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Forum: "Riskant: Was war die Frage zu dieser Schülerantwort?"
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| Jede Sache hat | | von: rfalio
erstellt: 02.01.2009 09:09:42 |
mindestens 2 Seiten.
elenc hat recht, wenn er betont, dass das Auswerten von Grafiken und die exakte Formulierung des Sachverhaltes sehr wichtig sind.
rolf hat recht, wenn er meint, dass man Exaktheit übertreiben kann und dass eine eigenständige Formulierung besser ist als stur auswendig gelernte Fachausdrücke, die man nicht verstanden hat.
Nur: Wenn ich in meiner 7. Klasse Mathematik auf eine zugegeben sehr offen gestellte Frage (die Bandbreite möglicher Antworten hat ja palim schon aufgezeigt) eine so "formulierte" Antwort bekommen würde, hätte ich schon meine Bedenken, ob die Entwicklung des Schülers wirklich in allen Bereichen altersgemäß ist und ob die sicher bestehenden Defizite, vor allem was den sprachlichen Ausdruck betrifft, in 2 Jahren (und da gehen meine Schüler in die Eignungstest und Vorstellungsgespräche) zu beheben sind.
Auch wenn ich jetzt die Frage weiß, kann ich mit der Antwort des Schülers doch nur wenig anfangen.
"Sie z.B. wen Sie zeigen in wieviel grad das Gebiet das denn Termometer umgibt im Plus oder Minus steht."
Schon die Formulierung "z.B." entwertet die ganze Antwort, denn entweder zeigen die Zahlen etwas oder nicht.
"in wie viel grad das Gebiet...im Plus oder Minus steht."
Ein Gebiet kann nicht kann nicht im Plus oder Minus stehen
usw.
und jetzt wird dann von beiden Seiten auf mich eingehackt.
rfalio |
| . | | von: palim
erstellt: 02.01.2009 13:21:12 geändert: 02.01.2009 19:25:36 |
Ich finde die Frage auch merkwürdig und die möglichen Antworten sollten zeigen, dass es nicht so leicht ist eine Antwort aufzuschreiben UND dass die Frage nicht so eindeutig formuliert ist.
Ines fühlte sich an ihre Ausbildung erinnert und ich bin nach wie vor der Meinung, dass es nicht schlecht ist, wenn man zu Beginn der Ausbildung (1. und 2. Semester) lernt, wie man Fragen stellt und welche Antworten darauf gegeben werden.
Außerdem ist es heilsam, Aufgaben und Antworten selbst zu formulieren und zu probieren, was nicht auf Aufgabenarten oder Fächer beschränkt ist.
Schüler müssen Fragestellungen verstehen lernen und Lehrer müssen Fragen stellen lernen und auch Antworten verstehen.
Auf eine offene Fragestellung nur eine wörtlich genaue Antwort zu akzeptieren ist Quatsch, xrendtel hat ja auch geschrieben, dass viele Schüler gute Antworten gefunden bzw. notiert haben.
Dass der Schüler nicht zu den Sprachgenies zählt, denen guter Ausdruck in die Wiege gelegt wurde und der im Umfeld gute Sprachvorbilder hat, ist das eine.
Die anderen Fragen bleiben offen:
Hat er die Aufgabe an sich verstanden?
Konnte er den höchsten und tiefsten Messwert angeben?
Welche Hilfen kann er auch/selbst in der 7. Klasse erhalten, um seinen sprachlichen Ausdruck zu verbessern?
Sprachlicher Ausdruck und Einstellungsgespräche hin oder her - hier zeigt sich, dass betreffende Schüler über Praktika zeigen, dass sie gut arbeiten und gelehrig sind - und darüber auch ihre Ausbildungsplätze bekommen.
Palim |
| @rolf | | von: elceng_th2
erstellt: 02.01.2009 21:29:36 geändert: 02.01.2009 21:31:09 |
"Die Zahlen auf der Schmiege [Zollstock] sind Maßzahlen mit der Maßeinheit Zentimeter und beschreiben die physikalische Größe der Länge." Das hört sich perfekt nach Auswendiggelerntem an.
Nein, rolf. Den Satz habe ich mir im Moment der Niederschrift ausgedacht in genau dem Stil, den meine Realschulerlehrer wertgeschätzt, gepflegt und erzogen haben. Das ist alles andere als ein auswendiggelernter Satz, sondern das ist sachgerechte Fachsprache, die man am Ende des Weges zum Schulabschluß verlangen kann und muß.
