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Forum: "Benötige dringend praktische Tipps für den Umgang mit einem sog. ADS-Kind"
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| Ich denke, | | von: hops
erstellt: 22.06.2005 15:14:59 |
dass die Diagnostik zum einen und der Umgang zum anderen wichtige zu beachtende Wechselwirkungen darstellen.
Einer meiner Schüler ist kaum in der Lage ohne medikamentöse Unterstützung Lerninhalte zu verinnerlichen. Hier muss man dazusagen, dass 4 von 7 Familienmitgliedern sich mit dieser Situation auseinandersetzen müssen. Mehrfacher Medikamentenwechsel, Rituale müssen erdacht werden, um in medikamentenfreien Phasen sich in häuslichen und anderen Bedingungen zurechtzufinden.
Ich stimme cyrano zu, in dem Punkt, dass unser System von Schule meist kontraindiziert für diese Schüler und Eltern und Lehrer ist.
Doch gerade dann muss jeder Pädagoge in seiner Verantwortung den ihm anvertrauten Schülern gegenüber, mit den Bedingungen auseinandersetzen.
Ich denke, wenn ich die Schüler mit ihren persönlichen Gegebenheiten akzeptiere und annehme, dann finde ich in meinem Unterricht diverse Möglichkeiten um dem entsprechend die Entwicklung der Schüler auf allen Ebenen zu unterstützen.Das schließt einen Austausch mit Kollegen auch anderer Berufsrichtungen definitiv mit ein.
Sicher sollen überzogenen Begrifflichkeiten zum umdenken anregen ( ich gehe mal vom Positiven aus)
doch bringt uns das wirklich weiter? Ich meine nein.
Ich persönlich habe mit Ärzten die nach einmal Patien ansehen Tabletten verschreiben, auch ein Problem. Doch es gibt eben auch die Kinder, denen diese med. Therapie sehr weiterhilft.
Deshalb muss man gerade als Lehrer ganz nah an Ärzten, Eltern und Kindern dran bleiben.
Sicher je mehr die Forschung über den Menschen herausbekommt, je mehr müssen wir uns mit den verschiedensten Krankheiten, Teilleistungsbesonderheiten und wer weiß was sonst noch auseinandersetzen.
Noch vor Jahren waren diagnostizierte MCD, ADS und ähnliche Erscheinungen nur "unerzogene Lümmel" die störten. Das heutige Wissen kann zu einem großen Teil zu einer Verbesserung der Betroffenensituation und Schulsituation beitragen.
Darüber sollten wir und die Finger wund schreiben.
Was und wie kann ich weiter verbessern.
Dann braucht cyrano () uns nicht mehr "aufrütteln" mit Legebatterien und Zwangseinrichtungen.
LG hops
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| inflationäre zunahme der diagnose mit gleichzeitiger medikamentöser behandlung | | von: cyrano
erstellt: 22.06.2005 18:14:25 |
Du sagst es, sopaed. Allmählich wird der Diskurs etwas realitätsnäher, nicht zuletzt, weil genauer. Danke für die Differenzierung, und natürlich auch rhauda und hops und three für die Modifizierung des Lösungsansatzes. Unterm Strich finde auch ich, daß Schüler mit echt neurologischen Beschwerden (die ich auch kennengelernt habe), einfach Schonung benötigen. Die Frage bleibt, wie das im Schul-Betrieb machbar ist. Im Privatunterricht kein Problem: ich mach was ganz anderes, oder wir labern einen Streifen durch, oder ich schick ihn nach Hause, ohne zu liquidieren (nicht den Schüler, die Eltern).
jp |
| Sachkompetenz statt Bauchgefühl | | von: caldeirao
erstellt: 22.06.2005 18:24:09 |
Ich muss Rhauda absolut Recht geben, dass man hier nicht seiner Meinung freier Lauf lassen sollte und irgendwelche Tipps dazu, sondern dass man sich vorher genau informieren sollte. Ich frage mich, warum solche Diskussionen nicht bei Diabetikern oder Bluthochdruckkrankheiten geführt werden? Diese Krankheiten werden auch medikamentös behandelt.
