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Forum: "Studienmodul Lernschwäche - Dyskalkulie ist behebbar"
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| beides | | von: palim
erstellt: 13.02.2018 18:18:21 geändert: 13.02.2018 18:28:16 |
Der Hinweis auf die notwendigen basalen Fähigkeiten stammt vermutlich eher von mir. Damit ist nicht das Ausmalen oder Fähnchen schwingen gemeint. Wo kommt das denn her? Ja, Fein- und Grobmotorik gehören dazu, also auch die Fähigkeit, etwas auszumalen, aber auch eine Menge anderer Fähigkeiten, wie phonologische Bewusstheit - wiederum mit Teilleistungen - oder das Wahrnehmen von Merkmalen/ Unterscheiden oder Mengen. Und IMMER bleibt doch die Frage, was hinter der Teilleistungsschwäche (Rechnen) steckt oder ob es noch ganz andere Hintergründe gibt, die zu den schwachen Ergebnissen führen. Das Kind mit massiver Merkschwäche kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie das Kind mit Raum-Lage-Störung oder mangelndem mathematischen Verständnis. Immer ist zu überlegen, welche Schritte man ergreift, um den Kindern einen Zugang zu ermöglichen. Immer ist zu überlegen, ob weitere Tests (auch außerschulisch) ggf. weiteren Aufschluss bringen (Augenarzt, HNO). Während der Ansatz von kidheinz eher die Stärkung der Wahrnehmungsleistungen ist, mit Aufgaben, die die Kinder nicht ans Rechnen denken lassen, aber dennoch Vorläuferfähigkeiten trainieren, die beim Rechnen auch notwendig sind, zielt halb27 auf ein Üben und Automatisieren der grundlegenden Aufgaben und Aufgabenformate sowie Rechenstrategien ab, die man für weiteres Rechnen benötigt. Dabei kann man durch genaue Fehleranalyse feststellen, wo Schwierigkeiten sind, und mit Hilfe von Anschauung Verständnis erzielen, mit Hilfe von Strategien Brücken bauen und mit Hilfe der strukturierten Automatisierung und des regelmäßigen und sinnvollen Übens bei manchen Kindern die Rechenfähigkeit weit genug steigern, das sie insgesamt zu ausreichenden oder besseren Ergebnissen kommen. Während kidheinz Förderschüler in Förderschulklassen beschult hat, sind es bei halb27 Regelschüler mit Schwächen in kleinen Gruppen, die aus Grundschulklassen kommen. Oft ist es innerhalb der Grundschulklassen eine Mischung aus beiden Gruppen, das war auch vor der Inklusion bereits so. Dyskalkulie ist dann behebbar, wenn körperliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen oder kompensiert werden können, wenn genügend Zeit zum Sichern und Üben vorhanden ist und Personal, das den Kindern enge Begleitung bietet und sich ständig über Erfolge rückversichert und entsprechend nachsteuert. |
| Die fatale sog. „Fehleranalyse“ (= Symptom!) ist ein Mythos - Ergebnis der Grundlagenforschung zur Präformativen Didaktik | | von: kidheinz
erstellt: 14.02.2018 13:50:42 geändert: 15.02.2018 09:27:45 |
Jede (!) Fehleranalyse stellt lediglich SYMPTOME fest. Liebe palim, Du hattest schon mal meinem Beispiel von den Bauchschmerzen (Blinddarm oder Schwangerschaft?) zugestimmt. Warum also jetzt Deine sachlogisch fehlerhafte Aussage, dass „man durch genaue Fehleranalyse feststellen kann, wo Schwierigkeiten sind, und mit Hilfe von Anschauung Verständnis erzielen ....