Selbstverständlich räume ich ein, daß anders geantwortet werden kann; sinngemäß muß es jedoch halbwegs exakt bleiben.
In Kontroll- und Bewertungsschule gibt es zu vorbereiteten Fragen die erwarteten Antworten.
Die lassen sich auswendiglernen.
An deinen/ euren Schulen vielleicht. Wie immer verweise ich auf völlig andere Erfahrungen im Nachklang des alternativen Schulsystems in Ostdeutschland.
Daß Faktenwissen grundsätzlich dazugehört, ist natürlich unstrittig, die Frage ist eher der Umfang. Und hier hat sicherlich auch die sächsische Schule einen unschönen Weg eingeschlagen, indem der generelle Anteil an Faktenwissen - besonders auf dem Gymnasium - seit 1990 spürbar erhöht worden ist. Anders sind Abiturientenquoten von 25 oder 30 Prozent im Vergleich zu 10% an der damaligen EOS nicht zu erreichen. Das heißt, das Niveau muß vergleichsweise exorbitant gedrosselt werden, was am leichtesten mit der unfairen Begünstigung von normalintelligenten Paukschülern zu bewerkstelligen ist. Wirf einen Blick die Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums; 30 Schüler, 25 bienenfleißige Mädchen. Klar, denn BWL- und VWL-Grundlagen sind größtenteils sture, hohle Paukerei.
Daraus jedoch schon wieder diese unerträglich weichgespülte Kritik an der besten Form von Schule, sprich Lern- und Leistungsschule, zu bringen und esoterische Unterrichtsvorstellungen zu lancieren, ist nicht angebracht.
In dem genannten Falle verriete es viel, wenn ein 15jähriger Schüler in einem Vorstellungsgespräch nicht in der Lage wäre, das wichtige Grundprinzip Größengleichung-Maßzahl-Maßeinheit sprachlich einwandfrei auf einen Alltagsgegenstand anzuwenden.
Und genauso bedenklich bzw. beschämend ist die zitierte Schülerantwort aus der 7. Klasse, die grammatisch nichts anderes als eine Katastrophe darstellt. Da möchte man glatt heulen, wenn man sowas liest.
Sprachliche Gewandtheit und Exaktheit sind ein Wechselspiel von Stoffverständnis und Muttersprachbeherrschung. Die deutsche Sprache ist unser aller Angelpunkt für Kommunikation. Ohne profunde Kommunikationsfähigkeit helfen die lustigsten Deutungen nichts "Ach, so schlimm ist die Antwort gar nicht, immerhin hat der Schüler doch das und das erkannt..." und wer sich nicht kann verständlich machen, ist erschossen. Ob das im Fachgespräch ist, bei der Anfertigung von (wissenschaftlichen) Abhandlungen oder beim Lesen von Literatur. Punktum.
Ich hoffe jedenfalls, der entsprechende Schüler hat für seine desolate Antwort satte null Punkte erhalten und ein großes uv und Av als Korrektur an die Seite bekommen ("unverständlich", "Ausdrucksvermögen").
7. Klässler sind so etwa 13 Jahre alt und nicht im Vorstellungsgespräch.
Das Leistungsprinzip setzt idealerweise zum 1. Tag der 1. Klasse uneingeschränkt ein. Von einem Siebtklässler kann man deswegen jede Menge verlangen. Solide Sprachbeherrschung eingeschlossen. Das man so etwas (Gymnasium!!!) überhaupt erwähnen muß! Leistung und zügiger Wissensfortschritt entstehen durch das Anlegen strikter, hoher Maßstäbe. Der Brotkorb muß immer so aufgehängt werden, daß die Masse der Schüler glaubt, heranreichen zu können, obwohl im Endeffekt wenige Zentimeter fehlen.
"Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen." (Faust II)
(die Kinder mit unerwarteten Antworten werden ausgesondert)
Natürlich, wenn die Antwort [wie im Auftaktbeitrag] nicht in deutscher Sprache verfaßt und/oder fachlich inkorrekt ist.
Was denn bitte sonst? Befragen wir jetzt schon die Kristallkugel oder erfinden wir esoterische Deutungen, was der Schüler denn so alles gemeint oder vermeintlich erkannt haben will?!
Was würden Kinder antworten, wenn die Frage lautet: Was bedeuten die Stufen einer Treppe?
