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Forum: "Offener Brief an das Referendariat"
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| @kfmaas | | von: stumpelrilzchen
erstellt: 23.04.2006 11:57:50 |
Erstmal herzlichen dank für deinen Brief an das Ref, der die Sache mal von der anderen Seite beleuchtet.
"Liebes Referendariat, wie wollen die Referendare ihre Dienstzeit überstehen, wenn sie den normalen Stress nicht bei dir zu bewältigen lernen?"
Wie mir alle Lehrer an der Schule bestätigen, ist das Ref eben kein "normaler Stress", statt 100% Stress eben 130%. Sämtliche Lehrer, ob junge oder alte, sind froh, dass sie das hinter sich haben und sehen es im Nahhinein als "die stressigste Zeit ihres Lebens". Womit wir schon beim allgemeinen Problem sind. Warum ist dieser Job so stressig? Muss das sein? Bevor jetzt jemand antworten will, den Stress mache man sich immer selber, frag ich gleich zurück:
Wäre es mit 20 Kindern in der Klasse nicht weniger stressig?
Wäre es mit mehr finanziellen Möglichkeiten des Schulsystems nicht weniger stressig?
Wäre es mit weniger Deputatsstunden nicht weniger stressig?
Wäre es ohne die Doppelbelastung Wissenvermittler+Sozialpädagoge, z.B. durch allseits vorhandenen Schulzozialarbeiter, nicht weniger stressig?
MOMENT: Ich meine jetzt nicht, dass ich dann als Beamter meine Beine hochlege! Ich meine, dass ich mich dann besser und intensiver um die einzelnen SuS und die Unterrichtsstunden kümmern könnte.
Vielleicht ist das aber auch ein Problem meiner Schule.
Morgengruss an alle Mitschreiber dieses Forums
Stumpel |
| offene Türen | | von: oblong
erstellt: 23.04.2006 12:37:00 geändert: 23.04.2006 12:43:14 |
@ stumpel
Mit deiner Kette von rhetorischen Fragen im vorletzten Absatz sprichst du natürlich vielen aus der Seele; sicherlich ist auch der Stress im Referendariat besonders hoch, noch höher scheint auch die Neigung zur Polarisierung und Zuspitzung zu sein - dies sei dir von Herzen zugestanden.
Ich habe allerdings auch den Eindruck, dass sich viele Referendarinnen und Referendare schwer tun mit der Eingliederung in ein System, das auf sie persönlich wenig Rücksicht nimmt (und auch noch nie genommen hat).
Vielen jungen Berufsanfängern (verzeih bitte die männliche Form, aber mir ist es auf Dauer zu blöd, wie in "Leben des Brian" permanent die weiblichen Formen zusätzlich zu benennen), so habe ich den Eindruck, fehlt die Begrenztheitserfahrung mit einer großen Institution, oder, um es mit Goethe zu sagen: der Zusammenstoß der prätendierten Freiheit des Individuums mit dem notwendigen Gang des Ganzen.
Man kann (und soll es auch) viel gegen die Bundeswehr zur Zeit des Kalten Krieges sagen, aber als ich dort meine 15 Monate abreißen musste, hatte ich vieles gelernt und erlitten, was mir den Einstieg in die Referendarzeit erleichterte.
Aus heutiger Sicht finde ich meine damalige Bequemlichkeit, einfach zum Bund zu gehen, nicht richtig und will auf keinen Fall ein Loblied auf die Anpassung singen. Ich finde nur oft ein starkes Unbehagen und frustriertes Aufbäumen bei jungen Kollegen (weniger bei Kolleginnen übrigens) gegen Dinge, die seit Jahrhunderten bei allen Verwaltungen und Behörden vorkommen.
Dieses Sich-aufreiben an Dingen, die sich nicht ändern lassen, nimmt Kraft, den Kampf gegen Unsitten aufzunehmen, die sich sehr wohl ändern lassen und auch sollen.
Lies doch bitte den letzten Beitrag von kfmaas noch einmal durch und erspüre neben der wehmütigen Klage über das baldige Ende des Referendariats auch die Lust am Austausch, am Leben, an den Schülern und auch an der Schule - so möchte ich in 16 Jahren auch noch denken! Er leidet immer noch an den Lasten dieses Schulbetriebs, aber er hat nicht resigniert, sich ins Beamtendenken geflüchtet oder sich eingeigelt.
Also: sei ein kleiner Laokoon, der zum Leiden befähigt und bereit ist.
