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Forum: "Sind Diktate noch zeitgemäß?"
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| Was sind bitte schön Diktate? | | von: wabami
erstellt: 07.01.2006 15:42:34 |
Ich kenne Diktate in der Form, dass ein bis dato unbekannter Text in kleinen Sinneinheiten vorgelesen wird und dabei von den Schülern schriftlich festgehalten wird!
Oben musste ich schon lesen, dass ein Diktat eine ganze Woche gepaukt wurde; aus deinem Text, dorfkind78, entnehme ich, dass auch du Diktate mehrmals schreibst - sonst wäre es ja keine Übung und sonst kämest du ja auch nicht zu dem Schluss, dass es Schüler gibt, die aus dem Gedächtnis ein Diktat richtig schreiben!
(Wenn du Gedächtnis auf einzelne Wörter beziehst, dann kann man auch in freien Texten sein Gedächtnis nutzen!!)
So machen Diktate für mich keinen Sinn!
Zu deinem Zweifel, dass Diktate orthografische Fähigkeiten testen würden: Wie prüft man sie dann?
In einem Aufsatz o.ä. verwendet ein Schüler ja nur Worte die ihm gefallen - besten Falls nur die die er sicher beherrscht. Man muss also schon einen Text vorgeben und zwar so, dass die Schüler ihn nicht geschrieben sehen.
Andere Varianten neben dem Diktat sind denkbar und sollten sicher auch angewendet werden, aber eben das Trainieren weiterer Fertigkeiten beim Diktat machen es in meinen Augen zu einem unverzichtbaren Mittel im Deutschunterricht!
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| Jetzt muss ich mich doch mal wieder einklinken | | von: streberin
erstellt: 07.01.2006 17:47:44 geändert: 07.01.2006 21:26:07 |
Bevor in Bayern mit dem Lehrplan 2000 die neue Rechtschreibdidkatik, die in erster Linie auf das Erlernen der Rechtschreibstrategien abzielt, eingeführt wurde, sah der Rechtschreibunterricht folgendermaßen aus: Anhand eines Textes wurden sogenannte Lernwörter eingführt und auf verschiedene Weise geübt. Nach einiger Zeit wurde dieser Text als sog. Nachschrift diktiert. Kinder, die Mütter daheim hatten, die den Text mit ihnen die ganze Woche übten und die sich leicht taten, machten dann keine oder sehr wenige Fehler. Nach zwei oder drei Nachschriften wurde mit dem geübten Wortschatz ein unbekanntes Diktat geschrieben und da trennte sich dann die Spreu vom Weizen. Wenn die Wörter nämlich in einem anderen Zusammenhang auftraten, schrieben sie nur noch die wirklich guten Rechtschreiber richtig. Die andereren waren rettungslos verloren.
Für die wirklich guten Rechtschreiber ist es völlig egal, auf welche Weise sie die Rechtschreibung erlernen und wie das überprüft wird, denn sie haben da eben ihre Begabung und keine Schwierigkeiten.
Für die anderen reduziert sich durch den Wegfall der Diktate zu Gunsten von RS-Proben, in denen sie durch Anwendung von Strategien zeigen können, ob sie die Wörter richtig schreiben können, der Druck enorm.
In meinen Rechtschreibproben diktiere ich übrigens immer auch einige Sätze zu geübten Wörtern- aber eben nicht Diktate von über 100 Wörtern.