“ Es funktioniert nur mit KAUSAL-Diagnostik (= Ursache). Es kann ausschließlich um die mangelhafte Decodierungsfähigkeit gehen. Definition: Mathematikschwäche ist ausnahmslos IMMER Decodierungsschwäche. Ich erhalte gerade das Antwortschreiben von Prof. Dr. XXX (Datenschutz) zum Thema fehlende Definition (Lernschwäche) und fehlende Grundlagenforschung. Zitat: Lieber Herr Heinz, Ihre Nachricht hatte ich erhalten. Ich stimme Ihnen insofern zu, als dass ich in dem alten Beitrag zugegebenermaßen den Begriff nicht definitorisch ausschärfe. Dies habe ich ... mittlerweile in den Inhalten meines Fortbildungsprojekts ... nachgeholt. Ich sehe es genauso wie Sie, dass in diesem Bereich weiterhin zahlreiche Forschungsdesiderate offen liegen, die bearbeitet werden müssen! Herzliche Grüße XXX Die Präformative Didaktik basiert (u.a.) auch darauf, dass ich die allgemein „üblichen“ und niemals auf Effizienz überprüften BEGRIFFE gnadenlos in den Papierkorb habe wandern lassen. Es waren Hunderte! Zugegeben - ein sehr langwieriger und auch schmerzhafter Vorgang. Die meisten der völlig abstrusen sog. „basalen Übungen“ sind diesem Vorgang gefolgt. Übrigens hat sich ein namhafter Professor aus der Uni Hannover einmal dafür entschuldigt, dass er die für den Lernprozess völlig ineffiziente MOTORIK jahrzehntelang als Allheilmittel seinen Studenten angepriesen hat. Ausgewählte Beispiele aus der mythologisierenden Begriffskiste: Fehlerdiagnostik (= Fehler beim Rechnen), sonderpädagogische Diagnostik (= stets nur die sog. Fehleranalyse), individuelle Förderung (entscheidend ist nur der SUBJEKTIVE Lernprozess) usw. usw. palim, ich freue mich, dass Du die Maßnahmen zum Vorläufertraining zutreffend dargestellt hast. ALLE diesbezüglichen Trainingsszenarien stehen in unmittelbarem Kontext zum Decodierungsproblem der formalen Mathematik. Ganz wesentlich Ist der nach Schwierigkeitskriterien geordnete (langfristige!) Aufbau (>>> „Decodierungsstufen“). Ich würde es sehr bedauern, wenn im Verlaufe dieses Diskurses anstelle (nachweispflichtiger!) ARGUMENTE immer wieder „neue“ MEINUNGEN eingebracht werden, die auf unhaltbare Uraltbegriffe zurückgehen. Das ist nur dann zu vermeiden, wenn die Inhalte der Präformativen Didaktik VOR einer Äußerung vollständig durchgearbeitet worden sind. Ich weiß es natürlich - es ist ein sehr hoher Anspruch. Aber nicht zu vergessen: Woher kommen die 12,5 Millionen (Dyskalkuliker + Analphabeten) in Deutschland eigentlich? Jährlich kommen 400.000 Betroffene dazu! Manchmal schwingt unausgesprochen auch der Ruf mit: „Aber nicht aus MEINER Klasse???“ Geständnis: Ich darf diese kleine Provokation deshalb vortragen, weil ich selbst VOR Beginn meiner Forschungsarbeiten ebenfalls jegliches Mitverschulden an der bestehenden Misere weit von mir gewiesen habe! Alles andere wäre ja auch das schmerzhafte Eingeständnis des eigenen Versagens gewesen (= Verlust der Lebensleistung). Ich möchte allen Leserinnen und Lesern Mut machen. Es gibt einen Weg für ALLE lernschwachen Kinder. Dyskakulie ist definitiv KEINE Krankheit! Einschränkung: Zu den schwer geistig Behinderten kann ich keine Aussagen machen, weil ich diese Population niemals untersucht habe. Freundliche Grüße Helmut HEINZ |
| Die Decodierungsschwäche | | von: palim
erstellt: 14.02.2018 19:20:27 |
