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Forum: "Sind Diktate noch zeitgemäß?"
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| ... | | von: three
erstellt: 06.01.2006 20:29:19 |
Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Schule, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Schülerinnen und Schüler über die geforderten Kompetenzen im Lesen, Rechtschreiben und Rechnen verfügen. Um Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen zu vermeiden
oder zu überwinden, ist es ständige Aufgabe der Lehrerinnen und Lehrer,
- diejenigen Fertigkeiten und Fähigkeiten systematisch zu entwickeln, die Voraussetzung für das Erlernen des Lesens, Rechtschreibens oder Rechnens sind, und
- Schülerinnen und Schüler spezifisch zu fördern, die besondere Schwierigkeiten beim Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen haben.
Der dazu erforderliche Lese-, Rechtschreib- und Rechenunterricht
- setzt am jeweiligen Lernentwicklungsstand der Schülerin oder des Schülers an,
- beachtet die individuelle Lerngeschwindigkeit,
- ermöglicht verschiedene Lernwege,
- sichert die Lernergebnisse gründlich ab.
Lesen und Rechtschreiben sind in angemessener Weise in den Unterricht in allen Fächern einzubeziehen. |
| nur wundern, nicht ärgern! | | von: palim
erstellt: 06.01.2006 20:37:45 |
Wabami, du ziehst - wie schon gesagt, falsche Schlüsse... zumindest unterstellst du Sachverhalte, die so bei vielen Lehrern im Unterricht gar nicht gegeben sind.
Zum einen:
Wenn Dinge, die einige talentierte Schüler auch zu Hause erlernen oder die generell einmal Kulturtechniken waren nicht im Unterricht behandelt werden sollten...
... wird das Fach Informatik, das du als deines angegeben hast, ebenso in Zweifel gezogen.
Um es mal ganz plakativ und deutlich zu sagen:
Ebenso, wie du sagst, dass das Schreiben an sich auch zu Hause erfolgen kann, könnte man behaupten, die Schüler gehen doch genug mit dem PC um, wozu brauchen sie da noch Informatik als Unterrichtsfach? Gibt es da nicht genügend Talente? (Diese Überspitzung dient nur der Veranschaulichung und ist nicht meine Meinung!)
Zum anderen:
Es geht nicht darum, den Rechtschreibunterricht aus dem Unterricht zu nehmen und anstatt dessen Freies Schreiben zu unterrichten und ihm den Vorzug gegeben wird.
Es ist auch nicht so, dass Rechtschreibleistungen weniger Beachtung finden, weil einige Schüler in diesem Bereich Schwierigkeiten haben.
Es ist richtig, dass Voraussetzungen, Entwicklungen etc., die früher bei mehr Kindern anscheinend gegeben waren, nun in der Grundschule unterrichtet und erzogen werden. Gleichzeitig gibt es auch Inhalte, von denen vor 50 Jahren noch niemand geträumt hat und die auch Eingang in unser Schulsystem finden - egal wie alt die Richtlinien sind.
Das Unterrichtsfach Deutsch und Rechtschreiben hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt und Ansätze, die es schon seit Jahren gibt, finden endlich Eingang in den alltäglichen Unterricht und werden nicht nur von wenigen probiert.
Dabei steht die individuelle Entwicklung von Schülern oben an.
Zur Optimierung von Unterricht gehört es m.E. nicht, sich den Unterricht so zu machen, dass es einfacher für den Lehrer wird und er möglichst leicht von irgendwelchen Themen spricht, die ohnehin alle Kinder beherrschen.
Entscheidend ist, dass man jeden einzelnen Schüler dort fordert und fördert, wo er zur Zeit steht. Das bedeutet, dass einige Schüler besondere Aufmerksamkeit beim ERlernen von Rechtschreibstrategien brauchen. Andere müssen mühsam erlernen, dass die Anzahl 5 immer noch die Anzahl 5 ist, auch wenn die Steine, die vor diesem Kind liegen, umgeschoben werden. Die nächsten lernen, sich in ganzen Sätzen auszudrücken und wieder andere beschäftigen sich mit dem Malnehmen, weil sie es interessant finden und genau dort jetzt etwas wissen wollen.
