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Forum: "Sind Diktate noch zeitgemäß?"
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| Treffer | | von: wabami
erstellt: 08.01.2006 13:32:42 |
Im Sport ist es ganz natürlich, dass Blinde und behinderte sich eben nicht mit "Normalen" messen.
Keiner kommt wegen der Gleichbehandlung Behinderter auf die Idee nur solche Sportarten zu betreiben, die alle gemeinsam bewältigen können!!
Also auch die ganz klare Aussage: Es gibt Lerngruppen/Lernsituationen in denen Diktate unangebracht sind!
Wenn deine Physiklehrer deine Fragen nicht beantwortet haben, dann kann es im wesentlichen an zwei Dingen liegen.
Entweder sie sind unangemessene Pädagogen, weil sie dir im Verstännis nicht weiterhelfen wollen.
Oder deine Fragen hatten nichts mit dem Thema zu tun und genau dies ist es, was ich ansprach.
Eben nicht nur das zu Lernen, was einen interessiert, was einem gefällt, was einem Spaß macht, wozu man einen Bezug hat, ... , sondern das Lernen und mit Überzeugung lernen, was von der Allgemeinheit als wichtig erachtet wird.
Und in diesem Lernprozess offen sein, dass Bedeutungen und Zusammenhänge (später) erkannt werden können! |
| @ wamabi | | von: ninniach
erstellt: 08.01.2006 19:09:00 |
Welche aktuelle Literatur zum Thema Diktate kennst du? Es gibt Untersuchungen dazu, dass mit Diktaten in erster Linie nicht die Rechtschreibleistung abgeprüft wird, sondern andere Faktoren wie die Konzentrationsfähigkeit oder auch die Prüfungsangst. DAS ist die Grundlage für mich zu entscheiden, dass ich auf Noten, die nur zu einem kleinen Teil überhaupt etwas mit der Rechtschreibleistung zu tun haben, keine Rechtschreibnote aufbaue. Ich werde also keine Diktate schreiben, die ich dann bewerte und die dann, eventuell sogar alleine, die Rechtschreibnote ausmachen. Da lasse ich auch gar nicht mit mir diskutieren.
Jetzt kann man Überlegungen anstellen, ob das schon immer so (ungerecht) war. Ich denke im Prinzip ja, obwohl ich nie besondere Probleme mit Diktaten oder Rechtschreibung hatte. Vielleicht waren die Probleme generell seltener, weil die Schrift im Alltag früherer Schüler eine größere Rolle gespielt hat oder die Konzentrationsfähigkeit höher war. Trotzdem ging sicher die Konzentrationsleistung mit in die Note ein und das macht es für mich auch rückwirkend noch zweifelhaft, dass die Hälfte unserer Deutscharbeiten in der Grundschule Diktate waren. Das alles, ohne irgendwelche Ansprüche zu verändern oder Standards nach unten zu verschieben. DAS hat damit gar nichts zu tun. Es geht einfach nur darum, dass man heute mehr weiß und dieses Wissen berücksichtig. So wie man heute auch weiß, dass zum Beispiel Asbest Krebs erregend ist und man den Baustoff nicht mehr verwendet.
Das mit meinen Physikerlebnissen hing damit zusammen, dass der Lehrer es nicht geschafft hat, mir zu vermitteln, dass Physik auch mit meinem Alltag zu tun hat. Hätte er es geschafft, meinen (und den Alltag vieler anderer) besser mit einzubeziehen, dann hätte ich mich vielleicht auch darauf eingelassen, mich mit den Dingen auseinanderzusetzen, die für mich vorerst nicht interessant waren. Damit ich nämlich an etwas Interesse habe, muss ich zu allererst merken, dass es mich interessiert und was das ganze überhaupt soll. Erst dann bin ich wirklich von mir aus dazu bereit, mich damit zu beschäftigen. In seltenen Fällen beschäftige ich mich trotzdem mit etwas, aber ich bin ja inzwischen auch erwachsen.
Was du da einforderst ist eine erwachsene Haltung von Kindern, die noch nichtmal 11 Jahre alt sind: "Ich weiß zwar nicht, warum ich richtig schreiben soll, aber ich lerne das halt mal, der da vorne wird schon wissen, warum." Wie lange wird dann das Anwenden der Rechtschreibung wohl anhalten? Solange der Lehrer das liest, was geschrieben wird. Erzeugt man genau damit nicht eine Haltung, die nicht wünschenswert ist?