Herzliche Grüße,
oblong
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| @oblong | | von: stumpelrilzchen
erstellt: 23.04.2006 13:46:00 |
Ich stimme dir voll und ganz zu, dass einige bestimmt Schwierigkeiten haben, sich einem System zu unterwerfen. Ich denke allerdings, dass dein Vergleich mit der Bundeswehr hinkt. Dort musst du (so vermute ich), in erster Linie Befehle befolgen. Im Ref heißt es eher, machen sie es so, wie sie denken, aber nicht anders, als ich denke. Die Sache wird dann zum Problem, wenn man das öfter als von einer Person vermittelt kriegt. Natürlich gibt es da Ausnahmen und ich spreche hier NICHT von den Mentoren, sondern von den Lehrbeauftragten.
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| Lamentieren? | | von: stumpelrilzchen
erstellt: 23.04.2006 13:55:07 geändert: 23.04.2006 14:00:20 |
Mich stört hier, dass mir und manch anderen hier vorgeworfen wird, wir würden nur herumflennen und lamentieren. Sind wir denn wircklich solche Ausnahmen?
Wenn ich meine Ref.-Kollegen so anschaue und anhöre, würde ich behaupten, nein. Die Gespräche in den Pädagogikgruppen haben eher Therapiecharakter. Da finde ich niemand, der sagt, er fände alles "supi" und mache lauter tolle Erfahrungen. Ich weiss nur, das fast alle mit den Nerven auf Grundeis gehen und des Öfteren auch Tränen fliessen. Was soll ich einer Mitreferendarin sagen, die von einem Schüler einen Stuhl hinterher geworfen bekam? "Nimms positiv. Nun hast du die Erfahrung, dass du dich früher bücken musst." Was soll ich einem Freund sagen, der wegen uneinsichtigen Gründen durch die Lehrprobe fiel? "Freu dich, du hast von den Prüfern noch ein halbes Jahr geschenkt bekommen?"
In Schutz nehmen, möchte ich allerdings die Mentoren. Was würden die Referendare tun, wenn sie nicht wie so oft die Rückendeckung ihrer Mentoren hätten. Lerne lieber etwas von diesen Frontschweinen, als von irgendeinem buchschreibenden Erziehungswissenschaftler, der meint er hätte "supi" Ideen.
Falls auch das Ref achsogut gefällt, dann bewundere ich euch. Nur, lasst uns unsere Erfahrungen! |
| Ich sehe jetzt klarer | | von: oblong
erstellt: 23.04.2006 15:34:57 |
Deine letzten beiden Einträge, stumpel, haben mir geholfen beim Verständnis.
Du schreibst:
Im Ref heißt es eher, machen sie es so, wie sie denken, aber nicht anders, als ich denke.
Ich halte dies aber nicht für ein spezifisch schulisches Problem, sondern für ein gesellschaftliches: Viele sind zu feige, autoritativ zu sagen: "Ich erwarte, dass Sie das so machen" oder, etwas abgeschwächt: "Ich möchte gerne ...".
Wenn ich es so formuliere, wie du es zurecht als nervig beschrieben hast, dann gehe ich Diskussionen aus dem Weg und bleibe in Deckung. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ich dieses Verhalten als Mentor von Praktikanten und Referendaren sowie als Religionslehrer indiskutabel finde. Wenn ich Verantwortung übernehme, dann bin ich auch Antwort schuldig.
Wie du schon beim letzten Beitrag von kfmaas gesehen hast, sind unsolidarische Verhaltensweisen, was Disziplinverstöße von Schülerinnen und Schülern gegenüber Referendarinnen und Referendaren betrifft, bei "Vorgesetzten" zwar für euch besonders schmerzlich, weil euch noch vergleichbare Erlebnisse fehlen; du musst aber nicht glauben, dass sich ein Oberstudienrat toll fühlt, wenn Frechdachse hinter seinem Rücken und ohne ein Gespräch mit ihm sich beim Chef über ihn beschweren - und von diesem Recht bekommen, ohne dass der Schulleiter mit dem Lehrer darüber gesprochen hat. Nur, und das kommt natürlich für euch erschwerend hinzu: beim OStR hängt beruflich nicht so viel davon ab.
ponis Idee der Offenlegung finde ich nicht so prickelnd: ich denke, ich könnte dir in einer persönlichen Nachricht ja die Frage stellen, ob du mir nähere Angaben zu deinem "Standort" machen möchtest, und dann könntest du immer noch entscheiden, ob du so viel Vertrauen verschenken willst; von einem öffentlichen "Hosen runter" halte ich nichts.
Halte die Ohren steif!
Herzliche Grüße,
oblong |
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