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Forum: "Sind Diktate noch zeitgemäß?"
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| @wabami | | von: clausine
erstellt: 06.01.2006 12:26:32 |
Ist nicht provokativ, dein Beitrag, denn du sprichst genau die Bedenken der Eltern der Erstklässler aus. Wenn Kinder in die Schule kommen, wollen sie, wie Rolf schon sagt, schreiben lernen. Wenn du ihnen das Schreiben von Anfang an verdirbst, indem du ihnen sagst, dass sie alles falsch machen, verhinderst du das Schreibenlernen. Diese Kinder werden nie wieder gerne schreiben. Das Interesse an der Rechtschreibung kommt dann später, mit der gleichen Neugier wie beim Erlernen des Handwerkzeugs, sprich: Buchstaben. Dass nicht alle Kinder dem Ideal entsprechen, am Ende die Rechtschreibung perfekt zu beherrschen, ist doch klar. Gruß von Clausine |
| @wabani | | von: palim
erstellt: 06.01.2006 12:39:49 |
Schreiben lehren und lernen - da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten...
Klar könnte man Schüler nur das schreiben lassen, was man als Wort in der Fibel vorgegeben hat und was sie damit können sollten. Dann beschränkt man sich aber schnell nur auf das Abschreiben.
Wie rolf in seinem kurzen Statement sagt, sollen die Schüler aber nicht das Abschreiben lernen, vielmehr sollte den Schülern Schrift und Schreiben in ihrer Funktion beigebracht werden. Man lernt das Schreiben ja nicht, damit man es anschließend kann, sondern damit man es anwenden kann.
Somit gibt es ab der ersten Klasse Schreibanlässe, z.B. Briefe, Geschichten schreiben, Notizen, Beschriftungen etc., die zeigen, wozu Schrift verwendet wird.
Meine Schüler haben z.B. Briefe an eine Partnerklasse geschrieben und sie freuen sich immer wieder über diesen Austausch und sind stolz über das, was sie schon schaffen. Dabei können sie sich nicht auf einige Wörter, die sie schon aus einem kurzen Lesetext kenne, beschränken, denn sie wollen sich mitteilen und da was sie interessiert. Also schreiben sie über ihre Haustiere, Geschwister, Spiele, Weihnachtsgeschenke...
Schrift und Schreiben umfasst also mehr, als nur bekannte Wörter niederschreiben.
Zudem ist es so, dass die meisten Wörter des Deutschen relativ einfach zu schreiben sind, wenn man gelernt hat, sich das Wort genau vorzusprechen und die einzelnen Buchstaben hört. Sch. üben also immer wieder (beim Schreiben oder als Aufgabe), Wörter in ihre Buchstaben zu zerlegen und die Buchstaben in der richtigen Reihenfolge aufzuschreiben. Damit erfasst man die meisten Wörter und muss nicht jedes Wort einzeln vor dem Schreiben irgendwo gelesen haben.
Die Ausnahmen, die es in der deutschen Sprache gibt, sind es, die Probleme in der RS bereiten. Auch hier gibt es viele Hilfen, so dass man ebenfalls viele Wörter gruppieren kann. Über Rechtschreibstrategien (Verlängern eines Wortes, Bestimmen der Wortart etc.) und Analogiebildung kann man viele Wörter und ihre korrekte Rechtschreibung vermitteln.
Weiterhin kann man an Geschichten oder Sätzen von Erst- oder Zweitklässlern schon sehr deutlich sehen, welche Schüler wirklich Problem in der Rechtschreibung haben oder bekommen werden. Es gibt Kinder, die über das Lesen und Schreiben so viele Wörter und Strategien ohne weitere Hilfe oder Hinweise erlernen und nahezu alle Wörter richtig schreiben, die sich gerne mit Wörtern wie Rhythmus und Xylophon auseinandersetzen und sich auch hier die Schreibweise merken können.
Dann gibt es andere Schüler, die schon bei einfachen Wörtern Buchstaben vergessen oder die Reihenfolge nicht hören können, deren Wahrnehmung nicht genügend ausgebildet oder geschult ist ... und die sehen sich schnell einem Wirrwarr an Wörtern und Buchstaben gegenüber, die scheinbar keine Regelmäßigkeiten haben. Für diese Schüler ist das Erlernen der Rechtschreibung wirklich sehr schwierig. (... trotzdem sollten sie schreiben und Schrift in allen Funktionen nutzen können.) Diese Schüler können am Ende der Grundschulzeit nicht so sicher rechtschreiben, wie es alle Beteiligten wünschen würden.
Ähnliche Probleme gibt es auch in Mathematik, wenn Schüler sich die Zahlen bis 10 nicht vorstellen können und einfachste Aufgaben nur mit Material lösen können.
Darüber, welche Hilfen man den Schülern an die Hand gibt, die Hilfen brauchen, wie man gezielt Wörter übt, ob man lieber Wortbilder einschleift oder erst einmal die Wahrnehmung schult, gibt es viele Bücher, Materialien, ...
Ein Allheilmittel gibt es nicht und es ist wichtig, Schüler in ihren Fähigkeiten wahrzunehmen und anzunehmen.
