|
Forum: "inklusion"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
| ... sich dagegen wehren | | von: palim
erstellt: 07.03.2013 23:08:55 |
Warum die Gewerkschaft in Nds. noch nicht zuckt, ist mir auch nicht klar.
Aber vermutlich warten alle darauf, dass es endlich den Erlass mit den untergesetzlichen Bestimmungen gibt, in denen man dann schwarz auf weiß nachlesen kann, was man in 5 Monaten in der Schule umsetzen darf ... bzw. jetzt schon.
Ganz ehrlich:
Es gibt Schulen in Niedersachsen (etwa 50%), die schon längst im RIK arbeiten, die die volle Versorgung von Beginn an bekommen haben - oder zumindest für die 1. und 2. Klasse - oder sogar mehr Stunden zur Verfügung hatten, Integrationshelfer etc.
Und es gibt auch Schulen, an denen den LehrerInnen erst jetzt dämmert, was da auf sie zukommt.
Die Eltern sind noch gar nicht informiert und wissen gar nicht, was "Integration" oder "Inklusion" bedeutet.
Und wenn sie das wissen, dann wissen sie nicht, zu welchen Bedingungen dies geschehen soll. Sie glauben dann gerne, dass ihr behindertes Kind mit voller Betreuung an die normalen Grundschulen gehen kann ... und sind davon begeistert.
Ganz deutlich ist dann auch noch, dass man, sobald man sich gegen diese Bedingungen ausspricht, sofort damit konfrontiert wird, man sei gegen Behinderte, wolle sie weder integrieren noch inkludieren, wäre damit gegen geltendes Menschenrecht etc.
... und als LehrerIn ist man außerdem fortbildungsscheu, faul, unpädagogisch, ...
Palim |
| sich wehren | | von: sonpaed
erstellt: 08.03.2013 17:38:43 geändert: 08.03.2013 20:30:13 |
wogegen bitte genau? gegen die veränderung unseres schulsystems? gegen
eine handvoll "anderer" kinder? gegen....?
dieser tage hat uns jemand etwas sehr interessantes im zusammenhang mit
der inklusion in der schule erzählt:
dieser mensch sagte, dass sich unser schulsystem eh radikal verändern
würde. er zeigte uns zahlen auf, welche teilweise einen dramatischen
einbruch in den kinder- und damit zukünftigen schülerzahlen offenbarten.
dann führte er aus, welche veränderungen dies in der schullandschaft unserer
region haben wird. viele kollegInnen um mich herum wurden bleich. plötzlich
wurde ihnen klar, dass ihre schule schon kurzfristig im bestand in frage
gestellt ist. bislang war ihnen, aber auch mir dies in dieser dramatik nicht
klar.
wehren - sollen sich lehrerInnen an realschulen dagegen wehren, dass sie sich
nunmehr um kinder kümmern müssen, "für die sie nicht ausgebildet sind"?
um kinder mit hauptschulempfehlung, die aufgrund fehlender hauptschulen
jetzt zu ihnen in die schulen kommen?
wehren - sollen sich die lehrerInnen an gymnasien, die aufgrund der tatsache
fehlender anderer sek I systeme in ihrer kommune, außer der gesamtschule,
plötzlich vom abschulen lassen müssen?
wehren - wie machen das die kollegInnen in den grundschulen, die keine
eingangsklasse mehr zusammen bekommen?
wehren - wogegen also genau? gegen welche veränderung? und mit welchem
ziel? dass sich möglichst nichts ändern soll?
letzteres äußerten teilweise kollegInnen, die zuvor noch über die veränderten
bedingungen bezüglich der voraussetzungen bei den kindern vehement
geklagt hatten. ihnen wurde die frage gestellt, wen sie denn bei beibehaltung
der bisherigen selektions- und abschulungslösung noch unterrichten
wollten...
alles mal bedenkenswert - war zumindest der tenor auf dieser veranstaltung,
aus der sehr viele sehr nachdenklich nach hause gingen.
mfg
sopaed |
| @sonpaed: Wehren! | | von: ninniach
erstellt: 08.03.2013 22:02:31 |
Dagegen, dass von mir erwartet wird, dass ich bei normaler Klassenstärke von bis zu 26 Kindern Kinder in der Klasse haben werde, die eine besondere Betreuung brauchen.