Aha. Natürlich, eine Decodierungsschwäche: Wenn das Kind nahezu blind ist und eine Brille mit mehreren Dioptrien benötigt, dann hat es eine Decodierungsschwäche. Aber es wird diesem Kind nicht helfen, Ihre Übungen zu machen, solange der Sehfehler nicht korrigiert wird. Ebenso hat ein Kind mit extrem schwach ausgeprägter Merkfähigkeit vielleicht keine Decodierungsschwäche, sondern ein Problem, die Sinneswahrnehmungen lange genug zu speichern, um sie verarbeiten zu können - eben eine Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung. Es bleibt eine Frage der BEGRIFFE und DEFINITIONEN. Wenn Sie allein von einer extrem begrenzt definierten Lerngruppe mit allein und nur rechenschwachen SuS ausgehen, können Sie alle anderen Aspekte der Wahrnehmung und Kognition außer Acht lassen. |
| @kidheinz | | von: ysnp
erstellt: 15.02.2018 12:02:10 geändert: 15.02.2018 12:12:11 |
Was ich schade finde: Du unterstellst uns Dinge, die so gar nicht zutreffen. Ich habe mit Sicherheit kein schlechtes Gewissen, da ich immer das mache, was ich mit meinem Hintergrundwissen in dem Moment für richtig halte, bin aber lernfähig und nehme das dazu, was mir Erfolg verspricht. Wir unterrichten kein reines Zahlenwissen, sondern schaffen verschiedene Zugänge über die verschiedenen Ebenen und die verschiedenen Sinne, vor allem im Anfangsunterricht bzw. wo es nötig ist. Ich habe mir jetzt einmal einen Teil deines Ansatzes in Bezug auf Mathematik durchgesehen. Ehrlich gesagt, war ich erstaunt, mit welchen Defiziten man sich in der Förderschule mit älteren Schülern herumschlagen muss. Da fehlt es an Dingen, die Schüler normalerweise schon in der Einschulung mitbringen. Schülern, die solche grundlegenden Probleme haben, hatte ich bisher noch nicht in der Grundschule. Das kann aber noch kommen, in dem Fall, wenn sich die Inklusion vollständig durchgesetzt hat. Das, was ich von deinem Konzept gesehen habe, finde ich einen sehr guten Ansatz für solche Schüler. Gerade solche Schüler benötigen alle Ebenen des Begreifens. Schon Piaget und Brunner haben bestimmte Entwicklungsstufen festgestellt und publiziert. Didaktisch sollte es klar sein, dass man über die enaktive, dann zur ikonischen bis hin zur symbolischen Ebene geht. Das ist z.B. ein Grundprinzip des Anfangsunterrichts in Mathematik. Im Prinzip fängst du auf der enaktiven Ebene an, was dringend erforderlich ist. Auf dieser enaktiven Ebene setzt du das Lernen mit allen Sinnen ein, was uns Grundschullehrern bekannt ist. Ich habe das Beispiel mit dem Zahlenfühlen angesehen. Das kennen wir z.B. aus der Montessori-Pädagogik, die hier in Bayern sehr populär ist. Wenn man so lange auf der enaktiven Ebene arbeitet, wie das Kind braucht, dann dürfte die Decodierung letztendlich kein Problem werden. Das Problem des Gleichheitszeichens ist bekannt und daran wird auch gearbeitet, wenn es hier ein Verständnisproblem gibt. Die Filme, die ich gesehen habe, sind gut gemacht und anschaulich. Eine Bereicherung für alle, die diese Art der Vermittlung des Unterrichtsstoffes so nicht kennen. |
| ysnp - Probleme bei älteren (lernschwachen) Schülern (FöS, HS) | | von: kidheinz
erstellt: 15.02.2018 12:46:37 geändert: 18.02.2018 19:04:14 |