Und noch etwas zu den Fehlern, die Kinder "erlernen", wenn man sie nicht darauf hinweist. Wenn das stimmen würde, würden die Kinder erstens nicht das gleiche Wort dreimal auf verschiedene Weise falsch schreiben und die meisten würden überhaupt keine RS-Fehler machen, denn sie lesen in der Schule doch z.B an der Tafel nur richtig geschriebene Wörter und Texte und sind oft nur sehr schwer dazu in der Lage, sie richtig abzuschreiben. |
| @ wamabi | | von: ninniach
erstellt: 07.01.2006 22:59:45 |
Ich beziehe mich jetzt einfach mal auf die Nummern, die du in deinem Beitrag benutzt hat. :)
1. Natürlich muss die Konzentration verstärkt geübt werden, meiner Meinung nach heute mehr denn je. Das kann man auch mit Diktaten tun, allerdings gibt es in meinen Augen bessere Wege dafür. Es ändert sich jedoch nichts an der Tatsache, dass ein Diktat eben nicht die tatsächliche Rechtschreibfähigkeit wiederspiegelt, sondern vor allem anderen die Konzentration. Zum ersten Mal so richtig bewusst geworden ist mir dies, als ein sonst recht sicherer Schüler (auch in Bezug auf Rechtschreibung) im Diktat plötzlich unheimlich viele Fehler machte. Klar, er hat immer Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Wenn ich also ein Diktat schreibe, dann ist das Ergebnis dieses Diktats nicht eine Bewertung seiner Rechtschreibleistung, sondern die seiner Konzentrationsfähigkeit und ich halte es einfach für unangebracht, dass solche Noten in einem vergleichsweise hohen Anteil, evtl. sogar ganz die Rechtschreibnote ausmachen.
Bei anderen Kindern macht dann zum Beispiel der Fleiß die Rechtschreibnote aus, denn egal wie du es drehst und wendest, zumindest der Wortschatz muss anfangs vor dem Diktat geübt werden.
Ich finde es gleichzeitig aber auch sinnvoll, denn Kindern immer mal wieder einen Abschnitt zu diktieren. Auch das sollen sie lernen und tatsächlich muss soetwas in meinen Augen erstmal gelernt/geübt werden, besonders wenn es dann auch als Prüfungsinstrument verwendet werden soll.
2. Vielleicht sollte Lernen und Üben auch außerhalb der Schule stattfinden. Natürlich sollten die Eltern ihre Kinder fördern, ihnen ein Vorbild sein, viel Lesen, den Kindern interessante Bücher zur Verfügung stellen, den Kindern Gelegenheit bieten, um mit Schrift experimentieren zu können. Aber leider leben wir nicht in einer idealen Welt. Für mich waren diese Umstände noch selbstverständlich, vor 25 Jahren. Auch ich würde alles versuchen, um meinem Kind diese Dinge bieten zu können. Aber das schaffen nicht alle Eltern, sei es der Zeitfaktor, sei es das Geld, sei es der Bildungsgrad der Eltern selbst und deren mangelnde Auseinandersetzung mit Schrift.
Solange sich Lehrer und Schule aber darauf berufen, dass das, wovon ich weiter oben geschrieben habe, Sache der Eltern ist, wird sich an der erschreckenden Abhängigkeit von Bildungsstand der Eltern und Bildungserwartung der Kinder nichts ändern. Zur Zeit sind die Verhältnisse für mich so, dass alles, was ich tun kann, nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Aber ich mache es trotzdem so gut ich kann, denn ich halte nichts davon zu bejammern wie schlecht/schlimm/anders die Kinder heutzutage sind. Das macht nichts besser.
Ich verstehe es als meine Aufgabe, alle Kinder so gut es geht zu fördern und dabei kann ich mich nicht nach dem richten, was vor 25 Jahren die Norm war, sondern ich muss schauen, was ich gerade jetzt vor mir habe und was dieses Kind jetzt braucht, dem zu Hause kein Schreibtisch zur Verfügung steht und das seine Hausaufgaben in der Wohnküche macht, in der die Mama vielleicht gerade kocht, der Vater viel zu laut Fernseh guckt, der kleine Bruder rumkrakelt und wo vielleicht grade mal der halbe Tisch frei ist, aber das nunmal in meiner Klasse sitzt.
Diesem Kind bringt es nichts, wenn ich ihm etwas diktiere und ihm so das letzte Bisschen Interesse, dass es vielleicht an Schrift mitgebracht hatte dadurch vermiese, dass es dann ein hübsch rot unterstrichenes Diktat zurückbekommt. Dieses Kind muss erstmal erfahren, wozu das Schreiben überhaupt gut ist und dass es Vorteile bringt, schreiben zu können. Erst wenn es solche grundlegene Erfahrungen gemacht hat, kann man weiter gehen.