Wie hier schon richtig geschrieben wurde, ist ADS bzw. ADHD eine Stoffwechselkrankheit im Gehirn. Botenstoffe werden nicht so transportiert, wie es sein soll. Um das aber in Gang zu setzen, werden Medikamente z.B. Retalin gegeben. Ich wäre auch nicht glücklich, ich hätte ein Kind, dem ich Medikamente geben muss, die das Gehirn beeinflussen. Aber man kann sich im Leben nicht alles aussuchen.
Richtig ist natürlich auch, dass viele Kinder in die Schublade ADHD gesteckt, die da gar nicht hingehören. Damit gibt man diesen Kindern eine Begründung, sich daneben zu benehmen. Aber wenn diese Retalin bekommen würden, würde genau das Gegenteil passieren.
Richtig ist auch, dass der Unterricht von Vielen/ einigen LuL für bewegungsaktive SuS absolut tötlich ist.
Aber um die geht es hier nicht. Es geht nicht um den Zappelphillipp, der nicht stillsitzen kann. Es geht um ADHD. Also bitte nicht alles vermischen und sich hier so negativ äußern.
Rolf über dein Beispiel mit der 1:1-Situation habe ich mich wieder sehr gefreut. Es zeigt mir doch, was du für ein großartiger Pädagoge warst und wie blöd doch diese Lehrerin war.
Für alle anderen: Jeder Berufsanfänger einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt sozial-emotionale Störung lernt, dass selbst sehr verhaltensschwierige SuS in einer 1:1-Situation brav wie Lämmchen sind und ihre Aufgaben erfüllen. Insofern kannst du sehr stolz auf deine Leistung sein. |
| Zunahme von ADS-Diagnosen | | von: rhauda
erstellt: 22.06.2005 18:42:15 |
Ich stimme zu, dass die Diagnosen inflationär sind. Das liegt aber nur zu einem geringen Teil an falschen Diagnosen, sondern weil ein unheimlicher Diagnosestau herrschte. Früher wurden diese Kinder einfach häufiger unter der Kategorie "unerzogen", "unkontrolliert" abgelegt.
Jetzt, wo das Problem etwas bekannter geworden ist (schlimmerweise gibt es immer noch Lehrer/innen, die durch geradezu himmelscheiende Unwissenheit glänzen), werden viele Kinder diagnostiziert, die schon seit Jahren mit ihren Familien einen schlimmen Leidensweg durchlaufen haben. Bis dieser Berg erst einmal abgearbeitet worden ist, dauert es halt.
Durch meine eigene Betroffenheit und die dadurch intensive Beschäftigung mit dem Thema, habe ich eine größere Wahrnehmungsschärfe für diese Kinder entwickelt. Mein Vorschlag, bei zwei extrem auffälligen Schülern einmal eine gründliche Diagnose in der Richtung zu veranlassen, haben dazu geführt, dass beide jetzt unter ärztlicher Betreuung seit einiger Zeit medikamentös eingestellt sind.
Beide Kinder hatten schon eine völlig verkorkste für sie furchtbare Schulkarriere hinter sich, Schülerakten so dick wie ein Telefonbuch.
Mittlerweile sind sie wenig auffällig, einfach glücklicher, zugänglicher, können zu ihren Gefühlen stehen und sie ausdrücken.
Die Mutter eines der Schüler sagte mir, dass am ADS ihres Sohnes fast die Familie zerbrochen wäre. Jetzt hätten sie (zitat:) "Endlich alle wieder ein Leben."
Dieser Junge war in Klasse 8!!!! Inklusive Kindergarten macht das 10 Jahre Leiden ohne dass einer unserer Superpädagogen auch nur misstrauisch geworden ist.
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