Dagegen, dass von mir erwartet wird, dass ich das mit Links mache. Politik scheint sich vorzustellen, dass man den Kindern einfach differenziertes Material in die Hand drückt und dann machen sie schon. Meiner Erfahrung nach klappt das so einfach aber nicht.
Dagegen, dass ich plötzlich die Aufgaben einer Förderschulkollegin übernehmen soll. Individuelle Lernziele für Kinder mit Förderbedarf feststellen, Förderpläne schreiben, differenziertes Material bereitstellen, das alles war die ganze Zeit nicht meine Aufgabe und man sagte mir, dass die spezielle Ausbildung der Förderschulkollegen rechtfertigt, dass sie eine Stunde weniger Unterrichtsverpflichtung haben und gleichzeitig eine Gehaltsklasse höher eingestuft sind. Plötzlich kann ich - sogar ganz ohne Ausbildung - die gleichen Aufgaben erledigen, aber Arbeitszeit und Vergütung werden nicht angepasst.
Dagegen, dass die Bedingungen, so wie sie jetzt in meinem Bundesland vorgesehen sind, einfach nur Schrott sind und so Inklusion niemandem gerecht wird. Nicht den Kindern, die ja trotz allem noch ihren Stempel bekommen, denn um sinnvoll arbeiten zu können und sie aus dem Notendruck zu nehmen, muss man ja doch einen Förderausschuss stattfinden lassen und den Förderbedarf feststellen. Nicht den Regelschülern, weil die Zeit für die Aufgaben hinten und vorne nicht reicht, wenn du es für alle gut machen willst. Nicht mir selbst, weil entweder ich mich zerreibe oder meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden kann.
Die Politik setzt aber darauf, dass wir vor vollendeten Tatsachen stehen, uns die Brocken hingeworfen wurden und wir automatisch zum Wohl der Kinder auch noch das auf unseren Rücken laden. Wird Kritik geübt, finden sich sehr schnell Politiker, die sich hinstellen und behaupten, Inklusion würde wunderbar funktionieren, wenn die Lehrer nur endlich wollen würden. Dass wir aber schon seit Jahren wollen und (erfolgreich) getan haben, wird nicht berücksichtigt, denn das war ja noch zu den anderen Bedingungen, die teurer waren. Du schlägst hier permanent in die selbe Kerbe und stellst es dar, als würde jeder, der die Bedingungen kritisiert, Inklusion als solches ablehnen.
Das ist aber nicht so! Ich wäre sofort mit dabei, wenn das endlich mal hieße, dass das Schulsystem so umgestaltet werden würde, dass es überhaupt inklusionsfähig wäre. Dazu müsste man sich aber endlich trauen, weg von dieser elenden Selektion und über einen Kamm Schererei zu kommen. Außerdem muss dafür Sorge getragen werden, dass ein tragfähiges System entsteht und nicht eins, dass entweder die Kinder mit Förderbedarf lediglich aufbewahrt, ohne sie voranzubringen, oder die Lehrkräfte ins Burnout treibt.
Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch hier mitschreibe. Eigentlich habe ich die Hoffnung, dass du verstehst, worum es hier viele geht und was viele ablehnen, schon aufgegeben.
Was mit all dem die Entwicklung von Schülerzahlen zu tun hat, ist mir völlig unklar. Es ist ja hier eh so, dass Inklusionskinder nichts an der Klassenstärke verändern. Dadurch wird also keine Schulschließung verhindert - wenn man vielleicht mal von der Schließung der Förderschulen irgendwann absieht, wobei das nicht geplant ist.
Vielleicht wäre es mal angebracht, die Perspektive zu wechseln und nicht davon auszugehen, dass wir uns DAGEGEN wehren, sondern sich gedanklich dahin zu bewegen, dass wir uns FÜR etwas wehren:
Für *funktionierende* Inklusion, zu Bedingungen, die allen weiterhelfen - zum Beispiel eine Förderschullehrerin, die Regelklassen betreut und allen Kindern zur Seite steht (und das auch leisten kann, nicht so wie jetzt, dass man eigentlich schon ein schlechtes GEwissen hat, wenn man überhaupt jemanden anspricht, der mal einen Tag an der Schule ist, aber eigentlich schon überhaupt keine Kapazität mehr). Für individualisiertes Lernen, ohne Noten und ohne Selektion nach vier/sechs Jahren. Diese Liste könnte ich unendlich fortsetzen, ist nur die Frage, ob du zu diesem Perspektivwechsel bereit bist, den Beitrag ignorierst, weil er nicht in dein Schema passt oder einfach weiter aus Prinzip draufhaust, sobald jemand Bedingungen kritisiert. |
| Wege entstehen im Gehen, | | von: ninniach
erstellt: 09.03.2013 10:29:07 |
auf dieses Bild kann ich mich einlassen. Bei uns sieht das so aus:
Es wurden in den letzten zwanzig Jahren Wege gegangen, die zumindest teilweise gut begehbar waren, vielleicht wie ein Waldweg mit breiten, befestigten Stellen, aber auch mit Trampelpfadteilen und Matschlöchern, da wo wenig Licht hinkommt. Machbar, aber kein Kinderspiel, wichtig vor allem das richtige Schuhwerk.