Hallo ysnp, Du sprichst zu Recht das Problem bei den älteren Schülern an. Das betrifft jedoch leider auch zahlreiche (ältere) Hauptschüler und nicht nur Sonderschüler. Exakt DIESE Beobachtung hat bei MIR lange VOR Beginn meiner Studien zu der Frage geführt, "Was mache ICH falsch?" Eine herzliche Bitte: Ich möchte nicht falsch verstanden werden (Unterstellung). Ich gehe gegenüber den Kolleginnen und Kollegen stets davon aus, dass sie sich nach besten Kräften um die Kinder bemühen. Mein ganz massiver Vorwurf gilt ausschließlich den Vertretern der Pädagogischen Wissenschaften wegen der bis heute fehlenden Grundlagenforschung. Das weiß kaum jemand, ich weiß es auch "erst" genauer seit ca. 10 Jahren, habe es jedoch schon zu Beginn meiner Arbeiten vermutet. Mich ärgert es deshalb, weil meine lieben Kolleginnen und Kollegen (GS, HS, FöS usw.) nach wie vor mit ungeprüften Platitüden abgespeist, besser gesagt "abgefüttert" werden (Siehe dazu meine Texte zu den "Mythen" der Pädagogik). Ich selbst bin mehr als 20 Jahre lang davon ausgegangen, dass man den "Wissenschaften" blind vertrauen kann. Das ist der größte Irrtum meines Lebens gewesen. Mehrere hundert Mails habe ich an "Wissenschaftler" gerichtet mit der Frage, ob sie denn ihr jeweiliges "Konstrukt" mit Kindern unterrichtspraktisch auf Effizienz überprüft haben. Die Antworten - falls überhaupt geantwortet wurde - waren ohne Ausnahme niederschmetternd. Zurück zu den älteren Kindern. Bei der Population der Lernschwachen gibt es bis Klasse 9 (z. Teil auch unabhängig von der Schulform) praktisch keinen Lernzuwachs bei den elementaren Anforderungen. Der mit einem Kollegen durchgeführte (informelle) BLITZTEST macht es ganz deutlich: http://akidsubneu.kidstudie.de/m4blitztestmathe.html Insofern ist völlig klar, dass möglichst früh mit angemessenen Massnahmen begonnen werden MUSS. Dabei macht mir die Inklusionseuphorie Angst. ich selbst hätte hier sogar Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Präformativen Didaktik - allein schon aus organisatorischen Gründen. Vielen Dank für Deinen Beitrag Helmut Heinz |
| Zu Deinem Blitztest ... | | von: halb27
erstellt: 15.02.2018 14:49:54 geändert: 15.02.2018 23:12:27 |
muss ich doch noch etwas sagen. Das Hauptproblem bei Deinem Test ist, dass Du den Kindern Additions-, Subtraktions- und Ergänzungsaufgaben in einem für sie ungewohnten Format gibst (sofern sie nicht Deinen Unterricht genossen hatten). Wenn ein Großteil der Kinder bei Deinem Blitztest versagt, sagt das wenig über ihre Additions-, Subtraktions- und Ergänzungsfähigkeiten aus. Es besagt hauptsächlich, dass solche Aufgabenformate nicht geübt wurden, zumindest nicht so, als dass sie nachhaltig beherrscht würden. Hier gleich wieder grundsätzliche Defizite und insbesondere den elementaren Zahlbegriff zu bemühen (und damit die "präformative Didaktik" ins Spiel zu bringen) ist nicht redlich. Mit dem elementaren Zahlbegriff im üblichen Sinne haben Deine Aufgaben überhaupt nichts zu tun. Aus dem nicht verwunderlichen schlechten Abschneiden bei Deinem Test auf Defizite mit dem elementaren Zahlbegriff zu schließen ist grober Unfug. Die schlichte Tatsache mehr oder weniger ungeübter Aufgaben genügt als Erklärung für das schlechte Abschneiden. Was mich wundert ist, dass die Lehrerinnen der vierten Klassen Dich nicht auf diesen simplen Tatbestand hingewiesen haben und nicht bereits im Vorfeld gegen solche Aufgaben protestiert haben. Ich verstehe auch nicht, wieso Du mit Deiner Methode 55% (72%) der Kinder der untersuchten Klasse 4a (4b) als rechenschwach abstempelst. Bei solchen Prozentsätzen muss einem doch auffallen, dass an Deiner Untersuchungsmethode etwas nicht stimmen kann. Du scheinst mir von Deiner "präformativen Didaktik" regelrecht verblendet zu sein. Du kannst das (korrekt) als Decodierungsproblem beschreiben. Nur: wieso