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Forum: "Kopfnotenunsinn"
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| Ich finde Sozialerziehung ausgesprochen wichtig!!! | | von: joqui
erstellt: 30.12.2007 12:28:57 geändert: 30.12.2007 12:36:46 |
Einerseits, wie flabber so treffend beschrieben hat, ist ohne Sozialerziehung kein Unterricht möglich. Aber Sozialerziehung "mache" ja nicht nur ich - in der Gruppe passiert ja auch ganz viel (Gott sei Dank).
Aber muss ich die Sozialerziehung denn dann schon wieder bewerten und in Schemata pressen?
Was ist mit einem Schüler, der sich oft total daneben benimmt, aber dann mal einen guten Tag hat oder sich positiv entwickelt?
Die Beurteilung des Sozialverhaltens kann doch immer nur eine Momentaufnahme (von der Zeit kurz vor den Zeugnissen) sein. -> Das merke ich immer, wenn ich gerade im Zeugnisschreibstress bin, dann habe ich das Gefühl, die Schüler nur noch durch eine Beurteilungsbrille zu sehen. Sie werden in Schubladen gesteckt und wieder rausgeholt, umsortiert und kategorisiert.
@ysnp: wie du richtig bemerkst, kann keiner die durchgehende schriftliche Fixierung seiner Beobachtungen durchhalten. Wenn Schulratsbesuche anstehen, wird "nachgeschrieben" oder auch nicht.
Jetzt sollen wir ja auch noch Gruppenarbeiten individuell (ein Widerspruch in sich) bewerten. In Übertrittsklassen stelle ich mir das bei schwierigen Eltern wirklich "spannend" vor. (ich weiß wovon ich rede...).
Der Bayerische Kultusminister Schneider hat bei seiner Amtseinführung "versprochen", etwas an den Grundschul-Zeugnissen zu ändern - bis jetzt ist in diese Richtung leider nichts passiert...
@cyrano: Stimmt, ich habe relativ wenig Einfluss auf die Sozialerziehung der Kinder - ich habe sie ja "nur" am Vormittag. Wenn die Eltern nicht mithelfen bewegt sich da gar nichts. Warum soll ich mich wundern, wenn ein Kind, das zu Hause nie mithelfen muss in der Schule auch nicht mithilft? Ändert daran meine Zeugniseinschätzung etwas? Nein!
Wobei bei uns in Bayern in den weiterführenden Schulen Sozial- und Arbeitsverhalten noch nicht bewertet werden.
Wie ist das bei Euch bei Abschlusszeugnissen? Da darf doch eigentlich nichts negatives drinstehen..., oder?
joqui |
| ach, cyrano | | von: palim
erstellt: 31.12.2007 16:29:50 |
Ohne auf die Kriterien aus NRW eingehen zu wollen (die muss ich erst einmal lesen), finde ich, dass der Beruf des Lehrers nicht allein auf das Unterrichten zu reduzieren ist.
Deutlicher: es hat einen Lehrer nicht zu interessieren, welches Sozialverhalten ein Schüler an den Tag legt.
Nicht?
Ich soll weggucken, wenn ein Schüler den anderen quält, mobbt, schlägt, sich über ihn lustig macht, provoziert, Streit anfängt?
Ich soll vorbeigehen, wenn ein Schüler mit einem Edding die Wände beschmiert, auf dem Flur die Wände empor springt, Gegenstände durch die Klasse wirft?
Ich soll weghören, wenn Schüler sich wegen unsauberer Toiletten, unfairem Verhalten oder Streitereien in der Pause an mich wendet?
Wer etwas anderes behauptet, leidet an Größenwahn.
Da leide ich gerne noch eine hoffentlich lange Weile an Größenwahn,
erkläre meinen Schülern, dass man im Theater leise sein kann (sie waren neulich empört, weil ein Schüler einer anderen Schule die Vorstellung durch sein Geschrei störte),
schlichte die Streitereien
und bemühe mich, den Schülern Mitverantwortung, Fairness und guten Umgang beizubringen,
selbst wenn es ganz schön nervt, in Zeiten rund um Martini (die Süßigkeiten winken) und Weihnachten fast nach jeder Pause etwas klären zu müssen und dafür so viel schöne Unterrichtszeit zu verbrauchen.
Über die Hauptaufgabe der Lehrkräfte ließe sich dann noch ein wenig philosophieren...
... wenn ich durch die Schulbehörde so viele Aufgaben zugeschoben bekomme, dass gerade mal 20% meiner Zeit und Anstrengung noch in den Unterricht gehen kann, ist dann das Unterrichten noch die Hauptaufgabe?
