|
Forum: "Outing der Grauen Panther"
Bitte beachte die Netiquette! Doppeleinträge werden von der Redaktion gelöscht.
|
| Reaktionen und Irritationen | | von: observer
erstellt: 16.10.2004 17:10:40 geändert: 16.10.2004 17:17:46 |
... sind das, was man sich nur wünschen kann. Danke also!
Merkwürdig nur, warum meine bescheidene Beobachtung als persönliche Beleidgung aufgefaßt wird. Oder liegt hier vielleicht schon das Problem: kritische Einwände am herrschenden Schul-Betrieb (nicht an einzelnen Personen!), werden im Gestus persönlicher Betroffenheit als Zumutung abgewehrt und der Beobachter exkommuniziert? Diesen Zeitgenossen empfehle ich die Lektüre von Adornos "Tabus über dem Lehrberuf" als Therapeutikum. Aber zur Beruhigung: Adorno ist ja nun schon lange tot!
Allerdings: Es genügt ein Blick in das Forum der Referendare. Das Referendariat scheint die Phase der Unterwerfung der (abhängigen) Novizen unter die Willkur der pädagogischen Dogmatik zu sein, die sich mit den neuesten didaktischen Moden kaschiert. Zugleich obwaltet dort offenbar eine unselige mechanistische Tradition, die Wolfgang Klafki bereits 1967 (!!!) beklagt hat, weil sie meint, sich auf seine Überlegungen zur "Didaktischen Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung" berufen zu können. Man sehe sich nur die bei 4t veröffentlichen Stundenentwürfe aus dem Referendariat an, die dann - so ist zu fürchten - unkritisch kopiert und als Vorlagen genutzt und weiter gereicht werden. Im übrigen fällt einem nüchternen Beobachter das Mißverhältnis zwischen der Zahl von DOWNLOADS eines beliebigen Dokuments und der Zahl der Kommentaren dazu auf.
Doch zur Beruhigung und Warnung für die Jungen: An dem Skandal, daß bundesweit die Schulen seit Jahren auf Methodentraining á la Klippert setzen und sich die (erfahrene!) Lehrerschaft dazu sogar von Ministerien nötigen läßt, sieht man, daß nicht nur die Referendare Meister der Unterwerfung sind und werden!
Es gibt eben viel zu wenige Graue Panther an den Schulen.
In diesem Sinne: stay tuned, als "grauer"
observer
|
| Oh observer. | | von: kfmaas
erstellt: 16.10.2004 19:21:34 |
ich glaube, du hast sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Hier haben wir die Möglichkeit sie anzusprechen und loszuwerden, wenn man will.
Zwar mag es sein, dass Refis unter der Ausbildung leiden, weil sie zum ersten Mal im Leben unausweichlich als Person zur Disposition stehen. Soweit ich das aber in meinen über 3 Jahrzehnten Fachleiterdasein beurteilen kann, sind es eher die Schüler, die die Refis auf den Prüfstand setzen.
Ich freue mich, dass du so schön deinen Frust artikulieren kannst. Einige meiner jüngeren Kollegen haben denselben Tenor, aber nicht die gleiche Formulierungskunst.
Übrigens war Klafki gründlich missbraucht worden: Sein Modell diente ursprünglich zur Beurteillung von Unterricht und wurde - weil es so griffig war - zur Unterrichtsplanung zweckentfremdet. Leider haben andere Modelle bisher noch keinen durchschlagenden Erfolg gehabt.
Kannst mal unter
http://www.kfmaas.de/t-model.html
nachsehen.
Ich freue mich über jede abweichende Meinung.
Sobald ich mehr Zeit habe, werde ich auch konkreter auf das eingehen, was du angemerkt hast.
LG
kfmaas
|
| Nein, "kfmaas", | | von: observer
erstellt: 17.10.2004 16:43:35 geändert: 17.10.2004 17:40:05 |
ich bin nicht frustriert und muß mich in diesem Forum nicht psychisch entladen.