ist das so eine Katastrophe? Wieso sprichst Du den Kindern Defizite zu, wenn sie mit mehr oder weniger unbekannten Aufgabenformaten konfrontiert werden? Da ist doch gar nichts Anderes zu erwarten! Deine Interpretation Deines Blitztests ist ein gutes Beispiel dafür, dass Deine universelle Decodierungsprobleme-Welt zu Unsinn führt. Zudem sind Deine speziellen Aufgabenformate ziemlich künstlich, kitzeln vor allem Deine Decodierproblematik heraus, haben aber keine praktische Bedeutung. (Das Entsprechende mit praktischer Bedeutung lässt sich mit praxisgerechten Sachaufgaben erreichen. Auch diese müssen kindgerecht formuliert und intensiv erarbeitet werden, damit leistungsschwache Kinder damit klarkommen). Würdest Du die Additions-, Subtraktions- und Ergänzungs-Aufgaben in der den Kindern geläufigen Form darstellen und gleich gewichten, d.h. den Schwerpunkt nicht auf die Ergänzungsaufgaben legen, würde das die tatsächlichen Defizite der Kinder widerspiegeln. Ähnliches gilt für das Gleichheitszeichen, dessen Verständnis ebenfalls in Deinen Blitztest einfließt. Im 1. Schuljahr machen die Kinder die praktische Erfahrung, dass das Gleichheitszeichen die Aufforderung zum Rechnen darstellt. Wenn man wie Du großen Wert auf die mathematische Bedeutung legt, muss man das wie Du explizit einüben. Üblicherweise geschieht das nicht, jedenfalls nicht in einem Umfang, dass auch leistungsschwache Schüler die Bedeutung des "="-Zeichens wirklich kennen. Wobei immer die Frage ist, wie wichtig das von Dir Angegangene ist. Meine Priorität ist es nicht (war es mal, als der 'Vollblut-Mathematiker' gelegentlich noch bei mir durchgekommen ist). Von rechenschwachen Kindern erwarte ich keine wirklich mathematischen Leistungen. Deswegen sind mir mathematische Feinheiten ziemlich schnuppe. Auch rechenschwache Kinder können aber mit geeigneten didaktischen Methoden die Grundschulmathematik im Sinne einer Gebrauchsmathematik erlernen und ordentliche Rechenfertigkeiten erzielen (sofern sie nicht mit grundlegenden Lernproblemen wie massiv eingeschränkter Merkfähigkeit geschlagen sind). Das ist mir nicht schnuppe und dabei helfe ich den Kindern. Du hast mir Deinen Test ja auch schon angedienert. Niemals würde ich 'meine' Kinder mit solch einem Test belasten. (Außerdem ist mir das Ergebnis schon vorher klar, da brauche ich nichts testen. Vor allem aber ist der Test völlig bedeutungslos.) Wenn ich 'meine' Kinder teste, dann so, dass sie im Wesentlichen Erfolgserlebnisse haben. Und immer ein Stückchen weiterkommen. Und wenn Deine Erwartungshaltung ist, dass nahezu alle Schüler der Klasse 4 Deine 6 Aufgaben lösen können, dann hast Du entweder keine Ahnung von den tatsächlichen Unterrichtsinhalten an der Grundschule oder Dir fehlt das Einfühlungsvermögen in diese Kinder. Oder Du hast Dich total in Deiner "präformativen Didaktik" verrannt. |
| sehe ich auch so | | von: palim
erstellt: 15.02.2018 18:15:55 |
Ich schließe mich voll und ganz halb27 an: Auch ich finde deinen Blitztest befremdlich, zumal er nicht das abtestet, was ich am Ende der 2. Klasse sehen MUSS, sondern darüber hinaus geht (so zumindest unsere Definition: einfacher - sprich einstelliger - Zehnerübergang reicht aus). Desweiteren sehe auch ich es so, dass GERADE bei den FöS-Kindern die "Gebrauchsmathematik" wichtig ist: Welche Rechenverfahren oder Vorgehensweisen bringen sie am weitesten? Worauf kann ich verzichten? Dennoch sehe auch ich es so, dass man bei der Förderung nicht allein die Rechenleistung in den Blick nehmen kann, sondern Wahrnehmung u.a. mit berücksichtigen muss. Und ja, da braucht es noch viel Forschung. Ich bin gespannt, welche Erläuterungen man womöglich in 10, 20 oder 30 Jahren hat, mit denen man erklärt, warum SuS aus dem einen oder anderen Grund keinen Zugang zu Zahlen oder zum Rechnen (oder zum Lesen) finden. |