Die Eltern interessieren sich übrigens vielleicht tatsächlich nicht für die 55ct, die die Briefmarke kosten würde. Es geht wohl vielmehr darum, dass sie den Sinn dahinter gar nicht verstehen, weil ihnen aus den verschiedensten Gründen der Zugang dazu fehlt. Heute bekam ich übrigens den dritten Brief. Leider weiß ich nicht, ob ich das Zurückschreiben noch schaffe morgen.
3. Für dich ist es vielleicht so, dass ein Diktat zum Prüfen da ist. Du kannst etwas voraussetzen, beziehungsweise du konntest etwas voraussetzen, denn auch das scheint sich inzwischen verändert zu haben. Ich muss zumindest vor einem Diktat ein Rechtschreibphänomen/eine Rechtschreibregel behandeln, dazu üben und dann passende Wörter dranbringen.
Vielleicht liegt da ja auch der Hund begraben. Bei den Kindern entsteht der Eindruck, dass das für das Diktat gelernt werden muss und man das danach einfach abhaken kann. Ich erinnere mich noch immer schmunzelnd an den ein oder anderen Englisch-Nachhilfeschüler, der irgendwann voller Entsetzen feststellen musste, dass es ihm herzlich wenig bringt, die Vokabeln nur für den nächsten Test zu pauken und dann links liegen zu lassen. Und was sie dann alles aufzuholen hatten. Eventuell könnte es ja sein, dass das Üben/Lernen für das Diktat einem ähnlichen Muster folgt und das eigentliche Ziel, nämlich die Rechtschreibung zu erlernen, um sich verständlich und lesbar, später normgerecht, schriftlich ausdrücken zu können, ihnen gar nicht bewusst ist. Da bin ich wieder an der Stelle, an der ich sage, dass es nichts bringt, Rechtschreibung zu pauken, Wortschatz einzuüben, blind, ohne selbst verstanden, begriffen zu haben, wozu das gut ist.
Interessanterweise kenne ich genug Fälle, in denen ich nur für eine Klausur oder einen Test gelernt habe. Das waren immer die Dinge, die ich einfach lernen musste, ohne dahinter einen richtigen Sinn zu erkennen. Bei denen war ich dann ähnlich blind, wie so mancher Schüler es vielleicht auch ist und ich hatte dabei auch sicher keinen Spaß und kein besonderes Interesse an der Sache. Physik zum Beispiel, das fand ich grauenhaft und es stand früh fest, dass ich dieses Fach abwählen würde. Ich habe da nichts für mein Leben gelernt, weil es dort nichts für *mein* Leben zu lernen gab - beziehungsweise es gab das nichts so, dass ich es für mich und mein Leben wichtig fand.
Jetzt bin ich auch schon an der letzten Sache angelangt, die ich loswerden möchte. Für mich ist es tatsächlich eine Art übergeordnetes Ziel, dass die Schüler die Freude am Lernen behalten, gerne in die Schule gehen und Spaß bei dem haben, was sie da tun. Ich habe in meinem Studium gelernt, wie wichtig eine positive Atmosphäre für das Lernen ist. Das sagt nicht nur Spitzer, sondern wenn ich mich nicht total irre, dann sagt das auch schon Frederik Vester.
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| Rechtschreibstrategien | | von: ishaa
erstellt: 07.01.2006 23:29:07 |
Für mich steht das Thema in einem größeren Zusammenhang. Es hängt nämlich damit zusammen, ob an einer Schule wirklich Wert auf die Nachhaltigkeit des Lernens gelegt wird, ob Schüler wirklich Methoden, Kompetenzen, Fertigkeiten erwerben, die sie befähigen, zunehmend selbständiger zu lernen, ob ihnen wirklich vermittelt wird, was im Angebot ist und wie sie diese Angebot nutzen können.
Hier wird immer auf Lehrpläne und Richtlinien verwiesen. Klar, in den meisten steht das heute ganz klar drin. Aber wo wird es denn wirklich umgesetzt?? In einem Beitrag weiter oben wurde schon erwähnt, dass Diktate und althergebrachter Rechtschreibunterricht sich trotz alledem noch ganz beharrlich halten.
