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Forum: "Familienfreundlichkeit"
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| Da ich | | von: ivy81
erstellt: 27.05.2008 23:09:52 |
selbst noch keine Kinder habe, finde ich meine eigene Ansicht einfach zu einseitig. Deshalb auch das Forum.
Als Ref in einer Stadtschule habe ich gesehen, das sinnvolle Ganztagsschule dort oft sehr nötig wäre. Aber es würde sicher wieder ausländerfeindlich ausgelegt, wenn man sie vor allem für Migranten zur Pflicht machen würde. Wie schon erwähnt, würden sicher genau die Familien, bei denen es nötig wäre, das freiwillige Angebot ablehnen. So wie auch HA Betreuung und Hort abgelehnt werden.
In unserem Winz-Dorf gibt es dagegen überwiegend Familien, wo die Mama daheim ist. Nicht wegen falschen Frauenbild sondern wegen Landwirtschaft. Deutsch gesprochen (Okay: Schwäbisch, nicht Deutsch) wird nachmittags auch und Sport-, Schützen, Musik, Trachten, Feuerwehr,... Verein bieten ein breitgefächertes Nachmittagsangebot an. Also sind die Kinder auch Nachmittags sinnvoll betreut, beschäftigt und auch intellektuell meines Erachtens genügend gefördert. Trotzdem würden einige sicher ein freiwilliges Ganztagesangebot annehmen, sofern es interessant für sie wäre.
Wie man sieht, also ein zweischneidiges Schwert. Freiwillig erreicht nicht die, die es brauchen; Pflicht gängelt die, die es nicht brauchen.
Daher ja auch dieses Forum. Ich suche nämlich selbst noch nach einer eindeutigen Meinung.
Liebe Grüße
ivy |
| Realität! | | von: sufrefape
erstellt: 28.05.2008 10:54:51 geändert: 28.05.2008 10:56:01 |
Ich lehne verpflichtende Ganztagsschulen ab!
Für meine Kinder gibt es nichts Schöneres als nach Hause zu kommen, nach den Hausaufgaben nichts zu tun, ihre Ruhe zu haben, ein Buch lesen zu können, Musik zu hören, mit den Freunden durch das Dorf zu stromern, Computer zu spielen... Reicht es nicht, den kompletten Vormittag mit organisiertem Lernen zu verbringen, sich in der Gruppe zu integrieren, Stress auszuhalten. Ich bin genauso gestrickt wie meine Kinder und habe volles Verständnis dafür, dass der schlimmste Tag der Woche der mit Ganztagsunterricht (trotz Sport am Nachmittag und Mensa)ist.
Ich befürworte eine kostenlose Mittags- und Nachmittagsbetreuung: Hausaufgabenbetreuung, Sportangebote, AG´s, so dass die Kinder, die möchten und die, für die das Heimkommen keinen Reiz bietet, sinnvoll untergebracht sind.
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| @palim | | von: kla1234
erstellt: 28.05.2008 11:48:18 geändert: 28.05.2008 11:58:48 |
Ich weiß nicht, wo es verloren geht und warum, aber Schüler verlernen zu lernen. Sie sind nicht mehr neugierig, finden nichts interessant.
Genau das sehe ich als meine Berufung an, diese Erstfaktoren der Störung auszumachen, da sind sie noch reparabel, zumindest beim eigenen Kind.
Dazu könnte ich dir eine unendliche Liste an Situationen schreiben.
Es hängt hauptsächlich mit Festlegungen zusammen, zu wenig Mitsprache, zu wenig und zu viel Gefordertsein, und vor allem, vor allem, vor allem mit der Bewertungshaltung über allem. Die Kinder werden darauf getrimmt vorgedachte Ergebnisse hinzukriegen, genauso erleben sie es. Dass es um das eigene Denken und Erleben und Finden geht, geht dabei leicht verloren. Durch die Bewertung allen Tuns wird das von den Kindern verschwiegen und wenn die Noten stimmen, nicht wahrgenommen. Die guten Noten und richtigen Ergebnisse sehen so trügerisch aus, natürlich sehen die Kinder fröhlich aus, wenn sie gelobt werden. Das wahre Gesicht sehe ich, wenn die Kinder ihr Lernverhalten unkontrolliert bei den Hausaufgaben zeigen.