Ach, cyrano, soll ich dir jetzt ein wenig mehr Idealismus oder lieber mehr Größenwahn wünschen?
Palim |
| GröLaZ? | | von: cyrano
erstellt: 31.12.2007 18:08:52 geändert: 31.12.2007 18:13:10 |
Wie sie richtig bemerken, ist Ihre Hauptaufgabe das Unterrichten. Die permanente Beobachtung von Schülern hinsichtlich ihres Sozialverhaltens hat etwas von Spitzeltum. Deutlicher: es hat einen Lehrer nicht zu interessieren, welches Sozialverhalten ein Schüler an den Tag legt. WArum? Weil er ohnehin keinen Einfluß hat auf die Erziehung seiner Zöglinge, oder höchstens einen sehr randläufigen. Wer etwas anderes behauptet, leidet an Größenwahn.
(früherer Beitrag cyrano)
Ohne auf die Kriterien aus NRW eingehen zu wollen (die muss ich erst einmal lesen)
Hausaufgaben nicht gemacht, wie? An sich kann ich hier gleich aufhören. Dann holt mal Eure Hefte raus, und schreibt alle 100mal „Ich muß die Diskussionsgrundlage kennen.“
finde ich, dass der Beruf des Lehrers nicht allein auf das Unterrichten zu reduzieren ist.
Klar, es gibt außerdem Unterrichtsplanung und -nachbereitung, Konzeption von Tests und Klassenarbeiten, Korrekturen, Elterngespräche, Elternabende, Konferenzen, Pausenaufsichten, Fahrten zur Schule und zurück, Hausaufgaben aufgeben und kontrollieren, Verwaltungsarbeiten, Disziplinarmaßnahmen, Klassenlehrerstunden, Klassenfahrten, Große Ferien ... hab ich was vergessen?
Ich soll weggucken, wenn ein Schüler den anderen quält, mobbt, schlägt, sich über ihn lustig macht, provoziert, Streit anfängt... (etc., etc)?
Nein, sie sollten nur vermeiden, dieses Verhalten in einer Note festzuhalten.
In Niedersachsen – wo Sie anscheinend beheimatet sind - ist man übrigens etwas zurückhaltender in der Ausformulierung der Kopfnoten: http://philologen-bs.de/Aktuell/aktuell.html
Ich lese da 11 stichwortartig formulierte Bereiche, die im Groben denen in NRW ähneln. Noten werden grundsätzlich nicht ziffernmäßig ausgedrückt. Soviel zu Ihrer Information.
Da leide ich gerne noch eine hoffentlich lange Weile an Größenwahn,[...]und bemühe mich, den Schülern Mitverantwortung, Fairness und guten Umgang beizubringen (etc., etc.)
Das ist ja in Ordnung. Für Sozialverhalten und Verantwortungsgefühl gebe ich Ihnen eine „2+“.
Gemeint war meinerseits, daß ein Lehrer weder die Befähigung noch das Recht hat, den Charakter und das Verhalten eines anderen Menschen zu werten, zu gewichten oder gar zu benoten.
... wenn ich durch die Schulbehörde so viele Aufgaben zugeschoben bekomme, dass gerade mal 20% meiner Zeit und Anstrengung noch in den Unterricht gehen kann, ist dann das Unterrichten noch die Hauptaufgabe?
Gut erkannt, und schon wieder eine „2“, diesmal für kognitive Leistung. Wenn Sie die Schüler so gründlich observieren, wie das in NRW angepeilt ist, bleibt von Ihrer Unterrichtszeit sicher kaum noch was übrig. Aber Gott sei Dank wohnen Sie ja in Leer.
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| Gruß aus Niedersachsen | | von: palim
erstellt: 02.01.2008 12:54:19 geändert: 02.01.2008 12:56:55 |
Stimmt, ich wohne in Leer. Und das schon seit längerem, so dass ich mich aktiv und mehrfach im Jahr im Zeugnis zum Arbeits- und Sozialverhalten meiner Schüler ausdrücken darf.
Nun ist das so, dass es tatsächlich Hinweise dazu gibt, welche Bereiche zu beachten sind, in den Zeugnisformularen des KuMi, die in den PC-Programmen übernommen werden, ist aber für so viele Aspekte gar kein Platz.
Zudem wird seitens des KuMi kein Wert auf dezidierte ausformulierte Rückmeldung gelegt. Allein eine von 5 Standardformulierungen muss im Zeugnis auftauchen. Nun spricht man hierbei nicht von "Noten" respektive Ziffernoten, sondern von Formulierung A-E. Wer informiert ist, weiß, dass in anderen Ländern Noten auch als Buchstaben vergeben werden und eine Klassifizierung in 5 Abstufungen sehe ich persönlich als Note an.