Und für die Schüler, zumindest bei uns an der HS ist es ganz schön schwierig, sich umzustellen und wenn sie dann vielleicht nur einen oder zwei Fachlehrer haben, die von ihnen erwarten, selbständiger zu arbeiten, wirklich Verantwortung für ihre Lernprozesse zu entwickeln, dann ist es noch viel mühseliger. Im Fach Deutsch lernen an der HS einige Schüler kaum etwas dazu. Das sage ich jetzt einfach mal so. Deutsch ist für viele schon ein Hassfach, wenn sie kommen. Es ist etwas, das man kann oder nicht kann, und damit hat es sich.
Habe gerade in den letzten Ferientagen eine Rechtschreibarbeit (Rechtschreibstrategien natürlich!) Klasse 8 nachgesehen. Ergebnis: Schüler mit einer attestierten LRS, die sich angestrengt haben, hatten wesentlich bessere Ergebnisse, als "relativ gute" Rechtschreiber. Hätte ich ein Diktat geschrieben, wäre es genau andersrum gewesen. Die Frage ist: Was will ich überprüfen, ob einer was kann oder ob er/sie was gelernt hat?? Dazu gelernt!
Werde wahrscheinlich Probleme bekommen, weil natürlich in der Parallelklasse alles viel besser ausgefallen ist. Wir arbeiten zwar inhaltlich parallel, aber diese Arbeit haben wir bestimmt ganz anders gestellt. Ich hab gar nicht erst nachgefragt. |
| @three | | von: ishaa
erstellt: 08.01.2006 00:47:49 |
Ja doch, du hast es genau richtig verstanden.
Also: Es ging schwerpunktmäßig um zwei Gebiete: 1. Wann ist ein Wort ein Nomen und muss groß geschrieben werden?
2. Kommasetzung bei Nebensätzen.
Die Schüler bekamen einen Text, alles klein geschrieben und ohne Kommas und mussten
1. Anfangsbuchstaben groß schreiben UND unter das Wort einen Buchstaben setzen aus einer Liste (die unter dem Text stand! und mit der wir im Unterricht ständig arbeiten), in der aufgeführt ist, woran ich ein Nomen erkennen kann.
2. Kommas im Text setzen UND zur Begründung den Nebensatz unterstreichen sowie die Konjunktion bzw.das Relativpronomen am Anfang und das Verb in der Endstellung unterstreichen.
Die relativ guten Rechtschreiber sind in der Großschreibung und Kommasetzung relativ sicher, können ihre Entscheidung aber fast nie begründen. Sie hatten wohl während der ganzen Unterrichtsreihe das Gefühle: "Kann ich eh, brauche ich nicht zu lernen." Sie sind aber nur relativ sicher und erkennen etwas vertracktere Fälle nicht. Diese Sicherheit hatten sie schon vor drei Jahren, sie lernen nichts dazu und bleiben halt relativ gut, könnten aber richtig gut werden.
Rechtschreibschwachen Schülern ist bewusster, dass sie auf die Strategien angewiesen sind, sie finden nicht alle Fälle, können aber besser begründen. Da es für richtige Schreibung und Begründung gleich viele Punkte gab, erklären sich so die Ergebnisse. Ist das jetzt ungerecht??
Für mich nicht!
Zur Parallelklasse: Für mich ein neues Problem. Wir sind meist einzügig, letztes Jahr hatte ich beide Klassen dieses Jahrgangs in Deutsch. Was ich mache, entspricht auf jeden Fall den Lehrplänen, vor allem den neuen Kernlehrplänen in NRW. Es entspricht auch voll und ganz unserem wie ich finde tollen Deutschbuch. Ich gehe aber schon pausenlos altgedienten Kollegen auf die Nerven mit meinem was man eigentlich alles anders machen sollte, dass ich manchmal einfach keine Lust mehr habe. Habe in diesem Schuljahr schon zwei Deutscharbeiten schreiben lassen, hinter denen ich nicht wirklich stehe, um mich mit dem Kollegen nicht allzu sehr anzulegen.
Da die Arbeit etwas umgemodelt aus den Begleitmaterialien zu unserem Deutschbuch stammt, kann ich sie hier nicht einstellen. Wenn du mir deine mail-Adresse per Nachricht schickst, sende ich sie dir aber gerne zu.
