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Forum: "1. 1 Das finstere Zeitalter"
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erstellt: 29.12.2007 19:31:53 geändert: 01.01.2008 14:38:15 |
„Habt ihr es?“, fragte der schmalgesichtige Mönch nicht ohne Arroganz, denn seiner Vermutung nach, hatte es der Mann der nun hinter ihm stand, wie schon so oft, auch diesmal sicher wieder gründlich vermasselt. Auf diesen grobschlächtigen Kerl war einfach kein Verlass. Viel zu oft war er in seiner stümperhaften Art an den wichtigen Dingen vorbeigerauscht und hatte nur Gerümpel mitgebracht. Antonius schloss das kleine Fenster und wandte sich um. Diesmal aber schien es irgendwie anders zu sein. Hatte der grobschlächtige Mann sonst bei Bruder Antonius Worten immer schamvoll und ertappt seinen Blick gesenkt, so sah er ihn diesmal direkt an. Antonius meinte fast sogar ein leicht siegessicheres Lächeln auszumachen, doch dann fiel sein Blick auf Bardolfs Hand. Ein kleiner Gegenstand lag darin, unscheinbar im ersten Moment und doch fesselte er seine Gedanken. Rasch griff er danach, doch Bardolfs Hand schnappte blitzschnell zu. Im selben Augenblick öffnete sich die andere und erst als Antonius ein schweres Säckchen unter seiner Kutte hervorgeholt und in die offene Hand gedrückt hatte, schloss sie sich wieder und Bardolf übergab dem Franziskaner das kleine Od.
„Ihr könnt nun gehen.“, raunte der Franziskaner. Bardolf deutete eine ungelenke Verbeugung an und schlich zur Tür. „Immer zu Diensten. Ihr braucht mich nur zu rufen.“, murmelte er noch, dann fiel die Tür laut hinter ihm ins Schloss. Antonius aber registrierte ihn gar nicht mehr, sondern betrachtete fasziniert den kleinen schimmernden Gegenstand in seiner Hand und er wusste schon jetzt, dass es etwas ganz Besonderes war.
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erstellt: 31.12.2007 14:45:34 geändert: 01.01.2008 14:29:26 |
Der Franziskaner öffnete das Medaillon. Es war mit filigranen Gravuren verziert und der Deckel ließ sich leicht aufklappen. Ihm fremde Schriftzeichen glänzten in der Innenseite und so hielt er den Gegenstand etwas mehr zur Sonne. Wie vermutet erschienen unter den fremden Zeichen feine Schattenlinien und Antonius wandte sich zu seinem Tisch der über und über mit Papierrollen und in dickes Leder gebundenen Büchern übersät war. Er wusste welchen Luxus er sich gönnte, doch er konnte an keinem der schriftlichen Kostbarkeiten vorbeigehen. Mit einer flinken Handbewegung öffnete er die kleine Lade unter der Tischplatte und zog ein Döschen hervor. Darin hatte er Fettkohle aufbewahrt und sie würde nun gute Dienste leisten. Vorsichtig langte er hinein und entnahm etwas von der schmierig schwarzen Paste, dann verrieb er sie über den Deckel des Kleinods. Mit dem Ärmel seiner Kutte wischte er das überschüssige Schwarz wieder ab und nun haftete es nur noch in den eingravierten Linien. Die unbekannten Zeichen prangten nun dunkel in der goldenen Fläche und auch die dünneren Formen darunter waren gut sichtbar. Es kostete seinen Augen einiges an Anstrengung doch jetzt konnte er das Muster erkennen. „DENEN DIE MIT UNS EINS SIND WIRD ERKENNTNIS ZU TEIL. Gideon“ Antonius starrte auf die Buchstaben, seine schmalen Augen verengten sich zu einem dünnen Schlitz und es war Zorn der sich auf seiner Stirn widerspiegelte. „Schon wieder.“, dachte er grimmig, „Schon wieder Gideon. Wer ist das?!“ Die kleine Nadel zitterte und als er sich wieder zum Fenster wandte drehte sie sich kurz mit, um dann erneut in ihre Ausgangsposition zurückzupendeln. „Erkenntnis?“, brummte der Franziskaner und klappte den kleinen Kompass zu. Schon die Tatsache einen solchen zu besitzen war Frevel genug, neumodisches Gespinst, ihn dann aber noch mit Botschaften zu versehen, das war zu viel. Seine Besitzer hatten den Tod verdient. Er verspürte kein Mitleid. |
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erstellt: 01.01.2008 15:28:32 |
„Wir sind eine Gemeinschaft.“, erwiderte Jakob beruhigend auf Maries geäußerte Sorge, „In jeder Stadt findet sich jemand der uns hilft. Sei dir sicher.“
„Aber du bist keiner von ihnen.“, meinte sie leise, „Nicht wirklich, oder?“ Jakob senkte den Kopf. Nein er war keiner von ihnen. Er war es niemals gewesen. Ja, er hatte den gelben Ring getragen, der ihn nach außen zu einen von ihnen machte und doch war es nur Schein gewesen. Zerrissen zwischen den Kulturen, ja so einer war er. Aufgewachsen bei Ezra und Judith und doch Sohn einer Christin, wie sollte er da wahre Zugehörigkeit verspüren? Nie hatten ihn seine Eltern das spüren lassen. Im Gegenteil sie hatten ihn immer beschützt, aber konnten sie das jetzt noch. Jakobs Gedanken wurden schwer und auch Marie die neben ihm einherging schwieg.
