens Velox. Ich erzählte ihm, dass Velox schnell auf lateinisch bedeutet, und sein Gesicht leuchtete: "Jetzt weiß ich auch, warum, der Inhaber der Firma heißt Schnelle."
Es ist sattsam bekannt, dass die englische Sprache zu mehr als 50 % aus lateinischstämmigen Wörtern besteht. Zahllos sind die Vokabeln, die ich allein auf Grund meiner Lateinkenntnisse verstand. In dem Vokabelspiel, das die Seite http://www.freerice.com anbietet, für die ich hier schon mal Werbung machte, kann nur derjenige die höheren Weihen = mehr als 40 Punkte von 50 erlangen, der gerade eben diese Vokabeln auf Grund von Latein- und auch Französischkenntnissen verstehen bzw. ableiten kann.
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| Ich auch.... | | von: ishaa
erstellt: 26.05.2008 00:16:13 |
heißt: Mich haben Sprachen immer schon fasziniert, ähnlich wie bernstein das beschreibt. Französischunterricht war unsäglich an meiner Schule (Lehrerin war nicht in der Lage, sich mit französischer Brieffreundin zu unterhalten, die eine Mitschülerin mitbrachte....), Italienisch, Spanisch gab es nicht. Also Latein... und in der Oberstufe drei Jahre Altgriechisch am Nachmittag... Auch an der Uni konnte ich's nicht lassen, 2 Semester Intensivkurs Niederländisch, einmal Russisch für Hörer aller Fakultäten, einmal das gleiche in Polnisch. Alles nichts Richtiges, aber ungeheuer spannend!
Vor kurzem habe ich mich für den Sohn von Bekannten mal bereit erklärt, zu schauen, ob ich noch Latein kann. Blick in die erste Lektion vom Lehrbuch: Panik, kann überhaupt nichts mehr. Nach wenigen Wochen war ich dem Knaben, der immerhin schon im dritten Jahr Latein lernte, um einiges voraus. Es hat mich absolut fasziniert, was da plötzlich alles wieder in meinem Hirn auftauchte. Und die Sprache hat mich erneut völlig fasziniert. Irgendwann äußerte ich dann enthusiastisch, das wäre doch völlig geil, wie bei einem Computerspiel, hat man den Satz raus, ist man ein Level weiter. Der Lateinlehrling und der anwesende eigene Nachwuchs verdrehten die Augen, meinten: "Ja, schon klar, sehen wir genauso" und man konnte förmlich riechen, wie sie panisch überlegten, wo man anrufen muss, damit die Menschen mit den weißen Kitteln kommen..
Ehrlich, wenn wir überlegen, was man später im Leben in genau dieser Form braucht, dann können wir den halben Stundenplan zusammenstreichen.
Mir würde irgendwie (irgendwie heißt natürlich, ich kann das nicht rational erklären...) was fehlen, wenn ich kein Latein und Altgriechisch gelernt hätte (und das nicht nur, weil man auf dem von bernstein erwähnten "freerice" damit so gut klar kommt...). Damit will ich keineswegs sagen, jeder müsse das nun lernen, aber verteufeln sollte man's auch nicht.
ishaa die sich schon mal überlegt hat, sich den ersten Harry-Potter-Band auf Latein zu kaufen... just for fun and for gehirntraining... |
| Am Anfang steht: | | von: rfalio
erstellt: 26.05.2008 14:32:54 |
"geklaute Lebenszeit".
Das kann man so sehen.
Dann müsste man aber jedes Schulfach, das man später nicht mehr oder nur sehr wenig braucht, unter diesen "Klau" fallen.
Besonders das Studium ( von dem ich bei den Fachwissenschaften höchstens 20% direkt für den Lehrerberuf brauche) wäre dann verschwendete Lebenszeit.
In den Vorbeiträgen kam so ein bisschen der Tenor: "Ich suche krampfhaft eine Begründung".
Das braucht es doch gar nicht!
Lernen lernen, egal in welchem Fach und an welchem Unterrichtsgegenstand, das ist doch ein Wert für sich. Mein Hirn wurde trainiert, ich habe grundsätzliche Lerntechniken gefunden, ich bin fähig, mir neue Sachverhalte anzueignen.
Das habe ich in 9 Jahren Latein und 5 Jahren Altgriechisch gelernt ( und außerdem freuen sich die an und für sich schon gastfreundlichen Griechen unheimlich, wenn der Gast zumindest Griechisch lesen kann).
Ein zweiter Gesichtspunkt: Im Unterricht beschäftigten wir uns ja nicht nur mit dem Erlernen dieser "alten" Sprachen, sondern übersetzten Texte, lernten die kulturellen Leistungen kennen usw. So bekamen wir "nebenbei" so viel von dem mit, auf dem unsere heutige Kultur und Wissenschaft basiert.
Übrigens: Ich habe in beiden Fächern auch "gewürgt", aber trotzdem hat es Spaß gemacht!
rfalio
P.S.: Obwohl ich mich bemüht habe, ohne Fachausdrücke zu schreiben, entdecke ich beim Nachlesen meines Beitrages 6 Wörter, deren Bedeutung ich mir ganz einfach erschließen kann, wenn ich Latein und/oder Griechisch beherrsche |
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