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Forum: "Herausforderung an rolf_robischon"
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| selbsttätigkeit | | von: kataz
erstellt: 20.11.2005 18:33:16 geändert: 20.11.2005 18:34:05 |
ola,
jetzt möchte ich doch meinen senf auch einmal dazugeben, zumal ich mich mit diesem thema im weitesten sinne im moment intensiv beschäftige.
als erstes möchte ich sagen, das in der pädagogik die bedeutung von der selbsttätigen arbeit im unterricht (ich nenne es jetz mal so, um nicht wieder ein theoretiches konzept von diesem oder jenen einzubringen) für die entwicklung der persönlichkeit durch förderung kognitiver und sozialer lernprozesse national und international erkannt und vor allem auch anerkannt ist.
als zweites möchte ich sagen, dass es in deutschland sehr wohl weiterführende schulen gibt, die die selbsttätige arbeit zu einem zentralen element der unterrichtsorganisation gemacht haben, was sich dadurch äußert, das für die selbsttätige arbeit bis zu 10 wochenstunden eingeräumt werden. organisatorisch ist dies zu bewältigen, indem jedes fach z.b. eine stunde aus seinem stundendeputat in einen 'pool' abgibt.
drittens: bedingt durch das bildungssystem spielt an weiterführenden schulen (von gs habe ich keine ahnung) fachunterricht eine große rolle, was aber nicht zwangsläufig hinderlich ist, wenn eine sinnvolle verzahnung stattfindet. im FU bekommen die schüler impulse, anregungen, informationen oder auch aufgaben, die sie in der selbsttätigen arbeit verwerten können.
viertend: man muss verschiedene formen selbsttätiger arbeit unterscheiden, die einfachste ist fachgebundene und fachungebundene s.a.. fakt ist, dass schüler nicht einfach machen dürfen was sie wollen, sondern ein curricular bedingtes pensum haben, das sie bearbeiten. dabei sind dann aber wahl der mittel, reihenfolge der inhalte, zeit, sozialform, arbeitsplatz etc.frei.
@ trallewatsch: wenn du sehen möchtest, wie so etwas umgesetzt wird, empfehle ich dir den film
treibhäuser der zukunft
ich habe hier nur ein paar möglichkeiten aufweisen wollen, mit konkreten beispielen aus eigener erfahrung kann ich nich dienen, da ich noch im studium bin. da ich aber meine examensarbeit zu dem thema (im weitesten sinne) schreibe, habe ich mich konkret mit den schulkonzepten einiger schulen auseinandergesetzt, daher beziehe ich zumindest die organisatorischen hinweise.
Fakt ist, dass es klappt, das selbsttätige lernen und arbeiten an weiterführenden schulen, aber der erhöhte sachanspruch und die zunehmende komplexität der lerngegenstände schließt es denke ich aus, ganz auf den fachunterricht (in welcher form auch immer) zu verzichten.
hinzu kommt, dass viele schüler aus der gs nicht mit formen selbsttätiger arbeit vertraut sind, so dass man langsam von einer geleiteten zu einer immer freier werdenden form der s.a. kommen kann.
ich könnte noch stunden weiterschreiben, aber das wäre nicht im sinne des erfinders.
ich kann nur sagen, für alle interessierte, es gibt kaum eine so gute möglichkeit, den lernprozess des einzelnen zu individualisieren wie in der s.a., also traut euch. und wenn ihr nicht wisst, wie man so etwas aufzieht, wendet eucnicht nur an so ein forum, sondern geht hospitieren, z.b. an reformschulen, die in der regel formen des s.a. im stundenplan integrieren.
so long
(eine vom thema toootal begeisterte) kataz.... |
| lieber Rolf, | | von: fuxl
erstellt: 20.11.2005 19:20:14 |
ich habe in meinen Kursen viele (die überwiegende Mehrheit), von denen ich weiß, das sie was können, dass sie was leisten wollen (auch in diesem Schulsystem, in meinem Frontalunterricht) und dass ich ihnen was zutrauen kann. Meistens traue ich den Schülern deutlich mehr zu als sie sich selbst.
Die Schüler mit verschiedenen Materialien selbst etwas erarbeiten lassen ist was, was im "normalen" Unterricht durchaus zwischendurch läuft, allerdings mit der Vorgabe, dass sie sich eben jetzt mit dem von mir vorgegebenen Thema beschäftigen müssen.
Den 20 Leuten zuhören ist trotzdem schwierig, weil sie erst mal alle Zeit brauchen, um sich den Lernstoff zu erarbeiten, und dann relativ gleichzeitig fertigwerden würden, und dann kann ich eben nicht allen zuhören. Ich finde es aber auch nicht schlimm, wenn dann einer laut für alle seine Erkenntnisse kundtut und die anderen auch hier nochmal nachfragen oder noch was ergänzen können.
Dass sich die Schüler aussuchen, wann sie was lernen wollen, geht meines Erachtens (außer in den von kataz beschriebenen besonderen Schulorganisationsformen) nur ganz selten, weil eben meistens die verschiedenen Stoffgebiete aufeinander aufbauen.