So hatte er sich das nicht vorgestellt. Seine Pläne waren ganz andere gewesen. Er wollte die Schneiderei seines Vaters übernehmen, mit kostbaren Stoffen umgehen und den Reichen zu Diensten sein. So lange zumindest bis er genug verdient hätte um Kamill um Maries Hand zu bitten. Es wäre ein Leben in Sicherheit gewesen und dann wenn er die richtige Position inne gehabt hätte, hätte er sich an den Männern seiner Vergangenheit gerächt. Aber all das war nur ein kindischer Traum gewesen, das erkannte er jetzt. Der einzige Lichtblick in diesem düsteren Szenario stapfte tapfer neben ihm den steinigen Weg entlang.
„Weißt du“, begann er nach einer Weile, „mein Vater hat mir etwas Wichtiges gesagt. Ich habe es damals nicht verstanden, aber jetzt erkenne ich den Sinn seiner Worte.“ Jakob blieb stehen und sah Marie an. Er konnte sich noch genau an den Tag erinnern als ihm sein Vater erklärt hatte, dass Jakob nicht sein leiblicher Sohn wäre und er spürte selbst jetzt noch, bei dem Gedanken an jenes Gespräch, die Verwirrung und Erschütterung die damals über ihn hereingebrochen war. „Er hat gesagt, dass ich die einzigartige Möglichkeit hätte mich in den Schutz anderer zu begeben und dass es nur wenige gebe die diese Wahl hätten.“ Marie runzelte die Stirn. „Ich bin nach Außen hin Jude, ich kenne die Bräuche und Sitten, ich beherrsche die Sprache und doch kann ich jederzeit meinen alten Namen wählen und wäre einer von den anderen.“ „Ja, aber willst du das? Möchtest du dein Leben andauernd wechseln? Wie willst du dann noch wissen wer du bist?“, Marie konnte in Jakobs Worten einfach keinen wünschenswerten Aspekt finden. „Vater hat gesagt, dass ein einziger weiß wer ich wirklich bin, ein einziger der weiß, dass ich als Christ geboren wurde und das sei ein Mann namens Gideon. Er hat auch meine Bar-mizwa geleitet in dem Wissen, dass es eine Täuschung ist.“, Jakob seufzte, „Also wenn Gefahr droht, so wäre es nicht schwer meinen Namen und den meiner Mutter in den Taufbüchern der Stadt zu finden und meine jüdische Herkunft zu widerlegen.“ Marie setzte sich wieder in Bewegung und Jakob folgte ihr. „Trotzdem. Ich würde das nicht wollen. Ich stehe zu meiner Überzeugung und meiner Herkunft.“, widersprach sie seinen letzten Worten. „Du weißt eben nicht wie das ist.“, entgegnete Jakob. „Was weiß ich nicht?“ „Sie waren meine Familie, Marie. Ich habe nichts anderes gekannt und doch haben sie mir nie vorgemacht, dass wir beliebt wären und gefahrlos vor uns hinleben könnten. Wir leben in eigenen Vierteln, aber doch nicht weil wir es so wollen. Hast du schon mal genau beobachtet was in den Städten passiert? Wahrscheinlich nicht, denn das berührt euer Leben nicht. Ihr braucht keine Angst zu haben.“, Jakob war lauter geworden als gewollt, „Mein Vater wollte mich schützen, deshalb hat er mir gesagt wer ich wirklich bin. Er glaubte, dass es schlimmer werden würde und für diesen Fall hätte ich eine Versicherung. Bis dahin aber könnte ich im Schutz der Unsrigen leben. Ihr braucht das nicht.“
Marie sah Jakob an. Eine steile Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet und seine Stimme klang erwachsener als je zuvor. Noch nie hatte sie sich Gedanke darüber gemacht, welche Sorgen sein Leben begleitet hatten, auch wenn sie sich noch lebhaft an jenen Abend erinnern konnte, als er tränenüberströmt zu ihr gelaufen gekommen war, um ihr von dem Gespräch mit seinem Vater zu erzählen. Für sie war es nie wichtig gewesen wer er war und woher er stammte. Sie hatte seinen Eltern gekannt, ihr Glaube und ihre Traditionen aber hatten sie nie interessiert und doch sah sie jetzt welch große Bürde Jakob da tragen musste. Unwillkürlich legte sie ihre Hand auf seinen Arm, doch er schüttelte sie ab. Verwirrt zog sie die Hand zurück. Was war plötzlich los mit ihm?