Dein Studium ist ein Beispiel, das direkt in die gleiche Richtung geht. Wie oft habe ich mich während meines Referendariats gefragt, warum dieses oder jenes nicht im Studium vorkam. Ich kam zu dem Schluss, dass ich gar nicht die Möglichkeit hatte, echte Fragestellungen zu entwickeln, weil die Vorstellung von dem, was ich mich dann vielleicht später mal fragen würde, dann doch sehr nebulös war. Hätte ich vorher mehr praktische Erfahrungen gesammelt, hätte ich einen viel besseren Bezug zu so manchem Seminartitel entwickeln können und hätte mit viel konkreteren Fragestellungen viel effektiver (im Sinne von "ich kann das später nutzen, was ich im Studium gelernt habe") studieren können. Wäre das bei dir nicht auch so gewesen? Und nichts anderes als diesen Bezug versuchen Grundschullehrer und -lehrerinnen herzustellen, wenn sie Kindern im Unterricht die Möglichkeit geben, einen Brief zu schreiben. Das stellt die Grundvoraussetzung für eine selbstverantwortliche Rechtschreibhaltung da. |
| Eine kleine Geschichte! | | von: arwinia
erstellt: 08.01.2006 20:36:29 |
Ich übernahm vor drei Jahren meine fünfte Klasse an meiner Hauptschule. Insgesamt habe ich in dieser Klasse Kinder aus 7 Nationen, drei Schüler(zu den 7)mit einer LRS waren dabei und davon zwei, die so eine Angst hatten vor Rechtschreiben, vor Diktaten, dass sie einurinierten und schlimmeres.Davon war eine Schülerin in den letzten zwei Jahren unterwegs gewesen bei etlichen Psychologen und Instituten. Ich vergesse nie diese Kinderaugen, die mich am Kennenlernnachmittag angstvoll ansahen und das gegenseitige Abtasten in den ersten Stunden.
Für mich stand fest: du wirst hier keine "Keule" rausholen. Ich hatte unter anderem das "Erfolgserlebnis", dass eine Mutter ihren Jungen aus der meiner Klasse raus nahm, weil ich keine täglichen Übungsdiktate schrieb und die Schüler nicht so viele Hausaufgaben auf hatten.
Ich hab mein Ding durchgezogen, hätte auch immer alles schön begründen können im Rahmen des Lehrplans! Ja, was ist heute? Keines von diesen Kindern braucht mehr irgendwelche Psychologen. Diese Schülerin schreibt inhaltlich gute Arbeiten.Die Kontrolle und das Lesen kostet mich die meiste Zeit von allen. In den naturwissenschaftlichen Fächern ist sie mit Abstand die Beste.Sie schreibt immer noch in Druckbuchstaben, verfehlt manchmal die Zeilen, aber man kann es verstehen.Und sie hat keine Angst mehr vor Diktaten, auch die stehen wieder auf der Tagesordnung, aber nicht im Vordergrund.
Ein Geheimnis meines Deutschunterrichts:ich lasse immer viel begründen und siehe da,es bleibt doch etliches hängen.
In diesem Sinne
LG
Arwinia |
| Da bin ich einigen wohl ganz schön auf den Schlips getreten! | | von: wabami
erstellt: 09.01.2006 00:19:58 |
Wie ich mich erdreisten kann den Unterricht an Grundschulen zu beurteilen?
Nun, ich habe eine Tochter die zur GS geht und dies gar nicht gerne tut - sie ist frustiert, dass sie nicht recht voran kommt. Sie hat nicht mit dem Lernen Probleme, sondern sie hatte sich immer vorgestellt, dass sich die Schule deutlicher von der Kita unterscheidet!
O-Ton: ""Außerdem spielen wir zu viel!"
Andersrum erlebe ich, was bei uns am Gymnasium ankommt und wie die Leistungs- und Belastungsfähigkeit sich von Jahr zu Jahr verschlechtert. --> siehe z.B. Beitrag von edlerverein im Fremdsprachen-Frust-Forum!
Natürlich sind die gesellschaftlichen Veränderungen (zunehmender Fernsehkonsum, PC-Spiele, klaffende soziale Schere etc.) maßgeblich dafür verantwortlich, aber ich erlebe auch kein Gegensteuern in der (Grund-)schule! Und dies stört mich!
Das ich vielleicht zu sehr aus erwachsener Sicht die Sache betrachte, ist ein durchaus angemessener Kritikpunkt. Aber der Blickwinkel darf nicht gänzlich beiseite geschoben werden.
ninniach, du lieferst selbst die Begründung, dass man das Lernen nicht immer so gestalten kann, dass man gleich den Anwendungsbezug hat oder gleich die Freude daran entdeckt.
Sicher gibt es an der Lehrerausbildung etliches zu verändern, aber bestimmt nicht, das die Anhäufung von theoretischem Wissen vor der Praxis kommt.
Genauso naiv ist die Forderung an Physiklehrer (genauso Chemie-, Mathe- ... -lehrer) möglichst viele Anwendungsbezüge aufzuzeigen.
Zu lernen heißt doch Zusammenhänge zu erkennen! Es heißt eben nicht alles gezeigt zu bekommen.
Die meisten Alltagsvorgänge sind doch viel zu komplex um im Anfangsuntericht Physik beschrieben zu werden - auch hier heißt es erst einmal eine Menge an Theorie anhäufen, um sich dann an die Praxis zu wagen! Wer sich auf so etwas nicht einlässt vergeudet Lernpotenzial!
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