... und ich kann durchaus viele der angeführten Dinge hier nachvollziehen, manches erschließt sich mir allerdings bislang auch überhaupt nicht. Ich denke auch nicht, dass es irgendetwas bringt, wenn ich mich diesbezüglich zu Wort melde, aber da hier Meinungen kundgetan werden, gebe ich meine hier auch preis (diskutiert wird eher weniger, da es mir derzeit nicht danach ausschaut, als wenn hier aufgrund der überwiegendenen Mehrheit von Wortmeldungen irgendeine Art von Konsens erreicht werden kann, aber das ist ja auch vielleicht gar nicht gewollt oder notwendig).
Zunächst einmal zu mir:
Bevor ich Lehrer wurde, war ich jahrelang in der Jugendarbeit aktiv, ich wohne in einer Kleinstadt in der Nähe von Dänemark und habe auch aufgrund meiner sportlichen Aktivitäten als Jugendlicher und als ehrenamtlicher junger Erwachsener viele Kontakte zu dänischen Vereinen und Jugendarbeitsorganisationen gehabt. Ich habe ebenso jahrelang als Betreuer in Zeltlager gearbeitet, habe Podiumsdiskussionen mit allerlei Politikern von kommunaler bis hin zur bundespolitischen Ebene organisiert und geleitet und kenne auch ein paar - mittlerweile ehemalige - Landesminister privat.
Eine der größten Umstellungen als ich Lehrer wurde war für mich das Siezen. Aus der Jugendarbeit kannte ich nur das Du - egal ob ich als Betreuer unterwegs war oder in offiziellen Gremien gesessen und diskutiert habe. Du. Du. Du. In Sportvereinen war es ähnlich mit dem eigenen Trainer. Andere Trainer wurden jedoch gesiezt (und es war ein skandinavischer Verein!), bis man von ihnen mal das Du angeboten bekam, weil man mehr miteinander zu tun hatte. In einer kindlichen Phase fand ich es auch mal toll alle anderen, mit denen ich mich nicht duzte, zu duzen. Das hab ich aber auch relativ schnell wieder ad acta gelegt, als ich so ungefähr 10 Jahre alt war. Es entsprach einfach nicht den Gepflogenheiten und das bekam man deutlich zu spüren.
In einem Schüleraustausch mit Norwegen wurde sich natürlich auch mit den dortigen Lehrern geduzt - die eigenen Lehrer duzten wir hingegen nicht und auch die norwegischen Schüler siezten unsere Lehrer, "weil sich das so gehört". Es ist halt gesellschaftlich gewachsen. Nun gut, wir waren in der Oberstufe und wurden grundsätzlich alle auch von Lehrern gesiezt (allerdings beim Vornamen genannt - und das war für uns alle vollkommen in Ordnung) und dennoch konnten wir bei Feierlichkeiten auch gut miteinander feiern (auch Lehrer und Schüler). Hätte ein Lehrer der Schülerschaft das "Du" angeboten - also in der Form, dass wir ihn auch hätten duzen dürfen/sollen - , hätte er sicherlich mit einer Maßregelung "von oben" rechnen müssen. Einige wenige Lehrer, mit denen man viel zu tun hatte und sich gut verstand, taten dies nach dem Abitur und mit einigen habe ich auch heute noch Kontakt und wir treffen uns ab und zu.
Einfach das Duzen als Grund für bessere Vergleichstestsergebnisse anzuführen ist sicherlich etwas blauäugig, aber der ebenfalls erwähnte Aspekt des Lernklimas, das dadurch beeinflusst werden kann, ist durchaus ein wichtiger - aber das Lernklima durch eine Anrede formen zu wollen ist nicht machbar. Das Duzen als Pflicht einführen zu wollen... hm... Schwierig - zumal die Argumentation - in Foren wird sich geduzt, das ist Gang und Gäbe und durch das einseitige Duzen fühle man sich beleidigt dadurch ad absurdum geführt wird, dass Personen, die sich durch das Duzen beleidigt fühlen, wenn sie jemanden siezen, zumal dies gesellschaftlich ebenfalls so gewachsen ist und derzeit noch viel weiter verbreitet ist, einfach penetrant weiter geduzt werden. Vielleicht ist es vo Region zu Region unterschiedlich. Mir wäre es nie eingefallen die Eltern meiner Spielkameraden zu duzen, wenn sie mir das nicht anbieten. Einige sieze ich auch heute noch. Ich sieze auch meine ehemalige Kindergärtnerin - das war bei uns so. Ich habe es auch noch nie erlebt, dass Kinder andere Erwachsene duzen - vielleicht eine Besonderheit dieser Region, wenn ich mir dieses Argument anschaue.