Wenn es wie z.B. bei uns in der 10. Klasse Bio (Menschenkunde) egal ist, in welcher Reihenfolge der Stoff besprochen wird, müssen bei mir trotzdem alle 10.Klässler zur gleichen Zeit das gleiche lernen. Das liegt wohl vor allem daran, dass ich erst recht überfordert wäre, alle Themen gleichzeitig so aufbereitet zu haben, dass die Schüler sich selbständig damit beschäftigen können. Selbst wenn ich das hätte sehe ich aber noch die Schwierigkeit, dass es z.B. zu vielen Themen gute Filme auszuleihen gibt, die man aber nach zwei Wochen auch wieder zurückbringen muss. Oder in Chemie z.B. dass es Versuche gibt, die die Schüler nicht selbst machen können oder dürfen, die ich ihnen aber trotzdem gerne zeigen möchte, und zwar zu einem Zeitpunkt wo sie auch verstehen können, was da passiert - das geht nur, wenn alle die Grundlagen dazu schon gelernt haben (oder als Motivation dafür, dass sie die Grundlagen dazu jetzt lernen. |
| Gegenwehr | | von: rfalio
erstellt: 20.11.2005 19:51:01 geändert: 20.11.2005 19:58:02 |
Konkret: Situation Realschule Bayern ( am Beispiel einer ländlichen Realschule mit ca 500 Schülern)
In den 9. (15-jährige!) an meiner Schule ca. 10% Migranten (eher mehr)und es wurde auch in den Auswertungen betont, dass Migranten in Bayern bessere Chancen haben.
Die Leistungen waren in allen Schularten besser als der Durchschnitt, also etwa RS Bayern = Gym andere Bundesländer oder HS Bayern = RS andere Bundesländer, also keine Frage der Auslese.
Das mit dem Abi ist auch so eine Sache: Was zähle ich als Abi? Wenn ich die Absolventen von FOS und BOS dazuzähle, hat Bayern durchaus eine hohe Abiquote; wenn ich nur das Gym zähle nicht.
Wenn du bedenkst, dass ich in meiner Matheklasse im Zweig I (mathematisch-naturwissenschaftlich) in der 10.Klasse RS schon Abiaufgaben aus anderen Bundesländern und anderen europäischen Ländern hab rechnen lassen.... Viele dieser Schüler gehen dann an die FOS, später auf die FH und manche sind heute Kollegen :=).
Schülerherkunft an unserer ländlichen Realschule: ca 10 % aus Akademikerfamilien, ca 35 % Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss ( soziale Auslese?).
Sitzenbleiber: In den Jahrgangsstufen 5 und 6 < 3%; 7 und 8( (Pubertät) < 10%, 9 wieder ungefähr 3% und 10 fast 0! Interessant ist, das bis auf ganz wenige Ausnahmen diese Sitzenbleiber dann durchstarten.
Schwierigere Schüler sind die ehemaligen Gymnasiasten, die durch Elternwille mit eher negativem Übertrittszeugnis ( die meisten unserer GS- Lehrer schreiben treffende Übertrittszeugnisse) aufs Gym gingen: Da meinen manche, sie können sich auf ihrem Wissensvorsprung ausruhen und fallen dann schnell in den Leistungen ab, bis sie merken, dass auch die RS Ansprüche stellt.
Deine Beispiele aus Bayern sind genauso isoliert wie meines; meine Frau ist GS Lehrerin und an keiner Schule, an der sie bisher war ( und sie war an mindestens 7), saßen die Schüler nach Leistung.
Und jetzt allgemein, nicht auf dich bezogen:Ich "durfte " dieses Jahr erstmals den Stundenplan erstellen und hatte dadurch natürlich auch Einblick in die Unterrichtsübersicht ( = Lehrerverteilung). Die Idee der Lehrerteams ist schön und wäre wünschenswert, das fächerübergreifende und fächerverbindende Arbeiten wäre toll.
Jedoch ( nicht aber! :=)): Es ist nicht möglich, die Lehrer nach den Vorgaben des KM so einzuteilen. Selber rangehen ist gut und auch manchmal möglich ( s. Beispiel in Beitrag oben), aber wenn ich mit 18 Stunden in 6 Klassen ( und da bin ich diesmal noch gut dran, normal sind 25 Stunden in 10! Klassen) schon mit 20 Lehrern ( von 29 insgesamt) kooperieren darf...
Noch was zu Montessori: Ich hab schon etliche ehemalige Montessorischüler unterrichtet. Bemerkenswert war, dass sie bei Freiarbeitsphasen stets das scheinbar einfachste Material wählten und sehr schnell resignierten, wenn sie einaml zufällig eine etwas schwierigere Aufgabe erwischten. Lieber wollten sie alles vorgekaut haben. Das ist natürlich wieder eine Momentaufnahme!
Als geduldiger "Fechter"
rfalio |
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