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Forum: "Ratlos - ?gefährlicher? Schüler"
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| Richtig | | von: brigitte62
erstellt: 15.10.2005 22:53:59 |
es kostet weniger und wirkt nachhaltig. Das sehe ich auch so.
Aber: Es dauert auch eine ganze Weile, bis ich eine Wirkung erziele und erst recht eine nachhaltige. Was tue ich so lange, wie schütze ich die anderen? In der Schule meiner Tochter sind wir gerade auch mit dem Thema "Aufgeregtheiten" von pubertierenden sich stark fühlenden Jungs beschäftigt, wenn auch längst nicht so drastisch wie in dem geschilderten Fall. Als Elternteil merke ich, habe ich auch das Problem, dass ich meiner Tochter zwar versuchen kann zu erklären und ihr Verständnis zu wecken. Aber ich möchte ihr gleichzeitig auch vermitteln, dass Gewalt auf gar keinen Fall zulässig ist, dass wir als ihre Eltern das nicht dulden werden, dass wir auch gegen die Schule aktiv werden, wenn diese nicht angemessen tätig wird.
Dann kommt mein Lehrer-Ich: Was ist angemessen? Was kann ich als Lehrer in einem solchen Fall wirklich leisten? Ich denke es ist ganz ganz schwer für uns zu sehen, wo wir uns überfordern, wo wir unter den Bedingungen, die wir nicht ändern können (nachdem wir versucht haben, das, was änderbar ist, zu ändern), vielleicht tatsächlich unseren persönlichen Schlusspunkt setzen müssen, und uns eingestehen, dass wir das jetzt nicht schaffen. Hier geht es natürlich auch um Lehrerpersönlichkeiten, die unterschiedlich sind, es geht aber auch um Mann oder Frau - was bei "aufgeregten" Jungs ein Thema sein kann, es geht darum, welche Bedingungen aufgrund der spezifischen Schulsituation änderbar sind und welche nicht und, und, und. Aber jetzt, finde ich wird es noch einmal interessant: Wenn ich dennoch einen solchen Schüler nicht aufgeben will, was tue ich dann? Wer unterstützt mich dann? Was kann ich als "Sofortmaßnahme" erreichen? Wie kann ich die Situation ad hoc entschärfen? Fragen über Fragen auf die denke ich jeder früher oder später stößt. |
| knifflig | | von: ruedi
erstellt: 15.10.2005 23:16:28 geändert: 15.10.2005 23:18:19 |
ich hab ähnliche erfahrungen im letzten jahr gemacht. jedoch nicht als klassen- sondern als fachlehrer. Ein sechstklässler der sein profilierungsverhalten immer wieder in handfesten argumenten dingfest machte. die größten probleme, gespräche mit dem schüler, elterngespräche, schulleitung auch wenn man so will "inkonsequent", volles programm halt. auch hier, immer wieder taktische reue. und es hat eigentlich überhaupt nicht am bemühen seiner lehrerteams gelegen (ausnahmsweise mal ). Der schüler wurde dann eines tages von den schupos von der schule abgeholt, seitdem ward er nicht mehr in der schule gesehen.
Die Frage die sich für mich stellt ist, wo bleiben die andern 29 Schüler, wenn einer (oder 2 oder 3) die ganze aufmerksamkeit auf sich zieht. da muss es auch grenzen geben. sicherlich sind es oft hilfeschreie, aber was kann und muss ein lehrer leisten? und da geben ich sopaed recht, ab einem gewisesen zeitpukt geht es ohne externe hilfe nicht mehr. das muss ja nicht immer in obigen polarisierenden Konsequenzen enden, aber es kann! dann jedoch hat es sich bereits seit langem dem einflussberiechs der schule entzogen.
ruedi |
| Also, | | von: silberfleck
erstellt: 16.10.2005 11:18:02 |
lieber Rolf ich kenne diverse Personen, die wegen eines Bandscheibenvorfalls in Frührente gegangen sind. Auch hierüber kann man also nur im Einzelfall urteilen.
Hier in RLP gibt es eine Schule für Erziehungshilfe. Von meiner Schule verweisen wir in der Regel aber nicht dorthin, da dort nur die "ganz harten Fälle" hinkommen. Selbst wenn wir der Meinung sind, dass wir einen Schüler bzw. Eltern haben, die dringend Erziehungshilfe bräuchten, ziehen wir "ambulante" Maßnahmen vor.