Ich kam mir - zugegeben - sehr komisch vor, als ich das erste Mal in der Kneipe, in der wir uns als Jugendliche häufig trafen, von einem Kellner gesiezt wurde. Wir wurden da doch IMMER geduzt - und wir siezten natürlich. In den meisten Kneipen, Restaurants ist es hier übrigens immer noch so: Kinder werden geduzt, Ober hingegen gesiezt.
Ich halte auch die Tür auf - egal welchem Geschlecht oder Alter, wenn es grad passt.
Meine Klasse hatte ich von der 5. Klasse an. Es war logisch, weil es halt gesellschaftlich so gewachsen ist: Sie siezen, ich duze. Hier ist es eigentlich üblich, Schüler ab dem vollendeten 16. Lebensjahr zu siezen - bei Nennung des Vornames - aber auch nur, wenn alle Mitschüler ebenfalls 16 Jahre alt sind oder wenn es eine Oberstufenklasse ist. Ich bot meiner Klasse in der 10. an, sie zu siezen. Oha. Die haben mir aber was erzählt. Duzen wollten sie auch nicht. Ein Kollege von mir duzt grundsätzlich und akzeptiert nicht selbst gesiezt zu werden. Das passt zu ihm, aber einige Schüler fanden das seltsam und mochten das nicht, weil das so anders ist und sie es lieber hätten "wie immer". Einige meiner Schüler, die ich immerhin von der 5. bis zur 10. Klasse unterrichtet habe - es war eine grandiose Klasse und wir haben viel miteinander unternommen und haben z.T. auch immer noch Kontakt - duzen mich dennoch nicht. Das finden sie komisch. Und dennoch kamen einige schon damals mit Liebenskummer, häuslichen Problemen und anderen Dingen zu mir. Und trotz des guten Verhältnisses wollen sie nicht geduzt werden.
Wenn Das Duzen zur Pflicht wird, die restliche Atmosphäre aber nicht passt, kann das auch arg nach hinten losgehen. Ich würde mich freuen in einer Schule arbeiten zu können, in das alles passt. Aber auch bei uns an der Schule haben sich bei weitem nicht alle geduzt. Wer auf die Idee käme den Hausmeister zu duzen ohne dass er das Du angeboten hat, der konnte sich nicht wirklich lange an der Schule halten, bei dem Direx war es ebenso. Er duzte sich mit zwei Kollegen. Die neue Schulleitung brachte da ein anderes Feeling mit, aber viele Kollegen wollten die Schulleitung nicht duzen und siezen also weiter.
Was ich bislang auch noch nicht verstanden habe, aber vielleicht hab ich das auch falsch gelesen oder fehlinterpretiert: Den Respekt hat man nach der Argumentation nicht von vorherein, den erarbeitet man sich. Heißt das dann, dass man sich von Beginn an erstmal duzt und sich dann das Sie erst später erwirkt?
Siezen abschaffen. Okay. Das ist eine Meinung. Hier ist jemand, der möchte grundsätzlich lieber Duzen. Vollkomen in Ordnung. Die Gründe, die hier ins Feld geführt wurden, sind aber auch eher von dieser persönlichen Haltung gefärbt - womöglich ebenso wie die, die die "Siezer" anführen. In Ordnung. Dass es da dann jedoch zu keinem Kompromiss kommen kann, ist klar, denn ein Kompromiss kann ja nur zustandekommen, wenn beide Seiten sich bewegen. Das sehe ich hier aber nicht.
Nicht alle Normen müssen durch Gesetze geregelt sein.