Ich hatte mal ein längeres Praktikum absolviert in einer "offenen" Schule. Dort gab es als große Neuerung zwei Freiarbeitsstunden in der Woche. Darauf war ich sehr neurierig, weil das auch als die wichtigste Innovation bei der Umstrukturierung der Schule angepriesen wurde.
Die Praxis war enttäuschend. Kinder, die herkömmlichen Unterricht gewohnt waren, sollten nun plötzlich eigenständig und interessengeleitet arbeiten. Die Vorstellung, wie diese Arbeit auszusehen hat, war ganz eng. Vom Lehrer gab es Druck, Projekte zu beginnen und abzuschließen. Kaum ein Kind schien Lust auf diese Stunden zu haben. Dass die Notwendigkeit entfiel, auf den Lehrer vorne an der Tafel zu starren, wurde eher als Chance gesehen, eine Auszeit zu nehmen vom (Schul-)Lernen.
Mir scheint, dass freies Lernen als "Zuckerl" nur schlecht funktioniert. Es ist nicht leicht, mit dem Pausenklingeln Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Und es ist auch nicht unbedingt angenehm. Das ist eine Illusion, der ich auch immer wieder aufsitze: freies Lernen heißt automatisch Wohlbefinden. Entscheidungen zu treffen, fühlt sich nicht immer gut an. Wenn ich den Kontakt zu meiner inneren Stimme verloren habe und ich in einem offenen Rahmen nichts mit mir anfangen kann, ist das ein unbehagliches Gefühl. Ich kenne das heute noch von mir selbst. Aber da durchzugehen und wieder Zugang zur eigenen Intuition zu finden ... ich glaube, es lohnt sich.