18 Die Prinzessin hatte das Schloss verlassen, weil sie nicht den benachbarten Ritter ehelichen wollte. Daraufhin musste sich der König von seinen Beratern Vorwürfe machen lassen, wie er so etwas hatte zulassen können. Die darin begründete schlechte Laune des Königs war weithin zu spüren. Er polterte und fluchte, schimpfte und wetterte den ganzen Tag, ihm schmeckte das Essen nicht und ihm war nichts Recht zu machen, einzig und allein aus Gram darüber, dass er seine Tochter verloren hatte – wenn er diesen Gram auch nie offen zugegeben hätte. Die Diener und Berater gingen dem König so weit es ging aus dem Weg, sein Zetern und Brüllen war aber trotz der dicken Mauen quer durch das Schloss zu vernehmen.
Im Keller jedoch, konnte man es nicht einmal ahnen. Dazu waren die Mauern doch zu fest. Hier wartete der Jüngling, der sein Zeitgefühl nun vollkommen verloren hatte, auf etwas Außergewöhnliches, dass ihn befreien würde. Aber es kam ihm niemand zu Hilfe. Nach einiger Zeit konnte er es nicht mehr aushalten, still zu sitzen. Die lange Wanderschaft hatte ihn an das Laufen gewöhnt und um so schwerer viel es ihm nun, in einer engen, düsteren Zelle zu sitzen und abzuwarten. Deshalb begann er damit, zu laufen, was die Situation nicht verbesserte, aber erträglicher werden ließ.
Er lief von links nach recht, von vorn nach hinten, im Kreis, im Zickzack, im Bogen, ein Pferd beim Dressur-Reiten kannte nicht weniger Wege und Formen im Karree als er. Dann blieb er abrupt stehen, denn er hatte entdeckt, dass der vor ihm liegende Teil der Wand eine andere Struktur aufwies als die sonstigen, felsigen Wände. Er tastete den Bereich eingehend ab und erkannte, dass mitten im Felsen eine Holztür eingelassen war, eher eine Luke, denn sie war nur halb so groß wie andere Türen. Sogar ein flacher Mechanismus zum Öffnen der Tür war eingebaut. Als der Jüngling ihn betätigte, musste er jedoch feststellen, dass die Tür verschlossen war. Dennoch brachte die Entdeckung der Tür neues Leben in ihn, war sie doch eine Möglichkeit, aus dem Raum zu entkommen. In dunkelster Umgebung begann er zu ertasten, wie der Mechanismus funktionierte und welcher Art das Schloss war. Schnell erkannte er, dass zwar das Öffnen der Tür auf ungewöhnliche Weise geschah, das Schloss selbst aber eine sehr gebräuchliche Form hatte. Ein kleiner Draht müsste genügen, so dachte er, um das Schloss zu knacken. Eilig durchsuchte er seine Taschen, konnte aber nichts Geeignetes finden. Er fühlte an sich hinunter, tastete den Boden ab... doch nichts. Kein Draht, kein Stab war zu finden. Angespannt, wie er war, fuhr er sich mit der Hand durch sein Haar bis in den Nacken und verfing sich dabei im Band seiner Halskette, an der noch immer der Schlüssel hing, den er im Schuh gefunden hatte, nachdem er auf der sonnigen Wiese in einem Loch stecken geblieben war. Behände knüpfte er das Band auf und nahm den kleinen Schlüssel. Zumindest versuchen wollte er, ob er mit dem Schlüssel etwas ausrichten konnte. Er schob ihn langsam in das Schloss und drehte ihn. Der Schlüssel fasste sofort und ließ sich ohne ein Sperren zweimal herum drehen, dann sprang die Tür auf. Vorsichtig spähte der Jüngling durch den Türspalt, konnte aber nichts erkennen. So stieg er mutig durch die niedrige Öffnung, in der Hoffnung, dass ihn keiner sehen würde, und gelangte geradewegs...
Habt einen schönen 4. Advent... ich gehe nun im Konzert singen )