3 Kinder mit guten Mathenoten:
Kind 1 schreibt ab, weil sie gerade gar nichts versteht, guckt nur, dass sie fertig wird, achtet auf Schönschrift, zuckt nur mit den Achseln, wenn sie etwas nicht verstanden hat. Ist im Grunde schlau und kanns dann schon bis der Test fällig ist.
Kind 2 weiß, dass sie viel nicht so gut versteht, und guckt ganz schlau nach Mustern, vorschnell setzt sie blind ein, kann viel auswendig, hat sich damit abgefunden, dass sie Neues nie versteht und andere es ganz oft erklären müssen.
Kind 3 ist hin und her gerissen zwischen endloser Denklaune und Pflichten erfüllen. Ersteres brachte sie beim Gedanken an die Korrektur früher oft zur Verzweiflung, weil sie erst alles bis ins Letzte durchdringen will, bevor sie es selbst als verstanden akzeptiert, oder nicht die vorgegebene Arbeitsweise verwenden will/kann, die Hausaufgabe blöd findet in Art oder Inhalt. Zweiteres lässt sie an der Erlaubtheit ihrer Denklust zweifeln, sich als langsam zu verurteilen, manches wird mit Trödeln boykottiert, Pflichten muss sie in ihre eigene Neugier "zurückinterpretieren".
Kind 3 ist diejenige, die sich traut zu sagen, etwas nicht verstanden zu haben, sich traut langsam zu sein, um die sich gekümmert wird. Sie gilt als sehr begabt und kann sich viel erlauben.
Kind 2 wird "gefördert" und braucht schon lange nicht mehr selbst denken und Verantwortung tragen, Kind 1 fällt unter den Tisch. Sie wird später rebellieren oder eben mit Frust die Schule irgendwie durchziehen und brav sein.
Kind 3 ist mein Kind, hat den Anspruch mit Lernen und Schule verantwortungsvoll umzugehen, setzt sich selbst Ziele, ist natürlich überfordert damit immer die eigenen Ansprüche über die der Schule zu setzen, wenn sie anders, höher oder niedriger sind. Ich helfe ihr dabei, diese eigenen Ansprüche, Gefühle, Fragen einfach nur weiterhin zu spüren, sie werden ausdiskutiert, und so ist Schule nicht einfach etwas, das man zu tun hat, sondern die Schule wird in den eigenen Plan integriert.
Schule ist eigentlich ein Angebot. Durch die zeitliche und stressmäßige Ausbreitung wird sie oft übermächtig und dann abgespalten.
Ich wundere mich, dass die Gefühle eines Kindes beim Arbeiten so wenig thematisiert werden, dass Motivationen nicht erforscht werden und keinen Raum bekommen, wenn sie nicht zum Lehrplan passen, die persönliche Lust des Lehrers selbst an Zahlen und Wörtern oder ganz anderen Dingen so selten beschwört wird.
Lernen verlernt man, wenn von außen verglichen wird, Tests vor allem den Lehrern zur Kontrolle dienen und nicht von Kindern für sich gefordert werden können, die Lernreihenfolge schon für Jahre feststeht, mehr und anders lernen zu einer Sache als Störung angesehen ist. Wenn bei "weniger" lernen der einzige Weg "Aufholjagd und Mehrarbeit" heißt, und schon ab der 2. Klasse die Verlierer gebrandmarkt werden.