Das ist nicht gleichbedeutend mit "Was bedeuten die Zahlen auf der Schmiege?", denn die Zahlen bedeuten tatsächlich etwas; es sind, wie gesagt, Maßzahlen die mit einer Maßeinheit [eines bestimmten Maßsystems] zusammen die physikalische Größe der Länge fassen.
Was Du meinst, ist vielmehr "Was sind die Stufen einer Treppe?".
Die Frage "Was bedeuten die Stufen einer Treppe?" ist keine gute Frage, da die Art der Treppe spezifiziert werden müßte und das ganze offenkundig auf Philosophie hinausläuft (das sprachliche Bild einer Treppe).
Dann würde elceng ihnen aber "Dampf" unterm Kessel machen.
Erziehung ist kein demokratischer Prozeß sondern per Definition ein autorkratisches Eingreifen von oben nach unten in das defizitäre Wesen von Kindern. Deswegen ist es überhaupt nicht verkehrt, hin und wieder kräftig zu poltern und Regeln ohne Abstriche durchzusetzen. Das schließt die strenge Bewertung von Grundkenntnissen ein.
Ermutigung ist höchstens die andere Seite der gleichen Medaille. Die besten Lehrer sind erfahrungsgemäßig die Pädagogen einer "liebevollen Strenge" bzw. des "Zuckerbrots und der Peitsche".
Der einseitige Ansatz Deiner pädagogischen Vorstellungen ist schon rein logisch zum Scheitern verurteilt, weil die menschliche Natur eben nicht so funktioniert, sondern ambivalente Züge aufweist. Es ist niemals nur Lob oder nur Tadel, sondern immer Lob und Tadel, Gestalt und Gehalt, Fordern und Helfen, Strenge und Freundlichkeit, Distanz zum Schüler und Interesse an ihm.
Kinder brauchen klare Regeln, Ansagen und eine unmißverständliche Führung, wie der Hase zu laufen hat.
Und pädagogisch gehört das Maßregeln und Strafen für schlechte Leistungen und der symbolische Arschtritt ebenso dazu, wie die Würdigung guter Leistungen, die Auszeichnung guter Leistungen und das gute Zusprechen.
Weimarer Klassik täte Deinem humanistischen Weltbild gut, denn die "Dialektik des Dreischritts" (These-Antithese-Synthese; von den Klassikern geklaut von Johann Gottlieb Fichte 1794 "Wissenschaftslehre") und der Ausgleich von Gegensätzen sind zentrale Motive der Goetheschen Dichtung und ein Meilenstein in punkto Welterkenntnis und Philosophie.
Zumindest würde es vorbeugen, ständig Deine esoterischen Vorstellungen von Schule anhören zu müssen, die selten von Dir konkret benannt werden und möglichst immer diametral gegen die Lern- und Leistungsschule stehen. Wäre Deine Position faktisch überprüft, hätte ich kein Problem damit. Wahr ist aber, daß eine punktuell aufgelockerte Frontalmethodik mit Klassenführung ("classroom management") die effektivste und effizienteste Methodik ist. Wenn Du Dich also gegen Dein Haßschema Kontroll- und Bewertungsschule äußerst, hast Du die Bringschuld, zu zeigen, daß Deine Ideen erstens überhaupt dauerhaft funktionieren, zweitens nicht nur unter Laborbedingungen klappen, sondern drittens auf größtem Maßstab - mindestens Landesebene - die Forderungen an brauchbare Allgemein- und Schulbildung erfüllen.
(Einheitlichkeit, Vergleichbarkeit, Leistungskonrolle, Diversität, Allseitigkeit, Anwendbarkeit, Lebensverbundenheit, Abstraktion und Tranfer in Wissensysteme, gesunde Mischung aus Kenntnissen-Fertigkeiten-Können, Flexibilität, Schulverwaltungseffizienz, systematisierbare Lehrerbildung)
Viertens müßtest Du noch das größte Hindernis nehmen; in der Physik wird eine bewährte Theorie nur von einer neuen abgelöst, wenn die neue Theorie die alte nicht nur vollständig enthält, sondern die neue mehr leistet. Um gegen die Lern- und Leistungsschule zu bestehen, reicht es also nicht aus, eine gleichwertige Alternative zu präsentieren. Überholen gelingt schließlich nur, wenn man schneller ist.
Alles andere ist Esoterik und Polemik, bloß weil das Bild von der Kaiserlichen Paukschule noch als Horrorassoziation im Kopf herumschwirrt. Der Kaiser wurde aber schon lange zurückgetreten und die dummen Preußen gibt's auch nicht mehr.
Viele Grüße |
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