Die Aufgabe eines Lehrers ist es m.E., die Bedürfnisse der Kinder zu erfassen und ihnen möglichst weit entgegen zu kommen.
Damit ist nicht gemeint, dass jedes Kinder gerade hier oder da spielt, wo es lustig ist, sondern
dass ich als Lehrer im Blick habe, welches Kind bei den Unterrichtsinhalten Förderung und Hilfen braucht, welches Kind unterfordert ist und deshalb auch andere Förderung und HIlfen braucht und welches Kind den Anforderungen ohne weitere Hilfen gerecht werden kann.
Und da Kinder so vielfältig sind, geht die Tendenz dahin, dass man sehr weit differenziert oder in offenen Unterrichtsformen das selbstorganisierte und selbststätige Lernen trainiert und unterstützt, da diese Lernform auch die Differenzierung begünstigt.
Um auf die Diktate und das Rechtschreiben zurück zu kommen:
Es geht gerade nicht darum, mit 25 Kindern 1 Woche lang ein Diktat mit 70 schwierigen Wörtern zu pauken.
Diejenigen, die ohnehin gute Rechtschreiber sind, könnten das Diktat auch zu Beginn der Woche nahezu fehlerfrei schreiben. Für sie wären die Übungsstunden vertane Zeit.
Diejenigen, die selbst einfachste Wörter nicht ohen Fehler zu Papier bringen, wären heillos überfordert. Sie könnten die Übungsstunden sicher sinnvoller verbringen, als sich Wortbilder einzuprägen, die sie in ihrer eigentlichen Rechtschreibsicherheit kein Stück weiter bringen.
Diktate aus dem Unterricht zu nehmen bedeutet nicht, keinen Unterricht im Rechtschreiben zu geben, sondern diese Form, die als ungeeignet und unpassend angesehen wird, durch anderen Unterricht zu ersetzen.
Dazu kann z.B. gehören, dass Kinder mit gezielten Karteien an den Wörtern üben, die ihnen noch schwer fallen.
Einige Kinder üben z.B. an den Wörtern "als, dann, mein, er, kaum..." andere üben Wörter einer bestimmten Schwierigkeit "Hand, Wand, Berg, Kind..." und wieder andere üben Wörter wie z.B. Fremdwörter o.a.
Freies Schreiben führt in diesem Unterricht zum einen dazu, dass alle Schüler sich trotzdem in ihrem Ausdruck üben und Schrift als Kommunikationsmittel erfahren (s.o.),
zum anderen geben die Texte viel Auskunft über die Rechtschreibleistung der Schüler, weil man als Lehrer die Entwicklungsstufe des Schülers, seine Schwierigkeiten mit einzelnen Wörtern oder Wortgruppen etc. an den freien Texten ersehen kann ... und jeden Schüler dann in Übungsphasen genau dort "abholen" kann und mit ihm dieses üben kann.
Im übrigen:
Auch gesunde Ernährung steht schon seit Jahren in Unterrichtsplänen, Hauswirtschaft gibt es ja nicht erst seit gestern.
Auch Sprechen und Sprache gibt es schon lange in Lehrplänen - ich weiß sehr genau, dass wir ein Schulbuch mit genau diesem Titel in der Grundschule hatten.
Weiterhin: Die Sprachförder-Untersuchungen und -Förderungen im Kindergarten (z.B. in Niedersachsen) zeigen sehr deutlich den Bedarf an Sprachtraining. Dabei sind diese Maßnahmen ein Tropfen auf den heißen Stein. Logopädische Störungen nehmen tatsächlich zu und werden hierbei kaum erfasst und gar nicht therapiert. Solange man Kinderärzte bitten und betteln muss, dass sie eine Therapie verordnen und als Lehrer hierbei noch Druck machen muss, wird diese Problematik weiterhin in die Grundschule hinein gehen... vorher laufen diese Therapien ja leider nicht.
Es geht nicht darum, Kinder beim Lernen auszubremsen oder Rücksicht auf Lernschwierigkeiten zu nehmen,
es geht darum, die Kinder in ihren Fähigkeiten und Schwierigkeiten wahrzunehmen und zu fördern.
Palim |
| Ärgere mich doch! | | von: wabami
erstellt: 06.01.2006 23:44:54 |
Nämlich darüber, dass du nicht verstanden hast was ich geschrieben habe!
