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Forum: "Adventskalender"
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| *mit Engelsgesang und Glitzerstaub sich öffnend* das 24. Türchen | | von: palim
erstellt: 24.12.2005 09:46:12 |
24 Entsetzt und geschockt vom Handeln ihres Vater, der sogar ihr gegenüber sein Wort gebrochen hatte, stand die Prinzessin in dem großen Saal des Schlosses, inmitten eines Meeres von Kleidungsstücken. Überall lagen kostbare Gewänder, lange Mäntel, ausladende Hüte, breit verzierte Gürtel, blanke Stiefel und vieles mehr, aus denen sie zu wählen hatte. Erst, nachdem sie sich gefasst hatte, konnte sie alles um sich herum wahrnehmen und fand es schier unmöglich, unter diesen Kleidern dasjenige herauszusuchen, dass ihrem Geliebten gehörte. Wenn sie aber keines wählen würde, müsste sie wohl bis an ihr Lebensende in diesem Saal verweilen. Die Freiheit, die ihr Vater ihr durch die Wahl versprach, war ein in Wirklichkeit das Gefängnis der Ehe mit einem Mann, den sie gar nicht kannte. So begann sie, umherzugehen und mal jenes mal welches Stück zu mustern, daran zu riechen, die Größe zu vergleichen. Aber je mehr sie hoch hob, desto häufiger fand sie, dass viele Kleidungsstücke gleich groß und gleich passend waren, zumal der Jüngling ganz einfache Kleidung getragen hatte. Schon wollte sie alle besonderen Gewänder außer Acht lassen, als ihr eines besonders in den Blick fiel: Es war ein Hemd von schlichter Form und schlichter Farbe, deren Stoff aber über und über mit kleinen weißen Muscheln, silbernen Federn und goldenen Sternen bestickt war. Weiße Muscheln, wie die, die sie bei sich trug, seit sie den Jüngling am Strand zum ersten Mal erblickte hatte und er nicht nur ihr Pferd in Zaum hielt, sondern ihr auch noch diese Muschel, die das Pferd hatte scheuen lassen, geschenkt hatte. Silberne Feder wie die des Vogels, der im Park so lang, leise und ausdauernd für sie gesungen hatte und der erst beim Auffliegen eine seiner Federn preis gegeben hatte. Auch diese trug sie bei sich. Und goldene Sterne, wie die Sterne am Himmel, die die Zeugen ihrer gegenseitigen Liebe waren, wo auch immer sie beide sein sollten. Erfüllt von einer Gewissheit, das richtige gefunden zu haben, schritt sie zur hohen Tür des Saales und schlug daran.
Keiner hatte mit einer so baldigen Entscheidung ihrerseits gerechnet und der König glaubte schon, sie hätte sich endlich besonnen und würde nun doch den Ritter des Nachbarlandes als kleineres Übel ansehen und ihn wählen, doch alle hatten sich in ihr getäuscht. Mit festem Willen trat die Prinzessin auf ihren Vater zu und erklärte, dass sie gewillt sei, denjenigen zu heiraten, dem dieses Kleidungsstück gehöre. Der König traute seinen Ohren kaum und doch war er nun bereit, dem jahrelangen Suchen ein Ende zu bereiten, selbst, wenn es ihr Unglück sein würde, wie er glaubte. So ließ er den Besitzer des Kleidungsstückes bringen, der der Jüngling war, und die Prinzessin, die ihn sogleich erkannte, schritt auf ihn zu und beide schlossen sich in die Arme.
Der König aber, der nun zum dritten Mal dem Jüngling gegenüber stand, musste erkennen, dass er gegen das Schicksal und die Liebe machtlos war.
So kam es, dass sich nach vielen Jahren und harten Proben doch zwei Liebende fanden, die ihren Bund gemeinsam besiegelten und ein rauschendes Hochzeitsfest feierten. Das Volk aber, wurde nicht mehr aus dem Schloss gedrängt, sondern durfte sich mit dem glücklichen Paar freuen.
Der König aber, der so hartherzig zu seiner Tochter, zum Jüngling und auch zu alle den anderen Bewerbern gewesen war, musste fortan gemeinsam mit dem alten Schatzmeister die Schätze bewachen, die er selbst angehäuft hatte.
Der Jüngling freute sich Tag für Tag an seiner klugen und hübschen Prinzessin, der er ein guter, treusorgender Ehemann war und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Ich wünsche euch allen wundervolle Weihnachten mit Freude, Freunden, Familie, Fröhlichkeit ... und für euch auch die notwendige Ruhe, die ihr braucht oder sucht.
Alles Liebe
Palim |
| Nachtrag | | von: palim
erstellt: 01.01.2006 15:07:46 geändert: 01.01.2006 15:10:04 |
Nach einiger Zeit begann der junge Prinz, das Schloss, indem er nun mit der Prinzessin lebte, näher zu erkunden. Sicher, er kannte die wichtigsten Räume und war immer wieder von neuem bezaubert von der Schönheit der Räume und der Ausstattung. Aber es gab noch viele Zimmer im Schloss, die er noch nicht kannte und selbst die abgelegensten Nischen wollte er zumindest gesehen haben.