Ich bin einfach nur am Thema "Schule" und an den "Handlungsproblemen des Lehrers" (vgl. u.a. Diederich/Lingelbach, 1979) interessiert. Immerhin bestimmt die Schule das Leben jedes "zivilierten" Menschen (zwangsweise!) und hat gesamtgesellschaftliche Effekte, die man sich als Lehrende(r), oder sonst irgend Betroffene(r) nur selten klar macht. Es sind allerdings gerade nicht die Effekte, die sich die Protagonisten der (Pflicht- und Massen-)Schule erhoffen. Ja, man kann sagen, die pädagogischen Hoffnungen sind dazu da, sich über die tatsächlichen "Wirkungen" der Schule und des eigenen Unterrichts hinweg zu täuschen. Das wäre dann soziologisch betrachtet die "Funktion" der Illusionen. Diese Einsicht kann man zur Kenntnis nehmen und (dann muß man) zur Tagesordnung übergehen. Um der ewigen Widerkehr des Gleichen etwas schwerer zu machen, setze ich auf die irritiernede Wirkung, die man mit präzisen Analysen erzielen kann. Zum Beispiel mit der Analyse von Unterrichtsmaterialien, die tatsächlich im Unterricht eingesetzt wurden oder gar von Stundenprotokollen. Klafkis Anregung zur "Diaktischen Analyse" beziehe ich in meiner Arbeit nicht auf "den Unterricht" oder die Einzelstunde als Planungshorizont, sondern auf die Aufgaben als "Medium für Lehren und Lernen", weil ich der Meinung bin, daß der Unterricht in erster Linie als Aufgabenfolge zu analysieren ist. Denn sie repräsentieren den sachlichen Kern dessen, was mit dem allgemeinen "Bildungsauftrag" der Schule gemeint ist. Doch diese Sicht ist nach meiner Beobachtung nicht weit verbreitet, sondern ein exotischer Luxus im Schonraum der Universität, jenem fragilen Elfenbeinturm, den heutige "Modernisierer" am liebsten schleifen würden. Aber wo ist der Ort, an dem diese sachlich orientierte Analysekultur ansonsten praktisch gepflegt würde, wo ist das Forum, die Zeitschrift, in der darüber diskutiert wird. Vergegenwärtigt man sich, wie Schulen (i.e.: LEHRER-Kollegien) auf die administrative Nötigung reagiert haben, ein "Schulprogramm" zu schreiben, wird man schnell ernüchtert. Man findet vor allem ritualistische kollektive Unterwerfung und die virtuose Pflege der Tabus "über der Schule und dem Unterricht", aber keine kritische Analyse der eigenen Praxis, die im Kern "Unterricht" ist. Inzwischen sind die Schulprogramme Schnee von gestern und es wird als Antwort auf den PISA-Wahn die nächste Sau durchs Dorf getrieben: Vergleichsarbeiten! Darauf müssen die Lehrer nun ihre Schüler gezielt vorbereiten, weil ihr Unterricht das nicht leistet. Zu diesem Zwecke empfehlen Landesinstitute Traingsmaterialien, die schlicht Sammlungen von PISA-Aufgaben-Trümmern und Derivaten sind. Das bestätigt negativ meine Sicht vom Unterricht: im Kern geht es immer um Aufgaben. Deshalb sollte keinem Lehrer egeal sein, woher diese kommen und was ihre Schwierigkeit ausmacht, welche Anforderungen sie tatsächlich repräsentieren. Das findet man jedoch nur über subtile Analysen heraus, deren erster Schritt immer der "Selbstversuch" ist. Deshalb sollte es sich für jede(n) Lehrer(in) von selbst verstehen, jede Aufage selbst zu bearbeiten, bevor man sie seinen Schülern vorlegt. Aber wer tut das schon!
Das alles ist nicht (nur) persönliches oder kollektives Versagen, sondern hat (auch) "strukturelle" Gründe. Aber diese "strukturellen" Gründe ändern sich bereits dann, wenn man sie zum Thema (sich also bewußt) macht. Anschließend kan jede(r) so weiter machen, wie bisher, aber dies nun mit dem Wissen um Alternativen und das ist ein Unterschied ums Ganze.
Liebe(r) "kfmaas", was mich hier im Forum zu Beiträgen und in meiner Arbeit mit Lehramtsstudierenden zum Weitermachen motiviert, ist mein altmodischer GLAUBE an die Lernfähigkeit von Individuen. Dieser Glaube ist normativ, denn in ihm artikulieren sich Erwartungen, die ich kontrafaktisch aufrecht erhalte, also trotz erwartungsenttäuschender Beobachtungen. Das heißt, an dieser Stelle bin ich lernunwillig, denn ich weigere mich, folgendes für normal (und akzeptabel) zu halten:
1. den Mangel an Reflexionsbereitschaft (und: -vermögen) hinsichtlich dessen, was man als Lehrer tut;
2. den gerade bei (verbeamteten und unkündbaren) Lehrern unverständlichen Defaitismus gegenüber den "gesellschaftlichen Verhältnissen";
3. die sich damit paarende Ignoranz in Bezug auf die Folgen des eigenen Handelns (vor allem auf Seiten der Schüler);
4. schließlich die moralisiernde Animosität gegen jegliche Kritik am pädagogischen Routinebetrieb (komme sie von "innen" oder von "außen").