Natürlich braucht der obengenannte Schüler Hilfe von allen Seiten, ich glaube, dass ihm auch keiner von uns diese verwehren will.
Unser Problem ist aber soch, dass unsere Einflussmöglichkeiten sehr begrenzt sind. Auch wenn wir sein Vertrauen stärken, seine positiven Seiten heraustellen, bleibt das Problem mit seinem Mitschülern. Manchmal ist ein Klassen oder Schulwechsel für solche Kinder ein Segen, denn dort haben sie die Chance neu zu beginnen und alte Verhaltensmuster abzulegen. Denn da stimme ich dir voll und ganz zu, der Schüler leidet mit Sicherheit auch unter der Situation, auch wenn er es nicht zugibt. |
| Manchmal hilft eine Umschulung | | von: caldeirao
erstellt: 16.10.2005 11:35:37 |
Ich glaube kaum, dass dem Jungen Maßnahmen helfen, auf die die meisten SuS reagieren (Gespräche, Verweise, Strafen usw.). Hier muss man einen neuen Ansatz finden, wie auch immer der aussehen mag. Wenn bei euch die Situation verfahren ist und alle miteinander nicht mehr können, dann wäre es für alle Beteiligten besser, man trennt sich. Um es nicht über eine Strafmaßnahme zu machen, wäre eine Umschulung hilfreich. Man müsste eine Schule finden, die mit dem Schüler bereit ist, dass Problem zu lösen also Interventionen, die nicht auf Bestrafung hinauslaufen. Wie ich schon geschrieben habe, favorisiere ich persönlich Elemente der Verhaltensmodifikation die auf Belohnung hinauslaufen. Es ist einfach und auch für Schule praktikabel. Für Interventionen im Bereich der Psychoanalyse oder der Aggressions-Frustrationstheorie braucht man einen langem Atem und viel Kraft und ich habe die Befürchtung, dass ich das auf Dauer nicht durchhalte. Man hat ja meist nicht nur einen Schüler.
Gibt es bei euch Regelschulen, in denen Sonderpädagogen integrativ tätig sind? Das wäre ideal.
Was hier noch nicht als Vorschlag gekommen ist, wende dich an eine sonderpädagogische Beratungsstelle (oder wie auch immer das bei euch heißt). Vielleicht bekommt ihr dann zusätzliche Lehrerstunden, wenn man bei dem Jungen sonderpädagogischen Förderbedarf feststellt.
Du schreibst, dass der Schüler intelligent ist. Habt ihr mal an Hochbegabung gedacht? Unerkannte Hochbegabung korreliert ungewöhnlich oft mit einer Verhaltensstörung. Manche hochbegabte SuS landen sogar an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen, weil sie sich total verweigern.
Du schreibst auch, dass die anderen Geschwisterkinder sich den Jungen als "Vorbild" nehmen. Ich denke, dass die Familie unbedingt einen Familienhelfer benötigt. Manchmal sind es Kleinigkeiten in der Erziehung, die so große Auswirkungen haben. Wenn man die abstellen könnte, wäre vielen geholfen. |
| Ist das schön... | | von: sandra20
erstellt: 16.10.2005 11:50:23 |
... zu sehen, wie euch das Schicksal meiner Schützlinge beschäftigt, noch bevor die Eier wirklich gelegt sind.
Danke, danke, danke für die vielen Tipps, Anregungen, Überlegungen und Mitgefühlsbekundungen. Mein Horizont hat sich sehr erweitert, sodass ich euere Beiträge - in welche Richtung sie auch gehen - bei dem morgigen Gespräch mit dem Schüler im Hinterkopf haben werde.
Ich sollte das Bild des Jungen vielleicht noch ein wenig zurechtrücken:
Er ist 14 Jahre alt. Die 5. Klasse hat er zuerst an der Hauptschule gemacht und ist dann per Probeunterricht zu uns gekommen. Sein Schulakt liest sich wie eine Auflistung aller Vergehen, die ein Schüler überhaupt "begehen" kann.
