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Forum: "inklusion"
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| hm | | von: palim
erstellt: 25.10.2012 18:55:29 geändert: 25.10.2012 22:25:46 |
Veränderte Kinder, stimmt.
Aber die, die unter "verändert" fallen,
fallen ja gar nicht unbedingt in die sonderpädagogischen Kategorien.
In Niedersachsen ist z.B. auch die Rede davon, dass die Sprachheilklassen aufgelöst werden.
Dahin gehen Kinder, die ein logopädisches Problem haben, so stark, dass sie (bisher) am Regelunterricht nicht teilnehmen konnten.
Die Kinder bekamen (bisher) in 1-3 Jahren neben dem Unterricht zusätzliche sprachliche Förderung von ausgebildeten LehrerInnen. Manche bekamen ein Jahr länger Zeit - ähnlich der Eingangsstufe.
Viele von ihnen (70%) konnten anschließend in die Regelschule gehen und dort ohne weitere Förderung, teilweise auch ohne Auffälligkeiten beschult werden.
Nun sollen sie an die nomalen Grundschulen.
Hier bekommen sie keine spezielle Förderung.
Die Förderschullehrerin, die für die Schule zuständig ist, hat vielleicht auch keinen sprachlichen Schwerpunkt (so wie unsere keinen für Mathematik hat und seit Jahren bei uns fragt, was sie machen könnte )
Das steht stellvertretend für viele einzelne Förderbereiche, denen sich in Zukunft die Lehrkräfte aller Schulen stellen müssen.
Ohne weitere Hilfe.
Natürlich bin ich in der Lage, mich zu informieren.
Vielleicht ist meine Schule in der Lage, einzelne Materialien zusätzlich anzuschaffen,
dass der Etat aufgestockt würde, war bisher nicht im Gespräch.
Ganz sicher werden wir keine Räume haben und es müsste alles im auch sehr beengten Klassenraum geschehen. (da frage ich mich, warum es Richtwerte für Hühnerställe gibt, die begutachtet werden... aber in Schulen nicht)
Es gibt doch viele Schulen, in denen unter bisherigen Umständen auch offene Formen etc. nicht möglich sind. Schon in der Ausbildung haben wir mal mit einer Klasse Unterricht auf dem Flur gesehen, weil der Referendar etwas Tolles zeigen sollte, was im Klassenraum nicht passte.
Und genau das regt mich auf, wenn ich sage:
Ich wüsste, was zu tun wäre, aber mir fehlen die Mittel.
Ich sehe mich nicht in der Lage, meinen Unterricht so umzustellen, das ich vielfachen einzelnen Fördernotwendigkeiten in dem Maße gerecht werden kann, wie es für die Kinder gut wäre.
Man könnte seine Ansprüche herunterschrauben. Stimmt.
Aber ist das der richtige Ansatz?
Netzwerke müssen zwischen Institutionen entstehen.
Das wäre auch sinnvoll.
Aber es ist regional so unterschiedlich und wieder fängt jede Schule alleine an zu suchen, Listen und Konzepte zu schreiben etc.
Warum gibt es nicht den Ansatz, dass man in jeder Region Arbeitskreise bildet, in denen alle notwendigen Institutionen zusammen und gemeinsam erarbeiten, wer wann für was zuständig ist,
wo die Anträge hinlaufen,
warum Gutachten aus anderen Bundesländern eingereicht werden müssen,
wer was wann wie wo und warum entscheidet,
damit das gesamte System für alle transparent ist?
Warum kann es nicht endlich mal eine Richtschnur, eine Vorgabe mit Sinn und Verstand geben, an der EINER gearbeitet hat, statt HUNDERTE von Schulen und LehrerInnen die gesamte Arbeit aufzubürden?
NEBENBEI
Denn die zu inkludierenden Kinder sind dann ja schon in den Schulen angekommen.
Lehrerarbeitszeit sollte so kostbar angesehen werden, dass sie genau dafür viel zu kostbar ist, um sie so zu vergeuden!
Und dazu kommt, dass durch Behörden und Gutachten die Hürden immer höher werden, weil die finanziellen Mittel vermutlich gar nicht da sind und die Schulträger oder Träger für Integrationshelfer sich dem Ansturm erwehren wollen.
Dann bemüht man sich, man sucht Hilfe, schreibt Gutachten, beantragt Integrationshelfer o.a. Hilfen... und am Ende wird dann irgend etwas nicht anerkannt.