Im November 2011 zeigte man uns irgendwelche Beispielwege, die genau betrachtet weniger inklusiv waren als unsere Wege. Außerdem sicherte man uns zu, dass unsere Wege erhalten werden sollen und wir sie weitergehen können. Daran hat man sich nicht gehalten, gnadenlos alles gekürzt und mit der Gießkanne versucht, in der Fläche zu verteilen. Gemeinsam mit Eltern wurde genug Wind gemacht, dass zumindest die angelaufenen Integrationsmaßnahmen weiterlaufen können.
Inzwischen zieht man uns das Schuhwerk aus, sperrt den Waldweg und schickt uns mit minimalster Ausrüstung durchs Dickicht und Unterholz in der Abenddämmerung, ohne Taschenlampe, um den von dir genannten Weg entstehen zu lassen. Meine Bereitschaft dafür geht gegen Null, weil es unnötig ist und ich mich dadurch verheizt fühle.
Wege entstehen nämlich auch, wenn man vorher schaut, wo genau man hin will (nicht mal das scheint klar zu sein), wie das Gelände beschaffen ist, wenn man mit einbezieht, wo es schon Wege gibt, die weiter genutzt werden können. Schickt man dann doch eine Expedition durchs Dickicht, sollte man doch zumindest dafür sorgen, dass diese Expedition so ausgerüstet ist, dass überhaupt die Chance besteht, dass alle ohne unnötige Verluste diesen Weg bahnen können.
Der Weg muss nicht von Anfang an da sein, aber damit ich mich der Expedition anschließen kann, muss ich wissen, wo sie genau hingehen soll, und sie muss so gestaltet sein, dass ich für mich die Möglichkeit sehe anzukommen, ohne unterwegs zusammenzubrechen. Das betrifft sowohl die zurückzulegende Strecke, die anfallende Arbeit beim Bahnen der Wege, als auch die ausreichende Ausrüstung. Ich bin ja nicht lebensmüde.
Was Inklusion angeht, sind diese Mindestanforderungen nicht erfüllt. Wenn ich jetzt gezwungen werde mitzugehen, sollte sich niemand allzu sehr drüber wundern, dass ich nicht in Jubelgeschrei ausbreche, sondern immer wieder die Missstände benenne, die es gibt. Vielleicht gibt mir ja dann irgendwann noch jemand mal meine Schuhe zurück oder eine Machete in die Hand (für das Dickicht ;)).
|
| wehren | | von: merlot-lagrein
erstellt: 09.03.2013 11:16:19 |
müssten sich vor allem die eltern der förderschüler, denen vorgegaukelt wird, dass ihr kind in der regelschule die gleiche geballte förderung bekommt wie in der förderschule (ich schreibe immer vor dem hintergrund der förderschule sprache). in unseren regionalen tageszeitungen findet sich fast täglich irgendein artikel über eine schule oder einen schulträger, die oder der jetzt "gut aufgestellt ist" für die inklusion. liest man den artikel dann, steht drin, dass behindertentoiletten, barrierefreie zugänge oder schalloptimierte räume (letztere bringen wenigstens etwas) geschaffen wurden. als wäre es damit getan. wenn ich mir überlege, dass einige von meinen im 1. schuljahr furchtbar sprechscheuen, weil kaum verständlich sprechenden kiddies mit 2 förderstunden pro klasse in einer großen gs-klasse gesessen hätten, krieg ich pipi inne augen. ich entlasse jetzt aus meiner 4ten (sr) 2 schüler mit realschul-empfehlung. wenn das nicht dem un-ziel entspricht, dass allen eine erfolgreiche teilhabe am bildungssystem ermöglicht wird, weiß ich auch nicht weiter. |
Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|