Palim |
| Entwicklungsprozess | | von: ysnp
erstellt: 06.01.2006 13:07:50 geändert: 06.01.2006 13:15:06 |
Der Aufbau des Schriftspracherwerbs ist nach neuen Theorien ein Entwicklungsprozess, der in verschiedenen Stufen abläuft. Am deutlichsten sieht man es, wenn man einen Erstklässler, Zweitklässler, Drittklässler und Viertklässler denselben Text schreiben lässt, was die Bedenken, sich ein Wort falsch einzuprägen, zerstreuen sollte. Allerdings erfordert dies ein konsequentes Arbeiten an dem Aufbau von Rechtschreibstrategien. Ich fände es gut, wenn in allen Schularten ab der 5. Klasse an der Rechtschreibung weitergearbeitet würde, da doch schwierige Wörter dazukommen.
P.S. Ich sehe gerade, dass sich mein Eintrag mit dem von three teilweise überschneidet. War wohl zeitgleich! |
| Diktate ja, aber ohne Notendruck | | von: keinelehrerin
erstellt: 06.01.2006 13:37:50 |
Man bremst die Kinder mit Problemen total aus!
Und von dieser Meinung bringt mich niemand ab!
Solch einen armen Wurm habe ich nämlich zu Hause!
Wenn unsere Tochter "schreiben" darf, wie sie will, sprudeln die Aufsätze nur so aus ihr heraus. Schreiben in diesem Sinne heißt, sie diktiert und ich schreibe.
Durch jahrelanges Fehleranstreichen mit roter Tinte hat sie überhaupt kein Vertrauen mehr in sich. Sie ist schlecht in Rechtschreibung, sie hat eine verminderte Ordnungsschwelle, aber nur im Bereich Deutsch.
Wenn sie selber schreiben muss, hat sie eine solche Vertuschungstaktik drauf, dass sie nur Wörter schreibt, von denen sie sicher ist, sie fehlerfrei zu beherrschen. Also steht dann zehnmal "gehen" und "sagen". Obwohl sie weiß, dass "hüpfen", "schleichen", "rennen", "flüstern", "schreien" usw. den Aufsatz lebhafter gestalten.
Aus reiner Furcht vermeidet sie das!
Was natürlich zur Folge hat, dass der Ausdruck des Aufsatz leidet und sie demzufolge auch keine gute Note bekommt.
Der Frage vorzubeugen, Nein, unsere Tochter hat keinen Förderunterricht bekommen, aus Gründen, die mir nicht so ganz nachvollziehbar sind.
Die GS fand ihr Problem ...... (das gehört jetzt nicht in dieses Forum).
Ich bin nicht dagegen, dass die Kinder richtig schreiben lernen, und man sollte sie auch auf die Fehler hinweisen und versuchen Strategien zur Vermeidung für jedes Kind zu finden. Aber stupides dreimaliges Abschreiben des falschen Wortes - wohlmöglich noch in einer konjugierten Form - finde ich nicht als das Ei des Kolumbus.
Das ist meine Meiung als gebeutelte Mutti. |
| Umgang mit Fehlern und freies Schreiben | | von: ysnp
erstellt: 06.01.2006 18:20:04 geändert: 06.01.2006 18:39:45 |
@ keinelehrerin:
ich kann mir nicht vorstellen, dass deiner Tochter die Rechtschreibung nach der neuen Methode beigebracht worden ist. Die individuelle Förderung in der Grundschule setzt gerade dort an, wo du sie vermisst.
Zitat aus dem neuen bayerischen Grundschullehrplan: "Umwege und Fehler bei Lösungsversuchen können wichtige Zwischenschritte im Lernprozess sein. Um Schüler nicht zu entmutigen, dürfen Fehler und Leistungsmängel nicht nur aufgezeigt werden. Der Umgang mit Fehlern erfordert es, soweit möglich die jeweilige Ursache zu ermitteln und gezielt individuelle Fördermaßnahmen zu ergreifen."
Ich denke, dass dies auch so ähnlich in anderen Bundesländern gefordert wird.
Ich benutze den Rotstift nicht nur, um auf Fehler aufmerksam zumachen, sondern spreche auch Lob damit aus. Ich habe festgestellt, dass es öfters ein Problem der Eltern ist, die immer die rote/grüne Tinte als pädagogischer Zeigefinger missverstehen und das so ihren Kindern übermitteln.
Ich sage den Schülern immer wieder: Aus Fehlern kann man nur lernen.
@wabami:
Meine Erfahrung in der 3./4. Jahrgangsstufe: Durch das freie Schreiben im 1.und 2. Schuljahr können jetzt die 3.Klässler viel besser mit Aufsätzen umgehen. Nach dem früheren System hatten einige Schüler oft Probleme, bei gebundenen Aufsatzformen überhaupt etwas zu Papier zu bringen. Jetzt besteht meine Arbeit eher darin, dass sie lernen, Aufsatzregeln einzuhalten. Die Schüler sind also, was das Schreiben von Geschichten angeht, einen Schritt weiter. Auch ist es bei Fächern wie HSU jetzt möglich, mehr von Anfang an textorientiert zu arbeiten, da die Schüler eben von der 1. und 2. Klasse gewöhnt sind, eigene Gedanken zu Papier zu bringen. |
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