An dem Punkt, dass der Vater "schwach" ist und der Junge immer "der Starke" sein musste, ist sicher etwas dran. Er hat früh gelernt, eine "Leitposition" einzunehmen. Dazu kommt ein ansprechendes Äußeres und eine Gefolgschaft von "Groupies". Er hat einen "Status" in seiner peergroup erreicht.
Meine Gesprächsangebote nimmt er nicht wahr - oder er belügt mich.
Ich habe auch erst versucht, das Positive zu bestärken. Ganz schnell hatte er auf dem Pausenhof herumerzählt: Und wenn ich was verbocke, dann zieht mich die Frau Schweiger schon wieder aus der Scheiße.
Darufhin hab ich ihn dann angesprochen und gemeint, es sei jetzt viel von mir gekommen. Ich würde wissen, dass er es könne und würde jetzt auf "Lichtblicke" warten.
Darauf meinte er nur: "Ach Frau Schweiger, da können Sie lange warten. Ich schaff es auch ohne sie. Dann mach ich lieber so weiter wie bisher."
Er hat es geschafft, in etwas über vier Wochen 15 Hausaufgaben nicht zu machen, drei Mal am Nachmittag dableiben zu müssen, drei Mitteilungen zu bekommen (1x wegen derben Sprüchen mit sexuellem Hintergrund einer Schülerin gegenüber im Unterricht).
Aufgegeben hab ich ihn nicht, aber ich denke, wenn ihn jetzt niemand zur Vernunft bringt, dann hat er kaum Aussichten im Leben. Da sein Wirken auch in kriminelle Bereiche geht, wird er über Kurz oder Lang mit der Polizei in Kontakt kommen. Die reagiert auf sein kolerisches und unbesonnenes Verhalten nicht so nachsichtig (oder hilflos?), wie die Lehrer in seinen 8 Jahren Schulweg.
Ich halte euch auf dem Laufenden und danke euch noch einmal für die Unterstützung.
LG
Sandra
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| wow | | von: rhauda
erstellt: 16.10.2005 12:17:48 geändert: 16.10.2005 12:22:51 |
Wenn das nicht nach einem Schulverweis schreit, dann weiß ich es nicht.
Mir ist klar, dass viele jetzt wieder das Lied vom "Abschieben der Verantwortung" singen. Man muss das aber auch mal als pädagogische Maßnahme und als Chance für ihn betrachten:
In einer neuen Schule (die ja meist weiter weg liegt als die, die er besucht)kommt er in festgefügte Gruppenbildungen, die sich nicht so leicht auf seine Ällüren einlassen dürften. Sein Ruf ist erst einmal nicht so wichtig, sondern wer er ist und was er ist.
Da die neue Schule wahrscheinlich weiter weg liegt, ist er nicht in der lage, nachmittags bei seinen Klassenkameraden die Sau rauszulassen.
Er bekommt endlich einmal richtige Konsequenzen zu spüren.
Die Kolleginnen und Kollegen in der aufnehmenden Schule wissen, wer zu ihnen kommt und können viel früher einschreiten und dafür sorgen, dass sich alte Verhaltensmusten nicht so schnell wiederholen.
Er ist endich nicht mehr gezwungen, die Rolle zu spielen, die er sich selbst aufgedrückt hat ("Die Geister, die ich rief...")
Für alle anderen Schüler deiner Schule ist das ein eindeutiges Signal, dass solche Verhaltensweisen nicht geduldet werden und dass die Schule in der Lage ist, sie zu schützen.
Last but not least ein Punkt, der leicht vergessen wird: Die Schülerzahlen sinken. Wenn eine Schule den Ruf hat, dass sie bei solchen Schüler nicht in der Lage ist, gegenzuhalten, dann werden sich die Eltern sehr bald nach Alternativen umsehen.
Mein Vorschlag: Klassenkonferenz mit folgenden Maßnahmen:
#Androhung der Versetzung an eine ander Schule gleicher Schulform
# Das Führen eines Verhaltens-/Gefühlstagebuches, dessen Inhalte einmal die Woche mit dem Beratungslehrer oder Klassenlehrer durchgesprochen werden. Diese Termine sind Pflicht.
# Klarmachen, dass die Bewährungsfrist normgerechtes Schülerverhalten verlangt und dass bei der nächsten Situation die KOnferenz den Schulverweis aussprechen wird.
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