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Forum: "Familienfreundlichkeit"
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| @elefant | | von: rhauda
erstellt: 30.05.2008 20:36:31 geändert: 30.05.2008 20:40:15 |
Ich stimme voll zu.
Manchmal frage ich mich, ob die ungewöhliche Fixierung auf das Mutterzeitmonopol nicht eher ein Problem der Mütter und deren Sozialisation ist, als ein Problem des Kindes.
Ich möchte da ein Beispiel geben, das noch einen Schritt weiter geht.
Meine Englische Freundin ist mit einem Offizier verheiratet. Damals in Deutschland stationiert, war es für sie gar keine Frage, ihre Kinder nicht in die Militärschulen in Deutschland zu schicken, sondern auf ein Internat in England.
Ich war entsetzt! Wie kann man nur einen 10-jährigen Jungen so abschieben? Der Ärmste!
Der Junge gab auf meinen Heimweh-Familie-ist-nicht-da-Einwand selbst die Antwort (so etwa im Wortlaut):
"Bist du verrückt? Natürlich finde ich es klasse!
Wenn du zu Haus bist, hast du doch den ganz normalen Familienalltag.
Im Internat habe ich jede Menge Jungs, mit denen ich was machen kann, ich kann schwimmen oder Hockey spielen oder den Computer-Club machen, oder einfach in die Bibliothek gehen und lesen. Es ist nie langweilig und wenn man in einem Fach nicht mitkommt, helfen die einem.
Wenn ich dann an den langen Wochenenden und Ferien nach Hause kommen, freuen sich alle und wir haben eine großartige Zeit!"
Ich war damals nicht so recht überzeugt, aber aus dem Kindern sind großartige junge Erwachsene geworden und die Beziehung zu den Eltern könnte besser nicht sein.
Es ist klar, dass das Internat ein sehr gutes war und die Kinder alle Möglichkeiten hatten, aber dieses Beispiel zeigt auch, dass die Eltern wohl mehr leiden unter der Trennung als die Kinder, es sei denn, sie sind ganz anders sozialisiert.
Und ich stelle noch einmal die Frage, auf die noch niemand hier geantwortet hat:
Sind in den meisten Europäischen Ländern die Kinder Psycho-Krüppel, weil sie nicht brav am Nachmittag im Schoß der Familie weilen und sind deutsche Kinder aus den Halbtagsschulen einfach psychisch und physisch gesünder und dazu noch intelligenter und leistungsfähiger? |
| @sopaed | | von: kla1234
erstellt: 30.05.2008 20:54:52 |
Ich kann mir Schule, Vereine, Hobbys etc kombiniert den ganzen Tag wundervoll vorstellen. Mein Wunschdenken verleitet mich dazu so eine Ganztagsschule bei den freieren Schulen einzuordnen bei so viel "Angeboten".
Ich fürchte mich vor:
Schule wie bisher
plus Chor bei der strengen Lehrerin, plus Hausaufgabenbetreuung bei anderen(!) Müttern, die sich da einbringen oder Lehrern, die vormittags benoten, ein Instrument bei dem einen (hm) vorhandenen Lehrer für das Instrument, Spielangebote dazwischen mit der Gruppe in begrenzten räumlichen Verhältnissen,
das artet schnell in Verplanung aus.
Nix mit freier Freizeitgestaltung des Kindes mit Privatsphäre und persönlicher Zuwendung, ganz zu schweigen von der Nichtwählbarkeit der jeweiligen Bezugspersonen so dass der Hobbyunterricht heftig frontal ausfällt und sich wie Schule anfühlt...
Was meinst du, was ich mich anstrengen muss bis die Kinder in der Klavierstunde sich bei mir nicht wie brave, absolvierende Kinder aufführen, die Unterschiede zu Schule wahrnehmen und nützen lernen?
Kinder, die nach der Nachmittagsbetreuung aus so einem Ganztagsangebot zu mir kommen sind gestresst und haben genug vom Denken. Klavier gibts da noch nicht, oder wenn es ein bestimmter Lehrer oder ein bestimmtes Hobby sein muss, dann kann das auch erst nach diesem Nachmittagsangebot passieren. Also noch mehr Verplanung.
GS bis 2 oder halb 3, keine Noten, keine Klassen oder großgeschriebene Binnendifferenzierung, keine Hausaufgaben, und dann Angebote zur Wahl am Nachmittag. So stell ich mir das vor.
Liebe Grüße
kla
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| Wenn alle, dann alle.... | | von: rhauda
erstellt: 30.05.2008 21:27:28 geändert: 30.05.2008 21:28:14 |
.. aber ICH möchte selber entscheiden welche schule mein kind besucht!
Genau das sagen aber auch Eltern, bei denen die Kinder nicht so gut aufgehoben sind wie bei dir (was ich ja aus erster Hand weiß).