Die Beschränkung führt nun dazu, dass man keine weiteren Hinweise geben muss und die Hinweise zur Ergebnisfindung in den Hinterköpfen verschwinden oder aber zu Beginn des Schuljahres oder auf Nachfrage den Eltern vorgelegt werden.
Was aber ist denn erreicht, wenn im Zeugnis "Das Arbeitsverhalten entspricht den Erwartungen." steht?
Und wie ist es mit den Konferenzen, in denen über die Laufbahnempfehlung gesprochen bzw. entschieden wird? Diese gibt es an niedersächsischen Grundschulen noch nicht so lange, und seit es sie gibt, sind die Bewertungen A-E des Arbeits- wie auch des Sozialverhaltens zu berücksichtigen.
"Schüler mit C (entspricht den Erwartungen) können wir nicht zum Gymnasium empfehlen." hört man da aus manchem Grundschullehrerinnenmund und die Kolleginnen vom Gymnasium, die dann vorhalten, die kleinen 5.Klässler seien so unselbstständig, scheinen auf deren Mühlen Wasser zu gießen.
Auch in Niedersachsen sind die Vorgaben wie auch die Wahrnehmung und das Verständnis derselben sehr unterschiedlich. "Schüler xy entspricht den Erwartungen mit Einschränkungen" fasst manch einer als kleine Abweichung oder gelegentliche Unpässlichkeit auf, andere sehen in solchen Schülern die schulhofbekannten Rüpel, vor denen sich jeder Brillenträger lieber in Acht nimmt.
Noch eine Bemerkung, ob sich Sozialverhalten in einer Note niederschlägt. Für den Sportunterricht kann ich nicht sprechen, ich unterrichte kein Sport und mache mir nicht die Mühe, die Richtlinien zu lesen. Niedersachsen hat aber für sämtliche Fächer der Grundschule neue Richtlinien bekommen und im Fach Musik wird ausdrücklich erwähnt, dass das Verhalten eines Schüler mit in die Note einfließt
„Ein angemessenes Verhalten in musikalischen Prozessen, Rücksichtnahme und Ensemblefähigkeit werden mitbewertet. Sowohl die Qualität der Beiträge als auch die Bereitschaft und das Interesse, produktiv am Unterrichtsgeschehen mitzuwirken, sind von hoher Bedeutung.“ CuVo Musik S.18.
Ich freue mich über die guten Noten, die ich bekommen habe. Über die Befähigung und das Recht des Notengebers denke ich an dieser Stelle nicht nach – ist ja ne gute Note
Palim
P.S.
Zu den Aufgaben des Lehrers gehören auch
- die Lernentwicklungsberichte für jeden Schüler,
- das Erstellen von Förderpläne für alle, die gefordert und gefördert werden sollen [sind das alle?],
- das Ausarbeiten sämtlicher Vorgaben des KuMi, die nicht nur in puncto Bewertung des Arbeits- und Sozialverhalten recht schwammig sind. Zu den meisten Neuerungen gibt es lediglich tausendfache Hinweise oder Vorschläge, die konkrete Umsetzung plant dann jede Schule selbst, um anschließend mit anderen Schulen zusammengelegt zu werden.
In den letzten Jahren waren das neben den Kopfnoten,
die Laufbahnempfehlungen,
ein vertretbares Vertretungskonzpet mit Mitarbeiten, die war pädagogisch genannt werden, aber keine Lehrerausbildung haben und dennoch die Vertretung von Lehrkräften aller Art und aller Fächer von jetzt auf gleich übernehmen,
der Unterricht im Kindergarten und die damit verbundene Sprachüberprüfung,
die o.g. Lernentwicklungsberichte und Förderpläne,
das gleichzeitige Ausarbeiten sämtlicher Richtlinien (Curriculare Vorgaben), so dass sie im Unterricht umsetzbar sind.
Die Umgestaltungen der Schule in die Selbstständigkeit ist noch im Gange – Schulvorstände wurden gewählt und haben sich selbst um eine Ordnung bemüht, im Rahmen dessen, was das KuMi noch nicht klar definiert oder deutlich verneint hat.
Klassenlehrerstunden gibt es in Grundschulen nicht - nicht dass die Klassenlehrerin nicht ständig die sogenannten Klassengeschäfte zu regeln hätte und viele Lehrerinnen darüber hinaus noch eine Menge mehr Dinge, aber das kann man ja, wie alles andere, so nebenbei - neben dem Unterrichten, der eigentlichen Hauptaufgabe.
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