Das Beispiel Informatikunterricht passt recht gut - aber anders als du denkst: Wenn man ein Programm/eine Anwendung schreiben will, muss man sich sehr exakt an die Syntax, an Regeln halten. Man kann probieren sich selbst etwas beizubringen in dem man fertige Programme modifiziert und das ergebnis analysiert.
Aber eben dies machen wir im Unterricht nicht, sondern wir lehren eine (bzw.) mehrere Programmiersprachen systematisch Schritt für Schritt. Die Schüler werden diese Programmiersprache aber nur verinnerlichen, wenn sie sie anwenden und zwar weit über die Unterrichtsbeispiele hinaus!
Ganz gezielt lasse ich eben die Beispiele, die für die Schüler direkte Anwendungen im Alltag haben, außen vor oder reiße sie nur an! Weil sie sich dann sowieso damit beschäftigen.
Und eben dies meine ich auch für die Schreibübungen. Wenn Weihnachtskarten für die Verwandtschaft in der Schule geschrieben und gebastelt werden - was basteln und schreiben dann die Kinder zuhause noch??
Aber Diktate, die bestimmte gerade behandelte orthografische Ansprüche ebenso wie die Fähigkeit zuzuhören und sich zu konzentrieren abprüfen, die werden außerhalb der schule nun wirklich nicht geschrieben. Ich halte sie für wertvolle Übungen und auch aussagekräftige Kontrollen.
Das Argument dadurch Kinder im Lernprozess zu verstören muss aber auch erst einmal das Argument, dass sie durch eine klare eindeutige Rückmeldung gestärkt werden aufwiegen!
Auf die Idee ein Diktat eine Woche lang zu pauken bin ich noch nie gekommen und mag auch nicht glauben, dass es Lehrer gibt die so etwas wirklich machen. Aber wenn man neue Regeln gelernt hat, dann kann man sie in einem einzelnen gezielten Diktat direkt überprüfen und jeder Schüler kann damit erfahren, ob er die neue Regel schon gelernt hat!!!
Und kann man sich als Schüler mit Rechtschreibproblemen nicht auch über den Kommentar Zwar 8 Fehler, aber 0 Fehler bei der Vverwendung von eu und äu - toll! freuen, wenn man gerade das äu gelernt hat???
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| Aber... | | von: ninniach
erstellt: 07.01.2006 12:11:45 |
...meines Erachtens prüft man mit einem Diktat nicht in erster Linie die Rechtschreibung ab, sondern eben genau die Konzentration und das Zuhören. Deshalb finde ich es auch falsch, eine Rechtschreibnote aus Diktaten abzuleiten, wohlmöglich sogar nur aus Diktaten.
Und dann möchte ich sagen, dass ich genau weiß, dass aus meinen Klassen, in denen ich mit Deutsch drin bin zur Zeit (3. und 4. Klasse, Grundschule, Hessen, sogenannte Brennpunktschule) wirklich nur die wenigsten Kinder in ihrer Freizeit die Möglichkeit und das Material haben, eine Weihnachtskarte zu schreiben, ganz zu schweigen davon, dass das vom Elternhaus nicht unterstützt werden würde. Kostet ja auch noch Geld für die Briefmarke. Deshalb sehe ich es als meine Pflicht an, sowas in der Schule stattfinden zu lassen. Wie sonst sollen die Schüler denn die Schrift als reales Kommunikationsmittel erfahren, wenn sie das schon zu Hause nicht angeboten bekommen?
Ich versuche auch, das aus der Schule zu verlagern, gebe meine Adresse raus, beantworte Briefchen die mir zugesteckt werden und ich bekam jetzt sogar in den Ferien endlich mal zwei (!) Briefe geschickt. War aber drei Jahre Arbeit, die Kinder anzuregen, mir zu schreiben, statt einfach nur nach den Ferien zu kommen und zu sagen, wie langweilig ihnen doch war und wie sehr sie mich (oder andere Lehrer) vermisst haben. Natürlich musste ich antworten, sonst ist das ja auch wieder eher sinnlos. Das mache ich ja auch schon gerne.