Dann hat man viel Zeit und Mühe in etwas gesteckt, dass einem nichts nutzt,
dem Kind ist nicht geholfen
und der Unterricht in der Wartezeit und auch danach soll trotzdem laufen.
Lehrerarbeitszeit sollte so kostbar angesehen werden, dass sie genau dafür viel zu kostbar ist, um sie so zu vergeuden!
Und ich behaupte inzwischen:
Weil das Ministerium genau weiß, dass das gar nicht gehen kann, wird in der Fortbildung zur Inklusion, die flächendeckend in Niedersachsen läuft (aber nicht für alle Lehrkräfte ausreicht) nicht vermittelt,
mit welchen Methoden und Fördermitteln man einzelnen SchülerInnen helfen kann (es war ein Witz, was da empfohlen wurde, Materialien, die man als Grundschullehrerin längst kennt oder Materialien, die nur in täglicher 1:1 Betreuung umgesetzt werden können).
Statt dessen wird tagelang über Classroom-Management, Regelsystem, Sitzordnungen u.a. gesprochen.
Dann kann man die SchülerInnen, die in diesem System nicht zurecht kommen können, wenigstens in Schach halten. Oder wie ist das gemeint?
Inklusion ist ein Bus.
Er fährt viel zu schnell.
Auf der Straße sieht man schon die Wand, gegen die er gleich fahren wird.
Und ich bin hin und her gerissen, wie man das Steuer herumreißt,
die Straße schnell anders verlaufen lässt
oder ob man aus dem fahrenden Bus springt.
Aber ich will nicht springen, so lange meine KollegInnen und die Kinder mit im Bus sitzen.
Wo sitzen die Politiker, die Minister und die Ministerialbeamten?
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| verdeutlichung und abgrenzung | | von: sonpaed
erstellt: 27.10.2012 10:40:55 geändert: 27.10.2012 10:42:19 |
vorab: es freut mich, dass hier mittlerweile die inklusion im sinne einer
gesellschaftspolitischen aufgabe diskutiert wird. sie geht nämlich weit über
den bildungsbereich hinaus, wenn sie gleichwohl derzeit hauptsächlich in
diesem feld verortet wird...
ich komme jetzt aber noch einmal auf den schulbereich zurück, und hier auf
den gegenentwurf. der drückt sich als "exklusives" system aus. bestimmte
gruppen von kindern werden als "teilnahmeberechtigt" anerkannt, andere
hingegen müssen in diesem modell draußen bleiben. da stellt sich doch
unmittelbar die frage, WER nach WELCHEN KRITERIEN WANN BESTIMMT,
welche kinder exklusive bildung bekommen und welche kinder nicht. oder auf
die schulpraxis herunter gebrochen: wie groß muss der kreis an pädagogen
sein, und welche fragen muss er eindeutig beantworten, damit ein kind aus
einer klasse /einer schule ausgesondert werden darf? an dieser stelle darf
nunmehr die heutige praxis betrachtet werden. ich bin schon gespannt, mit
welchen argumenten die "objektivität" von ao-sf gutachten begründet wird.
also liebe inklusionsskeptiker: liefert jetzt an dieser stelle doch mal
argumente für die dringende notwendigkeit eines exklusiven unterrichts.
benennt bitte eindeutig die gruppe der kinder, welche von euch als
unterrichtenswert befunden werden. und benennt bitte eindeutige kriterien,
welche euch zu der auswahl veranlasst haben.
mfg
sopaed |
| Ich wundere mich | | von: ishaa
erstellt: 27.10.2012 11:30:33 |
ja doch, dass ausgerechnet ein Förderpädagoge die ganze Zeit von "Aussondern" redet. Beim Blick auf jedes Kind versuche ich doch herauszufinden, wo dieses Kind das bekommen kann, was es braucht. Ein AO-SF-Verfahren bedeutet (zumindest derzeit in NRW) doch noch gar nichts. In meinem Wirkungskreis jedenfalls geht ein Kind erst dann auf die Förderschule, wenn es dort zur Probe war, wenn Eltern und Kind gemerkt haben, dass es allen Beteiligten dort besser geht, dass es endlich Fortschritte gibt.
