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Forum: "warum ärgert lehrer/in sich über schüler?"
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| Windmühlen | | von: cyrano
erstellt: 25.06.2005 19:11:58 |
Ich merke, dass andere auch andere Wege beim Umgang mit den Schülern, beim Lehren und Bewerten gehen ... und gemeinsam bläst es sich leichter gegen die Windmühlen. (palim)
So sollte es sein, und ist es auch landauf, landab in Klassenzimmern, wo engagierte Lehrer unterwegs sind, die ihre Aufgabe ernstnehmen. Bei anderen, die es sich einfach machen, oder die nicht wissen, wo sie ihren Hebel ansetzen sollen, die nie eine vernünftige Ausbildung genossen oder ihre eigene Birne in Gang gesetzt haben, wird Schaden angerichtet. Bei den Schülern.
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| @ Cyrano | | von: ninniach
erstellt: 26.06.2005 10:46:21 |
Du schreibst:
Klar hast Du die Schuld. Du bist schließlich die Deutschlehrerin. Kriegst Du's nicht auf die Reihe, oder was? Hast Du ein Examen, oder wie? Wer außer Dir soll den Kidz denn wohl Deutsch beibringen? Oh, my God ...
Hast du schon einmal an einer Schule mit einer ähnlichen Situation gearbeitet (Großteil der Schüler, mit überwiegend fremder Herkunftssprache, die in einem Ghetto leben, in dem sie ihr tägliches Leben vom Einkauf bis zum Arzt- oder Anwaltbesuch regeln können, ohne Deutsch zusprechen)? Ich glaube nicht. Hättest du an einer ähnlichen Schule gearbeitet, dann wüsstest du, dass die paar Deutsch-Stunden in der Woche ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Da kann man noch so viel üben und auf die besondere Situation eingehen, alleine erreicht man kaum was bis nichts.
Da muss an ganz anderen Stellen angesetzt werden, eine solche ist das Elternhaus. Meines Erachtens hat nicht nur der Lehrer die Verantwortung, dass seine Schüler die Sprache des Landes, in dem sie leben und arbeiten sollen, erlernen. Diese Verantwortung liegt in den ersten sechs Lebensjahren allein bei den Eltern.
Kommt das Kind in die Schule, liegt sicher auch ein Teil der Verantwortung beim Lehrer, aber nur ein kleiner. Ja, er ist der Deutschlehrer. Aber wofür wurde er ausgebildet? Um deutschsprachigen Kindern eine genauere Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache zu ermöglichen. (Man sieht, die Ausbildung und die Auswahl der Lehrkräfte ist ein weiterer Punkt, an dem man ansetzen kann.) Wenn er dann vor einer Klasse wie der beschriebenen steht, dann ist das eine völlig andere Situation.
Zu allem kommt dann noch, dass diese paar Stunden am Tag, in denen der Schüler sich dann wirklich mit der deutschen Sprache auseinandersetzt, nur ein kleiner Teil des Tages sind. Wichtig wäre, dass die Eltern den Kindern vorleben, dass es hilfreich, günstig und wichtig ist, Deutsch zu lernen und nicht, dass man ohne genauso klar kommt. Die Einstellung der Eltern hat einen weitaus größeren Einfluss, als der Lehrer.
Klar, man kann versuchen, das mit Elternarbeit und Angeboten für die Eltern etwas auszugleichen, aber das funktioniert auch nur bei Eltern, die zur Kooperation bereit sind, sich an Eltern-Kind-Deutschprojekten beteiligen und eben dazu bereit sind, selbst etwas für ihr Kind zu tun. Sperren sich die Eltern, ist man als Lehrer machtlos.
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| @ ninniach: Dummheit der Behörde | | von: cyrano
erstellt: 26.06.2005 12:41:03 geändert: 26.06.2005 15:52:34 |
Auch mir ist bewußt, ninniach, daß die Situation mehr als komplex, und in der Tat kaum zu bewältigen ist, schon gar nicht für den einzelnen Deutschlehrer. Daher würde ich grundsätzlich unterstützen, was du sagst.
Gestört hatte ich mich an dem etwas naiven Résumée weiter oben in diesem Forum, wo es hieß: Sie verstehen meist nicht, dass z.B. einigermaßen gutes Deutsch zu sprechen und schreiben immerhin eine Chance wäre, evtl einen Ausbildungsplatz zu bekommen.. Die Schüler verstehen das sehr wohl, haben aber ein intuitives Verständnis davon, daß die Deutschlehrerin sie nicht in der nötigen Weise fördern kann. Eine einzelne Deutschlehrerin in einer durchmischten Klasse sieht sich tatsächlich einer schier unlösbaren Aufgabe gegenüber. Ihre Klientel setzt sich wahrscheinlich so zusammen:
- Schüler,für die Deutsch die Muttersprache ist,
Schüler,die Deutsch wie eine Fremdsprache neu lernen müssen und die ihre Muttersprache gut beherrschen und
Schüler,die zwar in der mündlichen Alltagskommunikation zurechtkommen,die aber weder in ihrer Muttersprache noch im Deutschen über die
nötigen Kompetenzen verfügen, den sprachlichen Anforderungen des Fachunterrichts zu folgen. So geht es ungefähr 50 %der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund.
Dies hat verheerende Folgen für den schulischen Erfolg,für die Chancen einen Ausbildungsplatz zu erhalten und für ihre Chancen,eine Berufsaubildung erfolgreich zu beenden.
(Beitrag aus der Hamburger Lehrerbildung für den Deutschen Bildungsserver. Genaue Quelle auf Anfrage).