Klar, sowas fand früher außerhalb der Schule statt. Aber wenn ich das ausklammere, dann ist keinem geholfen, vor allem den Kindern nicht. Ich könnte natürlich auch sagen, dass das Sache der Eltern ist, aber das würde auch nichts verändern und schon gar nicht würde das etwas für die Kinder zum Besseren verändern.
Ich glaube auch, dass zum erfolgreichen Lernen das Verständnis gehört, warum ich etwas lerne. Dass es eher sinnlos ist, wenn ich Sachen nur für den Lehrer oder dem Lehrer zuliebe richtig irgendwo in ein Heft schreibe, das dann bestenfalls in den Abgründen einer alten Kiste verschwindet. Für das Verständnis von Rechtschreibung ist mir viel wichtiger, dass die Kinder wissen, warum man richtig schreibt, nämlich damit es jeder leicht lesen kann. Weiterhin ist mir wichtig, dass Kinder wissen, wo und wie sie nachschlagen und kontrollieren können, was sie geschrieben haben. Das alles hat damit zu tun, wie jeder Erwachsene die Schriftsprache später auch anwendet. Ich schreibe, bemühe mich richtig zu schreiben und wenn ich unsicher bin, dann schlage ich nach. Mir diktiert keiner einen Text, in dem es plötzlich von Wörtern mit ÄU wimmelt.
Und dem Kind mit Konzentrationsproblemen bringt es auch nicht viel, denn die Fehler, die solche Kinder machen, sind bunt im Text verstreut und halten sich kein bisschen an das, was vorher behandelt oder nicht behandelt wurde. Es sind nämlich keine Fehler, die durch mangelnde Kenntnis der Regel entstanden sind, sondern solche, die durch die mangelnde Konzentration entstanden sind.
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| ein paar Gedanken dazu | | von: brigitte62
erstellt: 07.01.2006 13:07:24 |
1. Vielschreiber sind gute Rechtschreiber. Das Rolf ist nicht nur eine Beobachtung von dir, sondern mittlerweile auch in unterrichtsbegleitenden Studien belegt.
2. - und das fehlte mir in der bisherigen Diskussion - Vielleser sind gute Rechtschreiber.
3. Das Argument des "falsch Einprägens" verwende ich auch gerne: Wenn es stimmt, dass man sich Geschriebenes einprägt (und zwar ganz schnell), hätten wir im Rechtschreibunterricht kein Problem. Die Schüler würden sich das richtig geschriebene dann doch genau so schnell einprägen.
Sicherlich, wenn ein Wort immer wieder falsch geschrieben und gesehen wird, ist das ein Problem. Wenn man aber die Schreibanfänger beobachtet, stellt man fest, dass sie 3 mal hintereinander "Hund" schreiben und es jedes Mal anders schreiben.
4. Schreiben ist ein Entwicklungsprozess - ja. Nicht nur das, auch Regeln lernen ist ein Entwicklungsprozess. Fähig zu sein eine Regel zu erkennen und anzuwenden und sie dann auch noch zu übertragen, setzt kognitive Fähigkeiten voraus, die Kinder erst im Laufe der Grundschulzeit erwerben. Natürlich wie bei allen Entwicklungsschritten, beherrscht der eine es früher und der andere später, aber es wird mir wenig nützen, Dinge zu erwarten, die ein Kind einfach noch nicht können kann. Kinder verhalten sich dann "belehrungsresistent".
Ein schönes Beispiel habe ich in meiner ersten Klasse erlebt:
Ich habe im Förderunterricht mit zwei Kindern geschrieben. Einer der beiden war hochbegabt, der andere einfach "nur" begabt. Die beiden wollten Montag schreiben. Ich sagte zu dem hochbeabten Kind: "Erinnerst du dich, dass wir neulich darüber gesprochen haben, dass da am Schluss etwas Besonderes ist. Der andere Junge blickte auf und sagte: Stimmt, das hat mir mein Papa auch gesagt. Da ist g und nicht k. Ich: Stimmt genau, weißt du auch, wie man das rauskriegt. Der Junge antwortete: Ja, Montage, dann hörst du das. Ich: Super, dann schreibt es jetzt zu Ende.
Der hochbegabte Junge schrieb Montag, der andere schrieb Montak (und er schrieb noch eine ganze Weile immer wieder Montak). |
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