Für mich hat das ganze Thema Inklusion zwei Seiten. Die eine ist die theoretische, wie es gelingen kann, welche Voraussetzungen man bräuchte etc. Die diskutiere ich hier mit euch. Aber daneben habe ich ja tagtäglich Kinder in der Schule, die jetzt und unter den hier und heute gegebenen Umständen dort sitzen und für die es heute und nächstes Schuljahr weiter gehen muss. Und da gucke ich vor Ort, was es für Möglichkeiten gibt, wie dieses Kind einen Schulabschluss bekommen könnte, wie und wo es am besten gefördert werden kann. Und da ist manchmal die Förderschule (nein, nicht der große Topf, in den ich "entsorgen" kann, sondern next door, mit mir bekannten KollegInnen, mit denen ich im Austausch stehe) der beste Ort, den ich jetzt für dieses Kind finden kann.
Nun ja, man könnte dann sagen, ich sortiere aus, ich unterstütze das exklusive System, ich strenge mich nicht genug an, ich habe die falsche Einstellung...
Ich möchte einfach nicht, dass irgendein Schüler auf der Strecke bleibt. Und meine derzeitigen Schüler können nicht darauf warten, dass die Bedingungen sich ändern. |
| keine Gutachten - keine Förderung | | von: palim
erstellt: 27.10.2012 11:41:58 geändert: 27.10.2012 11:45:11 |
Die Idee mit dem Gegenentwurf gefällt mir ... und der Gegenentwurf an sich eigentlich nicht.
Dennoch gibt es auch da ein ABER:
Was ändert sich denn?
Die Kinder, die jetzt förderbedürftig sind, werden es im inklusiven System auch sein.
Die Fördergutachten werden von den selben Menschen erstellt.
Die Richtlinein werden vom gleichen Ministerium herausgegeben.
Nur:
Die Förderung wird nicht mehr erfolgen.
Die Zuteilung von Förderung wird weiterhin über Anträge laufen. Das ist bisher so und wird in Zukunft so sein. Allerdings sind die Grundlagen für Anträge und positiven Bescheid nicht klar.
Der Gegenentwurf dazu ist:
- Schulen sind optimal ausgestattet, so dass man sich um alle Kinder kümmern kann und keine zusätzlichen Mittel und Personen zur Förderung beantragen muss.
- Schulen werden gar nicht zusätzlich ausgestattet und man bezeichnet das dann als "gleiche Bedingungen für alle" und "gelungene Inklusion".
Und bevor einer schreibt, das entspräche nicht der derzeitigen Realität: Ein Mitarbeiter der Landsschulbehörde in meiner Region ist der Meinung, dass man Kinder, die schon vor der Schule Frühförderung in umfangreichem Maße bekommen, ohne weitere Förderung in die Grundschule einschulen soll. Erst nach Verlauf des ersten Jahres soll über eine Förderung (klar Gutachten) nachgedacht werden. Früheste zusätzliche Förderung ist damit erst nach 2 Jahren Schule möglich.
Inklusion bedeutet doch nicht,
dass man alle Kinder in ein Haus steckt,
sondern dass man allen die Teilhabe am Leben ermöglicht.
Es soll doch nicht so sein, dass man ihnen die Förderung verweigert, mit der sie bisher erlernen konnten, am Leben teilzunehmen.
Vielleicht braucht es Eltern, die die inklusive Schule, wie sie zur Zeit in etlichen Bundesländern geplant ist oder umgesetzt wird, für ihr Kind als "menschenunwürdige Aufbewahrung" anklagen und damit bis zum Europäischen Gerichtshof gehen, damit Standards gesetzt werden.
Palim |
| Ärgernis | | von: missmarpel93
erstellt: 28.10.2012 12:41:29 |
Was mich besonders verärgert ist, dass die UN-Forderung, dass kein Kind von allgemeiner Bildung ausgeschlossen werden darf, bei uns mit "kein Kind darf aus allgemeinbildenden Schulen ausgeschlossen werden" übersetzt wird.
Ich vermute dahinter eine politische zielsetzung, die aber wenig bis nichts mit dem Inklusions-Gedanken gemein hat.
Vor dem Hintergrund des Demographiewandels (Überalterung der Gesellschaft) kommt es zu gewaltigen Verwerfungen in der Gesellschaft. Die Jüngeren zieht es überwiegend in urbane Ballungsräume, die Alten haben ihr Geld in den 60ern und 70ern in "Betongold" außerhalb dieser Ballungsräume investiert und hoffen auf die versprochene Rendite. Da die Häuser nur mit Verlusten zu verkaufen sind, bleibt den Alten nichts anderes übrig als die "mietfreie" Wohnung zu nutzen.