Somit bekommen die Eltern freie Bahn, die ihre Kinder lieber zur Koranschule als zum Deutschförderunterricht schicken, diejenigen, die es erlauben, dass ihre Kinder sich für AGs anmelden und dann lieber zu Hause apathisch "abchillen" oder mit den Kumpels rauchend an den Bushaltestellen rumhängen. Oder auch die Eltern, die ihre Kinder triezen und mit Nachhilfe vollstopfen, bis die Schwarte kracht, oder die ihre Kinder als billige Babysitter für jüngere Geschwister benutzen oder auch die, die ihre Kinder in Watte packen und ihnen alles kaufen, was das Kinderherz begehrt, ohne mit ihnen wirklich zu reden.
Das ist die Frage, die ich schon in einem Post früher gestellt habe. Dieses Recht zu entscheiden, ob ein Kind auf eine Ganztagschulle geht oder nicht, geht einher mit dem Eingeständnis, dass wir Eltern, die nicht in der Lage sind, ihr Kind adäquat zu erziehen, eine Carte Blanche ausstellen, womit sich nichts ändern wird.
Es ist abzuwägen, was uns wichtiger ist. |
| . | | von: ing_08
erstellt: 30.05.2008 22:49:05 geändert: 30.05.2008 22:52:42 |
keine Noten, keine Klassen oder großgeschriebene Binnendifferenzierung, keine Hausaufgaben
Irrsinn. Unsinn.
Gute Schule ist u.a. leistungsorientierte Schule.
Also: strenge Zensierung einschließlich Kopfzensuren ab der 1. Klasse.
Tägliche Hausaufgaben, wenigstens immer als Pflichthausaufgaben in den drei zentralen Dingen Lesen, Schreiben, Rechnen.
Tätigkeiten soviel wie möglich mit den Kindern des unterrichtlichen Klassenverbandes, so daß sozialer Umgang miteinander und die Gemeinschaftlichkeit stabilisiert werden.
Keine beliebigen Angebote, sondern immer mit (latent) erzieherisch-pädagogischem Inhalt. Keinesfalls hat in einer anspruchsvollen Tagesschule das herkömmliche, außerschulische Vereinsleben etwas zu suchen.
Es ist abzuwägen, was uns wichtiger ist.
Es gibt in der philosophischen Logik einen passenden Satz dazu:
"Das Wohl vieler wiegt schwerer als das Wohl weniger."
Anders gesagt, liegt es im Interesse der Dichter-und-Denker-Nation bzw. des ganzen deutschen Volkes, daß der Staat eine gewichtige Erziehungspflicht ausübt auf Grundlage der besten humanistischen Bildungsideale, die man sich denken kann.
Wie ich schon in dem anderen Kommentar zum politischen Diskurs hinwies, ist es logisch unstrittig, daß die große Mehrheit der Eltern ihre Kinder keinesfalls über den normalen Tag so gut erziehen, intellektuell beschäftigen und pädagogisch fördern kann, wie eine gute Tagesschule mit guten Lehrern und Erzieherinnen dies zu bewerkstelligen in der Lage ist.
Wir sind das seit ewiger Zeit gewohnt,
dass Schule oft nur bis Mittags geht.
Sowas aus den Köpfen rauszubringen ist nicht einfach.
Solche Änderungen kann man nicht von oben überstülpen.
Etwa 17 Millionen Deutsche waren es zumindest "bis neulich" sehr wohl gewohnt.
Zudem: Was ist das für Positionierung?
Nur weil ein Problem "nicht einfach" ist, und man zur Lösung gewissen gesellschaftlichen Kreisen (mindestens dem rechskonservativ-bürgerlichen Lager) kräftig in den Arsch treten müßte, kann man sowas nicht staatlich anordnen?
Der Liberalismus postuliert: Der Staat ist das zivilisierte Machtinstrumentarium des Volkes vom Volk, aus dem Volk, für das Volk.
Da Deutschland außer mit der Bildung über keine zukunftsrelevanten Ressourcen verfügt, ist oberstes Staatsinteresse eine hohe Bildung des ganzen Volkes, sowie die stete Maximierung des Wissens aller Bürger.
Daraus folgt logisch auf dem Fuße die Staatsraison gegenüber solchen Metafreiheiten wie bspw. der elterlichen Entscheidung über die Entfaltungsfreiheit der Kinder.
Es ist im Interesse des Volkes und des Staates, langfristig funktionsfähig und natürlich intellektuell so leistungsfähig wie möglich zu bleiben. Das berechtigt streng logisch zur Erlassung von Pflichten wie bspw. eine fiktive Tagesschulpflicht.
Die Schulpflicht existiert bereits als ein eisernes Grundprinzip unserer Gesellschaft;
es mutet lächerlich an, wie eine Debatte um die bloße Verlängerung bis etwa 18.00 Uhr derart konservativ polarisieren kann.
Es fehlt anscheinend gerade die Verordnung von oben, so daß sich überhaupt etwas bewegen würde.
Verließe man sich auf die Konsensfähigkeit von verschiedenen Verbänden oder Gruppierungen, käme man nie zu einem konsequenten Modell, sondern dann werden wir in 20 Jahren noch diskutieren, ob Tagesschule oder nicht.
Ciao |
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