So, hoffentlich hat das jetzt auch andere interessiert, sonst wär's was lang für's Forum
LG
ishaa
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| @ninach | | von: wabami
erstellt: 08.01.2006 10:40:48 |
Betreibst du eigentlich Sport?
Mir macht er richtig Spaß und zwar genau deshalb, weil es einen Wettbewerb gibt! Ständig wird man auf seine Unzulänglichkeiten hingewiesen, aber auch ständig kann man sich mit anderen messen und erfahren, wie gut man trainiert hat.
Und Sport hat als reines Vergnügen in unserer Gesellschaft Einzug gefunden!!
Ich will ja nicht behaupten, dass man ohne Diktate keinen Wettbewerb hätte, aber dass sich Diktate wunderbar als Wettbewerb eignen, weil die Rahmenbedingungen eindeutig und klar sind!!
Nun aber zu einem viel wichtigeren Knapppunkt in deiner Argumentation:
Wen unterrichten wir? Die Produkte der jetzt schaffenden Generation? Oder die Mitglieder der künftigen Generation?
Wenn sich schon heutige Eltern all zu oft nicht bereit erklären die Lese- und Schreibkompetenten ihrer Kinder im Alltag zu fördern, welche Dinge sollen denn die jetzigen Schüler ihren späteren Kindern vermitteln??
Die Rücksichtnahme auf sozial schwächere Familie im Bildungssystem darf m.E. nicht soweit gehen, dass die Eltern von der Aufgabe ihre Kinder zum Lernen zu motivieren und sie dabei zuhause zu unterstützen entbunden werden. Aber genau dies nehme ich als Vater einer Grundschülerin wahr!
Zu deinem Physikbeispiel: Wenn du das Fach nicht frühzeitig abgeschrieben hättest und indem du nur für die Arbeiten gelernt hast, sondern etwas Biss bewiesen hättest, dann könntest du noch heute vieles aus dem Physikunterricht mitnehmen. Es gibt so viele Anwendungen, wo wir die Physik ausnutzen:
Hebelgesetz um etwas zu öffnen, Affinitäten zum Reinigen etc.
Wenn du den Zusammenhang zwischen Stromstärke, Spannung und Widerstand nicht nur für die Arbeit gelernt hättest, dann wüsstest du heute, ob man eine defekte Sicherung gefahrlos durch eine mit höherer oder niedriger Amperezahl austauschen darf, wenn keine passende vorhanden ist. Und könntest dann (später) deinen Kindern die Relevanz des Physikunterrichtes vermitteln ...
Jeder begegnet in der Schule Lerninhalten die ihn nicht sonderlich interessieren, aber trotzdem zu Recht im Curriculum enthalten sind - da muss man sich durchbeißen und nicht fordern, dass der Lehrer den Spaß in den Unterricht holen soll!
Soll man erst zum Physikunterricht oder der höheren Mathematik erfahren, dass Lernen nicht nur eine freudbetonte Tätigkeit ist?
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| interessant | | von: ysnp
erstellt: 08.01.2006 11:23:17 geändert: 08.01.2006 11:45:43 |
Hallo ishaa,
ich fand deinen Beitrag sehr interessant, zumal mir jetzt klar wird, dass auch in der Hauptschule ein anderer Rechtschreibunterricht stattfinden kann.
Zur Motivation: Dass die Hauptschüler Probleme mit der Motivation haben, wenn sie an die Hauptschule kommen, liegt meines Erachtens an der frühen Auslese. Sie fühlen sich größtenteils als Versager. Wenn ich die oft unrealistischen Wünsche meiner Grundschüler anschaue, sehe ich, dass der überwiegende Teil der Schüler keinesfalls auf die Hauptschule möchte. Und wenn sie eben dann doch dort sind, wird ihnen die Realität erst klar.
Ich habe auch schon mitbekommen, dass sich zukünftige Hauptschüler von anderen anhören müssen, dass sie auf die "Looserschule" gehen. Dies ist sicherlich nicht förderlich für die Motivation in der Hauptschule.