Man verzeihe mir dieses zu lang geratene "Wort zum Sonntag", aber ich finde es hilfreich, wenn man sich so präzise wie möglich erklärt.
Es grüßt ins Rund
ein normativer
observer.
PS: Ich hätte große Lust, unter den "Grauen Panthern" ein Forum zu eröffnen, das sich Problemen der Mentorentätigkeit widmet. Ich denke vor allem an diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die gerne und häufig jene Lehramtstudierenden betreuen, die an der Schule ihre Praktika absolvieren. Diese Praktika scheinen mir professionstheoretisch (und -politisch) eine Schlüsselstelle zu sein, an der universiätere Lehrerbildung und pädagogische Praxis sinnvoll und fruchtbar kooperieren müßten. Nach meiner Erfahrung ist dies aber nicht der Fall, was man an der unausrottbaren Aversion vieler Praktiker gegenüber den "Spinnern" von der Uni ablesen kann. Um so wichtiger fände ich es, hierzu Erfahrungen zu sammeln und Konzepte zu diskutieren. Ganz egoistisch würde ich mich freuen, wenn sich "hier" auch Kolleginnen und Kollegen aus dem Rhein-Main-Gebiet finden ließen.
|
| abgebrochen? | | von: rooster
erstellt: 25.10.2004 15:46:25 geändert: 25.10.2004 15:49:11 |
ist die diskussion? komm ich aus den ferien zurück und finde diesen exkurs im panther-forum ---
und warum sagt niemand mehr etwas dazu?
es scheint mir ein aufeinandertreffen von verschiedenen perspektiven auf unterrichtshandeln erkennbar zu sein - in der praxis stehende, auf den lehreralltag *vorbereitet-werdende*, in der unversitären lehrerausbildung tätige --- und emeritierte (rolf )
kann es ein, dass die in der praxis tätigen von den im theorie-überbau tätigen dringend hilfen erwarten?
kann es sein, dass der lehreralltag wie ein seismograph schon seit jahren die im moment sichtbar werdenden probleme dieser gesellschaft im umgang mit ihrer jungen generation bemerkt und auch laut vermeldet?
kann es sein, dass das, was jetzt als problem der *nicht ausbildungsfähigen jugendlichen* umschrieben wird, seit jahren von lehrern aus hauptschule und berufsschulen beschrieben wird - besonders aus sonderschulen?
kann es ein, dass die *in der praxis bestehenden* früher sehr wohl in der lage waren akzeptierte alternativen zum üblichen pädagogischen handeln aus ihrem wissen und ihrer erfahrung zu entwickeln (siehe die sog. reformpädagogen)- heute aber dieses nur der *wissenschaft* zugestanden wird, wohlgemerkt der universitären wissenschaft?
kann es ein, dass die verwissenschaftlichung der gesamten lehrerausbildung (bis hin zu bachelor und master) und das systematische heraushalten von erfahrenen pädagogen aus dieser universitären ausbildung die handlungsfähigkeit junger lehrer nicht besonders professionalisiert (fies grins)?
kann es sein, dass diese diskussion vielleicht widerspiegelt, wie belastend es für lehrerInnen geworden ist, die sogenannten werte dieser gesellschaft zu vermitteln, an die sich die wirklich erfolgreichen garantiert nicht halten?
kann es ein, dass die schule nicht länger weitere aufgaben für die gesellschaft übernehmen kann mit den mitteln von gestern und den ressourcen von vorgestern?
schulalltag von heute hat mit dem schulalltag vor 25 jahren nichts mehr zu tun - wer mit rezepten der 68er generation die kommende generation auf ihre zukunft im globalisierten taumel vorbereiten möchte, ist kein guter ratgeber
wer ohne kenntnis dieses schulalltags schule verändern möchte, wird kaum akzeptanz und bereitschaft bei lehrern finden, sich auf veränderungsprozesse einzulassen
graue panther haben von diesen problemen so eine dumpfe ahnung und das nötige selbstbewusstsein, sich nicht den ring durch die nase ziehen zu lassen und vertrauend auf ihre erfahrung und ihre wissenschaftliche ausbildung durchaus eigene wege zu gehen - und nicht hinter jeder sau herzurennen, die grad durch's dorf getrieben wird
auch dies ist eine stärke von grauen panthern: selbstbewusst und qualifiziert in der praxis eigene maßstäbe entwickeln und mit anderen gemeinsam danach handeln
es lohnt sich, die ersten turbulenten jahre als lehrer zu überstehn - am besten im team - es wird einfacher mit jedem jahr reflektierter berufserfahrung
oder?? fragt rooster in die große runde der grauen 4 tea panther |
Beitrag (nur Mitglieder) |
|
|