| ... | | von: ysnp
erstellt: 16.02.2018 11:09:08 geändert: 17.02.2018 22:17:19 |
Da kann ich zustimmen, palim und halb. Mir wäre bei solchen Tests wichtiger, abzuprüfen, ob der Zahlenraum bis 100 verstanden worden wäre. D.h., Orientierungsaufgaben im ZR, Zahlenvorstellungen, Zehnerübergang bis 20, Übertragung von Gesetzmäßigkeiten, z.B. wenn jemand weiß, dass 3+5 =8 ist, weiß er auch, was 23+5 bzw. 30+50 ist? Das zeigt ja auch, ob Größenvorstellungen vorhanden sind oder nicht. Welche Zahlen sind größer und kleiner, werden die Stellenwerte verwechselt usw. Wie sieht es mit dem abzählenden Rechnen aus? Also alles, was man für eine Diagnose in Richtung Dyskalkulie braucht. |
| nur eine "kleine" Anmerkung | | von: fruusch
erstellt: 16.02.2018 22:24:28 |
zur wissenschaftlichen Erforschung von Bildung: Kurz vorweg: Vor meiner Zeit als Lehrer habe ich jahrelang an der Uni selber geforscht und später in der freien Wirtschaft Auftragsforschung betrieben, war dabei für internationale Studien im medizinischen Bereich mit insgesamt einigen tausend Patienten verantwortlich. Der Goldstandard einer jeglichen Studie, medizinisch oder anderer Fachbereich, ist die sogenannte prospektive, randomisierte, kontrollierte und verblindete (besser: doppelt verblindete) Studie. Im medizinischen Kontext heißt das, dass Patienten, die gewissen Aufnahmekriterien entsprechen, per reinem Zufall einer Studiengruppe zugeteilt werden. Sie bekommen also zufällig das neue Medikament oder das alte, oder ein Placebo. Verblindet heißt in diesem Kontext, dass der Patient nicht weiß, was er bekommt - die Pillen sehen alle gleich aus - bei doppelt verblindeten Studien weiß es nicht einmal der behandelnde Arzt. Kontrolliert ist die Studie, wenn die neue Behandlungsmethode mit einer altbewährten oder mit einem Placebo verglichen wird. Prospektiv heißt, dass vor dem Start der Studie Hypothesen aufgestellt werden, die anhand von definierten Endpunkten überprüft werden sollen, im Gegensatz zur retrospektiven Studie, die einen Berg an bereits erhobenen Daten nach irgendwelchen statistischen Auffälligkeiten untersucht. Auch andere Fachrichtungen haben diese Methodik übernommen, zumindest die Randomisierung wird großflächig gewinnbringend eingesetzt. Und hier kommt jetzt das große Problem: In der Bildungsforschung kann so gut wie nichts von diesem Goldstandard umgesetzt werden. Randomisierung? Schülerweise geht gar nicht, dadurch würden Klassen auseinandergerissen werden. Klassenweise macht wenig Sinn, außer bei richtig großen Studien, da wir ja alle wissen, dass auch Parallelklassen an der selben Schule oft kaum vergleichbar sind was Leistungen und Sozialstruktur angeht. Dazu kommt das benötigte Einverständnis der Eltern, die sich evtl. dagegen wehren, wenn mit der Bildung ihrer Kinder "experimentiert" wird. Warum soll mein Kind nicht in den Genuss der tollen neuen Methode kommen? Oder andersrum, warum muss mein Kind