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Forum: "Unaufmerksamkeit"
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| So ein umfangreiches Forum!!! | | von: marylin
erstellt: 19.09.2004 15:04:35 |
Wollte doch nochmal schauen, wie der Stand der Diskussion ist. Dass sich so viele Kollegen hier an der Diskussion beteiligt haben, sollte dir wirklich Mut machen. Ich denke, du findest schon einen Weg, wie du die Kids am besten erreichst! Hört sich doch ganz gut an, wie es zuletzt gelaufen ist. Lass dich einfach nicht irre machen, denn das wird dir immer mal wieder passieren, dass du auf Klassen triffst, wo es dir zunächst schwer fällt, den richtigen Zugang zu finden. Liebe Grüße, marylin |
| cvalda78 | | von: jamjam
erstellt: 20.09.2004 12:26:57 |
nur um missverständnissen vorzubeugen
ich unterrichte in der SekII (ausschliesslich)
am ende von drei jahren steht die Gesellen-Prüfung oder das Zentralabitur. Meine inhaltlichen Vorgaben sind sehr eng gefasst. Es bleibt wenig Zeit. Das leichteste und für mich (kurzfristig) am wenigsten Zeitaufwendigste wäre der Frontalunterricht, der sich auf alles inhaltliche beschränkt.
Aber da stehen mehrere Gründe dagegen, so zu unterrichten:
1. der egoistische: wenn ich nur Frontalunterrichten würde, litte ich schon in einem Jahr am "Burn out Syndrom" oder an Langeweile
2. der bildende: nur Inhalte pauken, dass macht man in der Uni oder beim elearning oder Auswendiglernen zu hause. Dazu braucht man keine ausgebildeten Lehrkräfte. Zur Schule gehört noch mehr, nämlich (dem Alter entsprechende) Erziehung zu einem mündigen, demokratischdenkenden Weltbürger. Das klingt vielleicht pathetisch, aber stellt Euch mal vor, wir hätten nur noch Wissensautomaten: Wer soll denn dann die neuen Ideen liefern? Und wer soll die Tyrannen und Verbrecher zur Verantwortung ziehen? Und wer soll Lehrer/in werden?
Als ich meine Klassen bekommen habe, wollten die Schüler den Frontalunterricht. Sie waren es gewöhnt zu konsumieren, diszipliniert zu werden, Inhalte zu lernen. Sie haben bichts anfangen können mit echter Teamarbeit (was sich von arbeiten als Gruppe meiner Ansicht nach unterscheidet), sie haben weder Verantwortung übernohmen für (freiwillige) Hausaufgaben, noch für Unterrichtsinhalte, die sie aus der SekI hätten mitbringen sollen.
Es hat mich ein Jahr arbeit gekostet, bis sie soweit waren als Team zuarbeiten. Nach Anderthalbjahren machen sie die von mir vorgeschlagenen Hausaufgaben. Davor haben wir den Unterricht mit Hilfe von Karten und Schiedsrichtern gestaltet, Noten diskutiert, Bewertungen durch die Klasse eingeführt etc..
das Problem liegt darin, dass Du die Schüler erst an ihre Freiheit heranführen muss. Das ist wie bei Tieren, die man auswildert. Wenn sie vorher nur gefüttert wurden, muss man ihnen beibringen, wie man selber Futter findet.
Nach fast zwei Jahren sind meine zwei Klassen sehr eigenständig und haben evtl. zu kurzgekommenen Unterrichtsstoff aufgeholt. Ich bin traurig sie jetzt vor ihrem Abitur verlassen zu müssen.
Haben die Schüler diese Selbstständigkeit vorher nie gelernt, so habe ich nur mit einem echten Rosiko zu kämpfen: Was passiert, wenn ich die Klasse nach einem Jahr nicht mehr unterrichte? Antwort: Bis dahin möchte ich sie soweit haben, dass sie selbständig lernen können (und sei es, dass sie den Mut haben einen Klassenkameraden, ich der die neue Lehrkraft um Hilfe zu bitten)
Es gibt noch ein weiteres Risiko: Die Kritik der Kollegen und der Schulleitung (Bei mir äusserte sich die in einer geplanten 3 als Note im Schulgutachten). Dagegen kann man sich aber gut zur Wehr setzen, indem man gestandene Lehrkräfte und Didaktiker zitiert (z.B. Humboldt oder einfach mal das Wort Schule überstetzt: grch. schola: Ruhe, Muße)
Habt Mut, den nur wenn wir was ändern, ändert sich langfristig was in den Köpfen von Vorgesetzten, Kollegen, Politikern, Eltern und Schülern.
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| das, was jamjam | | von: helmesberger
erstellt: 20.09.2004 13:22:45 |
vor mir geschildert hat, habe ich gerade am eigenen Leib erfahren: das Heranführen an die Freiheit. Ich hatte mehrere Aufgabenstellungen zur Verfügung gestellt (schon beim Aufzählen der Aufgaben hörte die Hälfte der Klasse nicht hin) und den Kindern gesagt: findet euch in Gruppen und sucht euch eine der Aufgaben aus. Meine eifrigen Mädchen fanden sich sofort, holten sich bei mir das Bildmaterial ab und begannen mit der Arbeit. Andere entschieden sich für das Nachspielen des Sketches und fingen geräuschvoll an, den Teil des Raumes dafür herzurichten. Sie waren zwar laut, hatten aber tolle Ideen. Andere kamen zu mir und fragten: was soll ich denn jetzt machen? Am schlimmsten fand ich ein paar Truppenteile, die nichts besseres zu tun hatten, als lautstark tobend durch den Klassenraum zu rennen. Ich denke, dass nur etwa 50 % der Kinder wirklich etwas gemacht hatten. Ich bin ziemlich hin- und hergerissen, ob das nun die wahre Erfüllung ist, oder, wie jamjam es auch schilderte, ob diese Situation normal war. Ich weiß gar nicht so richtig, wie ich mich jetzt verhalten soll. Die Kinder, die wirklich gearbeitet haben, waren begeistert. Heute vor der Stunde kamen seit langer Zeit wieder die Kinder zu mir und signalisierten, dass sie sich auf Englisch freuen, da wir ja heute im ersten Teil der Stunde die Dialoge auf Kassette bzw. Videokamera aufnehmen wollten. Aber was mache ich mit der anderen Hälfte. Muss ich es aktzeptieren, dass sie erst mal etwas ganz anderes machen? Manche haben einfach gesessen und gequatscht. Wie bringe ich sie dann dazu, dass sie nicht jede Stunde quatschen können oder, noch schlimmer, laut schreiend durch das Klassenzimmer rennen können? Ich habe Angst, dass sie denken, sie können das ständig bei mir tun und ich bekomme überhaupt keine Arbeitsatmosphäre in die Klasse rein. Sollte ich sie ignorieren oder die Leistung, die sie ja nicht erbracht haben, nächste Stunde bewerten? Das Komische ist ja, dass ich eine ähnliche Situation in der 1. Klasse heute geschaffen habe. Da hatte das super geklappt. Die Kinder haben sich ausgesucht, was sie wollten, sie waren von der Lautstärke her gesittet - das lief einfach gut. Und die sind 1 Jahr jünger. Also kann es doch nicht daran liegen, dass die 2. Klasse überfordert war, weil sie sich selber eine Aufgabe aussuchen sollten.
Gruß Helmesberger. |
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