Liebe Grüße
kla |
| Betrifft: Argumentation ing 08 | | von: arwinia
erstellt: 28.05.2008 21:43:11 |
Jetzt muss ich mich hier mal einmischen. Bin ja schon ein paar Jahre hier dabei, aber ich krieg gerade das große Ko........Hab mich hier mal durchgelesen und muss jetzt Dampf ablassen.....Ich bin ein DDR-Lehrer und arbeite jetzt seit etlichen Jahren auf der anderen Seite. Bei einigen Argumentationen hier komme ich mir vor, als fordere man das Schulsystem der DDR wieder ein. Mit Sätzen wird hier rumgeschmissen, da wäre mancher in der alten DDR im Parteilehrjahr neidisch geworden. Was mich noch erstaunt, dass sich junge Leute(im Alter meiner Tochter)hier so ins Zeug werfen, die doch gar nicht, laut Geburtsjahr, dieses Leben so bewusst mitgelebt haben können.
Um das mal alles etwas genauer zu ordnen, jeder der sich mit Bildung beschäftigt, kennt die sozialen Vorteile der ehemaligen DDR und des Bildungssystems. Ich habe auch keine Lust, näher ins Detail zu gehen, aber ich möchte an ein paar andere Sachen erinnern: Es stimmt, es wurde in der DDR eine gute Allgemeinbildung vermittelt, Kindergrippe, Kindergarten, Hort, fakultativer Unterricht
etc. Ich habe eine gute Bildung genossen und viele andere auch. Meine Tochter ist in Kindergrippe, Kindergarten und Schule nicht verblödet- im Gegenteil. Doch es wird hier etwas entscheidendes vergessen: Es passte in das System des Staates, Kontrolle auszuüben, überall. Man fängt bei den Kindern an und erzieht sie zu „guten Staatsbürgern“. Funktioniert das nicht, schließt man sie aus, nimmt sie nicht in die FDJ auf, delegiert sie nicht zur Erweiterten Oberschule. Sind sie ganz abtrünnig, kommen sie ins Heim für Schwererziehbare, werden mit Tabletten ruhig gestellt( habe dort arbeiten “dürfen“ eine zeitlang), studieren sie und ein Verwandter flieht heimlich in den Westen, dann werden die Eltern tagelang getrennt von der Stasi verhört, die Geschwister mal schnell ins Heim gesteckt. Das und vieles mehr habe ich erlebt.
Tut mir leid, ich kann nicht das Gute vom Bösen herausfiltern und auf die heutige Zeit übertragen, dabei wird mir übel und ich fühle mich an die alten Agitationsparolen erinnert.
Ich würde mir auch für meine Hauptschüler bessere Bedingungen wünschen. Eine Ganztagsschule mit idealen Bedingungen: zum Lachen, Lernen und Freude haben, ach vielleicht erst mal für jeden ein ordentliches Frühstück!
So, ich hab das für das Verständnis einiger Leute hier sehr einfach formuliert, sicher für ing 08 zu einfach. Ich bin stolz darauf ein Ossi zu sein, möchte aber nicht mehr diese Hammerkeule über mir spüren und ständig wissen, wenn du nicht funktionierst, schlägt sie zu bzw. böse Auseinandersetzungen stehen dir bevor. Sollten mir hier lieb gewonnene Freunde, weil Ihnen mal der Kragen platzt, ausgeschlossen werden, erkläre ich mich solidarisch(in der DDR gelernt).
LG
Arwinia
Noch ein Nachsatz: Es stimmt ,Wehrunterricht gab es offiziell seit 1978. Wehrerziehung gab es für mich, so lange ich mich zurück erinnern kann. Im Kindergarten: Lieder über die NVA, fröhliches Wedeln mit den Winkelementen beim Tag der NVA, in der Schulzeit: Besuch der russischen Garnision, Teilnahme am Tag der Vereidigung, beim Studieren Pflichtteilnahme bei Paradeaufmärschen, Waffen- und Panzervorführungen.............