So geschah es, dass der Jüngling in einer der hinteren Ecken etwas Vertrautes fand. Im Halbdunkel verborgen stand an die Wand gelehnt der Spiegel, den er vor einiger Zeit in dem halb verfallenen Turm entdeckt hatte und mit dem die ganze Geschichte begonnen hatte.
Der Jüngling ließ den hoch gerahmten Spiegel ins Licht bringen, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht täusche. Vor ihm stand aber tatsächlich der Spiegel, durch den er in diese Welt gestiegen war. Um niemanden zu gefährden, behielt er das Geheimnis des Spiegels für sich. Trotzdem wollte er aber die Herkunft erfahren. Doch weder die Prinzessin noch die Diener hatten das Stück jemals in einem der Zimmer gesehen. Daraufhin ließ der Jüngling den Schatzmeister holen, der schon lange Zeit im Schloss lebte und alle Geschenke an den König gesehen hatte. Er offenbarte ihm, dass der Spiegel zum Schloss gehöre, lange Zeit in einer dunklen Ecke gehangen habe, seit geraumer Zeit aber von dort verschwunden war.
Das Gehörte ließ dem Jüngling erst recht keine Ruhe mehr, so dass er den alten König holen ließ, um ihn ebenfalls zu befragen.
Der König erschien mit einem Lächeln auf dem Gesicht vor dem Jüngling. Dieser führte das Lächeln darauf zurück, dass der König meinte, er wolle ihn von seiner Strafe erlösen und die einer Verbannung gleichkommenden Aufgabe der Schatzwache von ihm nehmen. Dass der König zu einer Lobesrede anhob, bestätigte des Jünglings Vermutung. Schon wollte er den König unterbrechen, da ihm das Lob und der Dank unecht erschienen, als der König ihn für seine Weitsicht und Klugheit rühmte, dass er nun alles herausgefunden habe, was der König so sicher im Verborgenen lassen wollte. Irritiert ließ der Prinz den König fortfahren und erfuhr, dass es der alte König selbst gewesen war, der den wiederentdeckten Spiegel in den verfallenen Turm bringen ließ. Er hatte den Weg des Jünglings gelenkt und ihm die Prüfungen der Wüste der Stille, des Sumpfes der Trostlosigkeit und der umgekehrten Welt aufzuerlegen.
Er war es auch, der sich die Prüfung mit dem Drachenei überlegte, der – um sicher zu gehen, dass der Prinz nicht raffgierig sei – den Prinz in den Kerker werfen ließ, wo er die Tür zur Schatzkammer finden musste und dem Schatzmeister half, den der König zuvor instruiert hatte.
Selbst die Wahl der Kleidungsstücke war des Königs Idee gewesen und alle diese Prüfungen waren nicht von ihm erdacht worden, um seine Tochter unverheiratet zu lassen, sondern um den mutigsten, klügsten, ausdauerndsten und zufriedensten Bewerber zu finden, in den sich seine Tochter, die er über alles liebte, verlieben sollte, ohne auf sein Ansehen, seinen Reichtum oder seinen Prunk zu achten. Dies war ihm, ohne zu erfahren, wie er diese vielen Geschicke gelenkt hatte, offenbar hervorragend gelungen.
Staunend musste sich der Prinz eingestehen, dass er den König verkannt und seine Einflussnahme unterschätzt hatte. Es lag aber nicht allein bei ihm, sich für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Gleichwohl ließ er ohne Zögern den König in der Schatzkammer durch zwei andere zuverlässige Diener ersetzen und hob jetzt wirklich die schwere Strafe auf, die er seinem Schwiegervater zu Unrecht aufgebürdet hatte. Beide dachten an die von ihnen getragenen Bürden und meinten rückblickend, dass sie nicht unannehmbar schwer wogen. Der alte König, der wusste, dass der Prinz einen falschen Eindruck hatte gewinnen müssen, konnte die Tage und Nächte in der Schatzkammer als Ausgleich anerkennen und der Prinz war der Meinung, dass der König in der Schatzkammer genug gelitten habe für die Unannehmlichkeiten, die dem Jüngling bereitet worden waren. Schließlich hatte der lange Weg ja ein gutes Ende gefunden und er hatte für die Liebe, die ihn von Tag zu Tag noch mehr erfüllte, gekämpft und diese auch gewonnen.
So lebten fortan der alte und der neue König gemeinsam im Schloss zusammen mit der Prinzessin, die nun die junge Königin war.
Jetzt ist die Geschichte wirklich zu Ende
Ich wünsche euch allen ein wundervolles Jahr 2006 mit vielen erfüllten und erfüllbaren Wünschen, Gesundheit und Glück.
Palim |
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