bei jeder neuen Mode mimachen? Verblindung? Geht gar nicht, doppelt erst recht nicht - das hieße ja, dass weder Schüler noch die unterrichtenden Lehrer wissen würden, was sie da eigentlich machen. Kontrolle? Da wirds auch schwierig, Placebounterricht scheidet schonmal aus, und was soll bitte eine "anerkannte Standardmethode" sein? Ich unterrichte den selben Stoff in jedem neuen Jahr, sogar in gleichzeitigen Parallelklassen teils deutlich unterschiedlich, um der jeweiligen Klasse gerecht zu werden. Was soll dann der Standard sein? Unterricht exakt nach dem eingeführten Lehrwerk als schlechtest möglicher Vergleich? Jetzt ist es leider so, dass die prospektive kontrollierte randomisierte Studie der einzige Studientyp ist, der Vorhersagen für die Zukunft machen kann. Mit einer gewissen Fehlerwahrscheinlichkeit kann ich sagen, dass Maßnahme A besser wirken wird als Maßnahme B, und zwar nicht nur für die Teilnehmer meiner Studie, sondern für allezukünfitgen Menschen, die diesen Kriterien entsprechen. Bei einer retrospektiven Studie kann ich das nicht tun, da weiß ich nur, wie es früher war und kann daraus bestenfalls Hypothesen für eine neue prospektive Studie ableiten. Bei einer nicht randomisierten Studie kommen so große Fehler dazu, dass ich das Studienergebnis eigentlich kaum noch ernst nehmen kann, da die Zuteilung zu den Studiengruppen dann willkürlich erfolgt, also sehr großem Einfluss durch die Forscher unterworfen ist. Dann kommen "zufällig" die schwerer Erkrankten in die Kontrollgruppe. Eine nicht kontrollierte Studie bringt mir auch nichts, da ich keinen Vergleich habe. Manchmal nimmt man dann historische Vergleichsgruppen, aber diese Vergleiche hinken auf mehr als nur drei Beinen, selbst wenn man alles richtig macht. Was ich mit diesem langen Text sagen will: Die Bildungsforschung hat das große Problem, dass sie vom Prinzip her eigentlich kaum funktionieren kann. Grundlegende Aussagen, wie von kidheinz so vehement (und zu Recht!) gefordert, wird sie also kaum treffen können, außer in anekdotischer Form oder als Einzelfallstudien, und die haben wenig Aussagekraft. Das liegt einfach daran, dass Lernprozesse zu allem Überfluss auch noch derartig vielschichtig sind, dass sie im Grunde nie wirklich erforscht werden können. Selbst wenn man randomisieren könnte, wie sehen dann die Vergleichsgruppen aus? Die Randomisierung sorgt eigentlich dafür, dass alle Risikofaktoren gleich verteilt sind, aber nur bei entsprechenden Fallzahlen. Sind also alle Verschiedenheiten der Schüler auch wirklich gleich verteilt? Bei dieser großen Anzahl an Faktoren, die einen Lernerfolg beeinflussen können, wären dazu gigantische Fallzahlen nötig, grob geschätzt liegen wir da mindestens im fünfstelligen Bereich. Wer organisiert das, wer bezahlt das, ist das im Bildungsbereich, in dem alle halbe Jahr eine neue bildungspolitische Sau durchs Schuldorf getrieben wird, überhaupt möglich? Um solche Studien durchzuführen benötigt man außerdem viele Jahre (selbst kleinere Studien brauchen mind. 1-2 Jahre, richtig große oft 10 Jahre bis mehrere Jahrzehnte), welche Regierungen halten so lange still? In diesen Zeiträumen wird im Land mehrfach neu gewählt, und kaum ein Politiker sieht einen Gewinn für sich darin, die Wirkung seiner Ideen auch evaluieren zu lassen. Just my 2000 cents... hbeilmann |
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