Empfehle auch einen Besuch im ehemaligen Gefängnis Bautzen oder sollen wir so etwas wieder anschaffen, wenn Kinder bzw. Eltern nicht so wollen wie der Staat?
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| Ess-kultur? | | von: amann
erstellt: 28.05.2008 21:54:03 |
Es ist aus den bieherigen Beiträgen wohl schon klar, dass die Ganztagsschule für einige Kinder ein Vorteil, für einige ein Nachteil wäre.
Ich habe mich nun gefragt: das tägliche Erleben prägt ja auch das Selbst- und Familienbild der Kinder.
Beispielsweise das Essen: In der Mensa einer Schule steht man in der Schlange, holt sich einen Teller voll, das ist irgendwie von irgendwem hergestellt worden, das Essen dauert in unserer Mensa ca. 10 min (bei ziemlichem Umgebungslärm), und weiter geht's. Bei ziemlich viel Glück wird noch der Tisch abgeräumt und abgewischt (meistens von denen, die bei den Eltern Tischsitten lernten).
Es ist wohl unrealistisch, von den Lehrern mehr als eine rein formale Aufsicht zu erwarten. Meine Erfahrungen von Klassenfahrten ist auch, dass die Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt sind.
Ich fürchte, wenn dies flächendeckend üblich wäre, wäre Esskultur im alten Sinne bald verschwunden.
Ich gestehe ein, dass viele Familien die schon nicht mehr haben mögen, aber die anderen würden es notgedrungen auch verlieren. Begriffe wie "Mahlgemeinschaft" würden zum Fremdwort. Ich fände das schade. Essen kann mehr sein als Brennstoffzufuhr.
Möglich, dass im UK und in den USA, wo das Schul-Mittagessen lange Tradition hat, durch eine strengere Aufsichtsregelung oder bessere Betreuungsschlüssel noch so was wie "Einübung in Tischsitten" oder "Erleben von Tischgemeinschaft" möglich ist, das weiß ich nicht genau. |
| Ernsthafte Frage: | | von: rhauda
erstellt: 28.05.2008 22:47:22 geändert: 29.05.2008 06:49:09 |
Es wurden viele Argumente ausgetauscht. Die Crux ist:
a) ich möchte die Ganztagsschule nicht, weil ich selbst entscheiden möchte, was mein Kind nachmittags tut
b) es gibt viele Kinder, die brauchen die Ganztagsschule dringend, damit sie sozial und schulisch nicht hinten runter fallen
Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Man könnte sagen, dass für gefährdete Schüler/innen Fördermaßnahmen oder Nachmittagsangebote verpflichtend werden sollen, damit sie nicht dem Prekariat anheim fallen.
Was ist aber mit den Eltern, die es trotzdem nicht einsehen? Die die Koranschule für wichtiger erachten als die Deutschförderangebote?
Wer entscheidet über die Teilnahme oder nicht?
Wenn wir denn alles frei geben, sind wir bereit, mit einem Prekariat zu leben, das weder vernünftig Deutsch, noch in irgendeiner Weise zur Gesellschaft beitragen kann? Sind wir bereit, für die nachmittägliche Freiheit unserer Kinder mit einem enormen Aufwand an Geldern zu bezahlen für diejenigen, die dann unsere Unterschicht bilden?
Sind alle Kinder in all den anderen Europäischen Ländern psychosoziale Krüppel, nur weil sie Ganztagsunterricht genießen und nur die Schüler in Österreich und Deutschland sind nicht gestört, weil sie Halbtagsunterricht haben?
Sind die Eltern in Deutschland vielleicht einfach ein wenig selbst gestört oder falsch sozialisiert, weil sie bezüglich des Ganztagunterrichts tausend Ängste ausstehen, während im Rest der Welt sich die Frage überhaupt nicht stellt?
Ernsthafte Frage: WAS bitteschön macht uns so besonders, dass wir einen Weg gehen, der sich nachweislich für große Teile der Bevölkerung als nicht gut erwiesen hat?
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