Hingegen sehe ich bei Schülern mit Lernproblemen in der Grundschule doch noch Motivation vom Schüler her, die Situation zu verbessern. |
| . | | von: palim
erstellt: 08.01.2006 12:43:23 |
Das Sport-Beispiel ist ja ein klassisches in der Literatur zu gelingendem und den Schülern angemessenen Unterricht bzw. der Bewertung der Leistungen (Preuss hieß der Autor). Seine Sport-Geschichte geht etwa folgendermaßen:
Ein Blinder, ein Rollstuhlfahrer und ein normal Begabter machen gemeinsam Hindernislauf. Wie sind ihre Leistungen zu bewerten?
Ähnliche Geschichten gibt es mit Tieren.
Deutlich werden soll, dass die Ausgangsbedingungen vielfältig und sehr verschieden sind. Und es reicht nicht, die Hindernisse einfach höher zu schrauben, damit alle sich noch mehr anstrengen und munter über die Stangen springen. An den unangemessenen Hindernissen bzw. Bedingungen brechen sich früher oder später etliche Sportler die Knochen und werden in Zukunft sagen: Hindernislauf? ohne mich!
Auf die Schule und Diktate bezogen: Schüler, die bereits in Klasse 1 oder 2 permanent an Diktaten oder Nachschriften scheitern, weil sie in ihrer Schreibentwicklung noch gar nicht die Phase erreicht haben, in der ihnen Regeln bewusst werden, werden bald sagen: Ich kann das gar nicht.
Geht die Lehrerin nicht gezielt darauf ein, werden die Eltern durch vermehrtes häusliches Üben die Lernwörter oder Diktate noch mehr üben... was aber der falsche Ansatz ist, denn die Fähigkeiten des Schülers sind noch gar nicht weit genug entwickelt. Das Üben setzt am falschen Punkt an, wird zu keiner wirklichen Verbesserung führen und nur noch mehr Frust auslösen.
Es geht nicht darum, den Eltern alles abzunehmen, es geht darum, den Schülern zu helfen. Das kann durchaus auch bedeuten, den Eltern Hilfestellungen zum häuslichen Üben zu geben.
Weiterhin sehe ich es aber auch so, dass die Bedingungen in manchen Elternhäusern so ungünstig sind, dass einige Schüler wirklich viele Hürden nehmen müssen um gleiche Leistungen zu bringen, wie Kinder aus gut situierten Elternhäusern. Unterricht soll allen Kindern das Lernen ermöglichen und muss sich m.E. auf diese verschiedenen Bedingungen einstellen.
Im übrigen ist es reichlich dreist zu behaupten, man hätte die Physik besser verstanden, wenn man länger am Ball geblieben wäre. Bevor man ein Fach abwählen kann - so war es bei uns - hatte man es bereits mindestens 4, wenn nicht sogar 6 Jahre als Unterrichtsfach genossen. Am Ende dieser Zeit habe ich ebenfalls Physik abgewählt und zwar nicht, weil es mich nicht interessiert hätte, sondern weil mir die Erklärungen des Lehrers schlichtweg nicht gereicht haben. Die Fragen, die ich hatte, wollte oder konnte er nicht beantworten, er hatte seinen Stoffplan und seine Vermittlungsweise und seine Fragen im Kopf, meine haben ihn gar nicht interessiert. Das hat mit dem Lernen für die Klassenarbeit dann überhaupt nichts zu tun, das Interesse wäre ja vorhanden gewesen, wurde aber nicht mit einbezogen.
Will man Schüler zu aufgeweckten, interessierten Menschen erziehen (oder besser: diese Neigung erhalten!) und damit lebenslanges Fragen und Lernen unterstützen, sollte man den Schülern das Fragen nicht abnehmen, sondern es für wichtig erachten.
Das gilt für Physik und für Rechtschreibung. Am Ende steht dann nicht: Ich kann das sowieso nicht, Rechtschreibung war noch nie meine Sache, schon in der 1. Klasse war ich immer der Schlechteste,
sondern: Ich bin mir nicht sicher, wie man das schreibt, aber ich schaue das nach, denn es ist mir wichtig, dass mein Brief möglichst wenig Fehler aufweist.
Palim |
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