Für die Politik wird es immer schwieriger die Infrastruktur - auch Schulen - in den Großgemeinden (aus den 70ern) im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten. Die politisch Verantwortlichen haben keine Konzepte, um ganze regionen zu schrumpfen, wozu auch die Schließung von Schulstandorten gehört. Um in jedem Gemeindeteil einen Grundschulstandort zuerhalten werden wieder Zwergschulen eingefordert, die aber nur mit jahrgangsübergreifenden Konzepten betrieben werden können. da die Anzahl der sus aber auch in absehbarer zeit sindken wird, bleibt nur die Zusammenführung aller Kinder eines Jahrganges. Und dieses "Konzept" wird als inklusion unter die leute gebracht.
Die Schaffung von Sekundarschulen (oder wie auch immer sie genmannt werden) dient doch dem selben Zweck. Um nicht "unrentable" Schulstandorte gegen den Willen der erziehungsberechtigten Wähler schließen zu müssen, wird Versucht eine dem Landesschulgesetz entsprechende Mindestzahl zur Klassenbildung von Kindern unter einem Dach zu vereinigen.
Folglich wird uns der fehlende politische Mut zur Umstrukturierung als "längeres gemeinsames Lernen" und Inklusion verkauft. Aus meiner Sicht handelt es sich um reines "blending", das dazu dient, die wahren Interessen zu kaschieren. Das Ziel ist letztendlich immer die Haushaltkonsolidierung; und weniger Lehrer bedeutet geringere Kosten. Dauerhaft besteht nämlich überhaupt kein Interesse die Schüler-Lehrer-Relation drastisch zu verändern. Der derzeitige Wert von 1:16 ist doch bereits eine Farce bzw. politische Augenwischerei. |
| Fortbildung an Uni | | von: gymno
erstellt: 28.10.2012 14:13:04 |
Vor kurzem beschuhte ich eine Veranstaltung an der Uni (Bayern), bei der zum Thema "inklusion" Vorträge und Workshops stattfanden.
Interessant gestalteten sich die workshops. Ich unterrichte an einer Realschule und besuchte daher das Pilotprojekt einer bayr. Realschule. Interessant fand ich, dass dort "4"!! ausgebildete Pädagogen in einer Klasse mit 18 Schülern unterrichteten, davon waren 8 sog. Inklusions-Kinder. Diese Klasse besaß außerdem 2 Klassenzimmer und einen Rückzugsraum.
Die Lehrer: 1 Realschullehrer - 1 Förderlehrer - 1 Sozialpädagoge - 1 pädagog. Erziehungsberatungslehrkraft.
Dieses Projekt lief in der 5. + 6. Klasse der Realschule.
Meine Frage: Soll diese Form angestrebt werden, was in der Pilotklasse wirklich gut lief, aber nur mit 3 weiteren permanent anwesenden Lehrkräften?
In der 7. Klasse lief das Projekt bereits aus dem Rahmen, denn hier waren die Inklusionskinder "überfordert". Der Beginn der Wahlpflichtfächergruppe und die vielen neuen Fächer bedeuteten für diese Kinder Stress - so die Lehrkräfte. Die Kinder bekamen keine Noten, keine Beurteilung in irgendeiner Form, sondern waren lediglich in der Klasse dabei und sie bekamen Aufgaben, die dem Anspruch bei weitem nicht entsprachen. Ein Abschluss sei auch nicht angestrebt.(!)
Bei der anschließenden Diskussion meinten die Lehrkräfte:
1)Für ein solches Projekt braucht man junge Lehrkräfte (sie können sich hier profilieren??)
2) Einem solchen Projekt müssen die Eltern zustimmen, denn 10 Kinder sollen in eine Inklusionsklasse integriert sein
3) Dies funktioniere nur, wenn eine Förderlehrkraft aus der Förderschule abgezogen und an die RS geht. Diese LK fehle dann an der Förderschule. (Kann eine FS dies verkraften?)
4) Zwei weitere pädagog. Fachkräfte müssen für diese Klasse rekrutiert werden.
Sie waren generell der Meinung, dass auch nicht alle behinderten Kinder für eine Inklusionsklasse geeignet seien, sondern dass manche viel mehr individuelle Förderung benötigen.
Meine Bitte: Nicht alles schönreden, nur weil es neu ist.
Das Für- und Wider solcher Klassen wirklich realisitisch sehen und auch konrekt den Endpunkt einer Kooperation deutlich ansprechen.
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Beitrag (nur Mitglieder) |
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