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erstellt: 23.03.2008 15:44:51 geändert: 07.12.2008 14:19:05 |
Die Nacht war kälter als gedacht und Jakob zog seinen dünnen Umhang fester um die Schultern. Müde an den Stamm einer alten Eiche gelehnt, wagte er es nicht einzuschlafen. Er würde die wenigen Stunden am Morgen nutzen um zu Ruhen, jene Stunden in denen Marie schon wach war und er sorglos ein wenig dösen konnte. Sie waren nun schon den dritten Tag unterwegs und hatte es immer noch geschafft sich aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten. Ein Wunder wenn man bedachte in welch gefährlichen Situation sie sich befanden. Sie waren Freiwild, mehr nicht und er hatte noch immer nicht die leiseste Idee, wohin er gehen wollte. Momentan befanden sie sich auf dem Weg Richtung Norden und er wusste, dass Regensburg nicht weit sein konnte. Ein Bauer hatte sie ein Stück weit mitgenommen und da er ihnen auch erklärte, dass sie nur noch der Straße zu folgen hätten, um nach Regensburg zu gelangen, so hatte Jakob intuitiv diesen Weg eingeschlagen. Auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte was er dort tun würde, so war eine Stadt sicherer als das offene Land. Vor allem aber würde er dort Arbeit finden, denn sie brauchten dringend Geld.
Marie räkelte sich neben ihm im Gras. Sie würde gleich aufwachen, wie jeden Morgen etwa zur selben Zeit. Er schloss die Augen, sie sollte nicht merken, dass er jede Nacht wach war, während sie schlief. So wie er sie einschätzte hätte sie ihn sofort zum Teilen der Wache überredet und das wollte er einfach nicht.
Als er seine Augen wieder öffnete, kitzelte ihn schon die Sonne in der Nase und Marie stand aufbruchsbereit vor ihm. Jakob hingegen wirkte recht verschlafen und so schlurfte er zu dem nahe gelegenen Bach und tauchte seinen müden Kopf einfach ins Wasser.
„Du wirst wieder krank!“, schalt ihn Marie als er mit triefend nassem Haar zurückkam, doch Jakob hob nur nichts sagend die Schultern, hob seine Tasche auf und marschierte los. Frühstück gab es keines, sie hatten nichts. Er würde etwas auf dem Weg bei einem Bauern erbetteln müssen. Noch immer nicht ganz wach stapfte er voraus als Marie plötzlich ihre helle Stimme erhob. „Und denke ja nicht ich merke nicht, dass du nicht schläfst!“, sagte sie. Jakobs Kopf schnellte herum. Eine rasche Erklärung auf den Lippen, öffnete er den Mund, doch Marie war schneller. „Und wehe du wagst es mich jetzt auch noch anzulügen.“, zischte sie und hob drohend ihren Finger, „Egal welcher Glaube dir auch besser passt, lügen ist dort und da nicht erwünscht!“ Verwundert blieb er stehen, „Aber ich wollte nicht…“, setzte er an, jedoch Marie unterbrach ihn wieder, „Natürlich wolltest du. Ich habe einen älteren Bruder, also erzähl mir nicht, du hättest es nicht wenigstens versucht mir eine schändliche Ausrede aufzutischen!“ Nun musste er lächeln und je länger er sie betrachtete, wie sie da mit strengem Blick und erhobenen Zeigefinger vor ihm stand, umso breiter wurde das Lächeln, bis es sich in ein freches Grinsen verwandelte und Marie sich mit einer wegwerfenden Handbewegung wieder dem Weg zuwandte und weitermarschierte. Jakob lief ihr hinterher. „Alle gleich!“, raunte sie ihm zu und so erbost sie auch tat, er wusste, dass sie es nicht ernst meinte.
Zuversichtlich blickte er nach vorne. Mit Marie an seiner Seite würde es schon irgendwie klappen, dachte er leise, auch wenn sie ihn scheinbar besser durchschaute als er gehofft hatte. Dieser Frau war eben nichts vorzumachen.
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erstellt: 07.12.2008 14:23:41 geändert: 07.12.2008 14:45:39 |
Die Schatten wurden länger als sich endlich die Konturen der Stadtmauer am Horizont abzeichneten. Marie schleppte sich matt voran, schüttelte verbissen Jakobs helfenden Arm ab. Sie kam schon alleine zurecht, seine Hilfe brauchte sie nicht. So dachte sie zumindest. Wasser, war das einzige was sie bekommen hatten. Nicht eine Kante Brot hatten die Bauern abgegeben und die beiden Wanderer misstrauisch beäugt. Marie konnte es ihnen nicht verdenken, zu viele Halunken waren an den ärmlichen Höfen schon vorbeigekommen und doch schmerzte ihr leerer Magen fürchterlich.
Der Staub der trockenen Straße lag in einer dicken Schicht auf Gewand und Schuhen, bedeckte Gesicht und Haare. Die schweren Wägen der Händler, die an ihnen vorbeigerattert waren, hatten das ihrige dazu beigetragen die beiden Marschierenden noch ein Stück zerlumpter aussehen zu lassen. Marie blieb stehen, wischte sich den schmutzigen Schweiß von der Stirn und streckte ihren Rücken. Jakob wartete, bot ihr erneut seinen Arm, doch sie schüttelte bloß der Kopf. Nein, das letzte Stück würde sie auch noch schaffen. ... |
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