Unerwähnt bleiben in diesem Beitrag grundsätzliche Alfabetisierungsprobleme, so z. B. verschärft bei Migranten, die bereits eine kyrillische Alfabetisierung durchlaufen haben. Bei Teilkompetenzen in beiden Sprachen tun sich zusätzliche Probleme auf, über die man besser gar nicht erst nachdenkt ob ihrer Komplexität.
Eltern der Migranten können grundsätzlich nicht helfen, sie sind - grob gesprochen - ein Störfaktor bei dem Bestreben, zumindest den Nachwuchs sprachlich anzupassen an die neue Umwelt. Denn zu Hause wird selbstverständlich weiterhin die Muttersprache verwendet. So grausam es klingt: die Eltern sind eine separate Aufgabe für die Eingliederung in deutsche Verhältnisse.
Der Deutschlehrer ist also nicht "schuld", das war etwas provokant formuliert. Sein Manko ist meist, daß er nicht als DaF-Lehrer ausgebildet ist, somit hiloflos der Situation gegenübersteht. Dennoch ist er der Eckpfeiler, der Orientierung vermitteln könnnte, Fördermöglichkeiten eruieren, Lockerungen verschaffen für die Qualifizierung (so z. B. Befreiung von der 2. Fremdsprache), Aussetzen der Note möglich machen in Perioden der Basisförderung, Werben um Verständnis bei den Kollegen aus den Fachbereichen, damit dieselben sich vielleicht Testformen überlegen, die nicht so stark sprachlastig sind etc. etc. etc. etc.
Schuld ist die Kultusbürokratie, die alle Schüler über einen Kamm schert. Migrantenkinder - so z. B. aus der GuS - die kein Wort Deutsch sprechen, ganz normal einzuschulen und zu "beschulen" spricht von einer schier grenzenlosen Dummheit auf Seiten der Behörde. Solche Laufbahnen können nur schiefgehen. Trotz allem ist es weiterhin ein Randproblem für die Kultusbürokratie, das nur zaghaft in der Praxis angegangen wird. Man hofft, daß es sich irgendwie von selbst löst. Daß es hier im Forenbereich keine eigene Rubrik hat, zeugt im übrigen von dem geringen Stellenwert dieser verkorksten Sachlage selbst unter Experten.
jp |
| - | | von: ninniach
erstellt: 26.06.2005 21:35:20 geändert: 26.06.2005 21:37:46 |
Gestört hatte ich mich an dem etwas naiven Résumée weiter oben in diesem Forum, wo es hieß: "Sie verstehen meist nicht, dass z.B. einigermaßen gutes Deutsch zu sprechen und schreiben immerhin eine Chance wäre, evtl einen Ausbildungsplatz zu bekommen.." Die Schüler verstehen das sehr wohl, haben aber ein intuitives Verständnis davon, daß die Deutschlehrerin sie nicht in der nötigen Weise fördern kann.
Ich kann dazu leider nur aus meiner Erfahrung mit Grundschulkindern heraus sagen, dass die Schüler das oft wirklich nicht verstehen. Wie sollen sie das auch verstehen, wenn sie tagtäglich vor Augen haben, dass Papa mit seinen paar Brocken Deutsch zurechtkommt und Mama ganz ohne auch zufrieden ist.
Ich würde allerdings nie behaupten, dass die Eltern nur hindern. Das stimmt so nicht, denn es ist zu allgemein. Es gibt immer wieder Eltern, die die Zusammenhänge verstehen und der deutschen Sprache auch im Elternhaus Raum geben. Das bewegt mehr, als es jeder DAF-Lehrer könnte. Denn selbst mit Ausbildung ändert sich nichts daran, dass die Zeit, in der dieser Lehrer fördern kann, zu kurz ist. Und man kann ja auch nicht einfach den Eltern die Kinder wegnehmen, damit sie Deutsch lernen (mal auf die Spitze getrieben).
Was sich für mich bewährt hat, ist Förderung und intensive Elternarbeit, auch in Form von Förderkursen, die die Eltern, speziell die Mütter, mit einbeziehen.
Auch ein lohnenswerter Ansatz ist die Stadtplanung, denn solche Ghettos wachsen ja nicht über Nacht aus dem Boden. ;)
Editiert, weil ich zu doof war, das Zitat als solches kenntlich zu machen. *g* |
| ???????????????? | | von: jamjam
erstellt: 27.06.2005 21:33:30 |
warum reden wir immer über das problem, aber nie über die möglichkeiten es zu beheben.
ja, die sus bringen oft (bei mir für die oberstufe) zu geringe vorbildung mit
ja, die stofffülle ist zu groß, um im unterricht den oberstufen- und den mittelstufenstoff aufzugreifen
ja, die methoden auch eigenständig zuarbeiten müssen den schülern zusätzlich gezeigt werden
ja, der tag hat 24 stunden und auch eine lehrerin muss mal schlafen (privatleben, was ist das?)
aber, wie mache ich trotzdem so guten unterricht mit 30 bis 34 völlig heterogen zusammengesetzten schülern (hauptschüler/berufsfachschule - realschüler - gymnasiast), dass nicht nur alle was lernen können, wenn sie wollen, sondern auch was lernen wollen, wenn sie das fachgymnasium als weg sehen nicht auf der strasse zu stehen, aber eigentlich lieber eine lehre machen würden?
der lösung dieses problems versuche ich mich zu widmen, leider werden auf den weg dahin viele schüler durch (meine) maschen fallen, weil ich diesen spagat im unterricht nicht beherrsche - und mir momentan auch nicht vorstellen kann, wie ich ihn jemals beherrschen soll. |
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