hörte sie das vertraute Knarren des Schlüssels in ihrer Tür. Blitzschnell packte sie Sylvia am Arm, "Kein Wort zu Jack!", ihre dunklen Augen fixierten verschwörerisch das verblüffte Gesicht ihrer Freundin. Im Kerzenlicht wirkten ihre Augen recht bedrohlich auf Sylvia.Sie sprang hoch, schnappte das kleine Teelicht und hetzte ins Bad. Die Welt um sie begann sich hektisch zu drehen, doch sie ignorierte dieses ekelhafte Gefühl und schluckte die aufkeimende Übelkeit tapfer hinunter. Ein sicherer Griff und der verräterische Streifen verschwand aus dem Becken in der nächstgelegenen Lade. Zing, das Licht giing an. "Na wenigstens das hätten wir hinter uns!" raunte sie in ihr Spiegelbild.Dann wischte sie sich die verschmierte Mascara von den Augen und prüfte ihr geplagtes Antlitz. Langsam drehte sie sich um und öffnete die Tür.
Die Schultern aufgerichtet ging sie ihm um ein Lächeln kämpfend entgegen.
"Na, wie wars?"
"Oooch ganz nett", antwortete er, "du weisst ja, dass ich nicht so ein Theaterfan bin. Aber dir hätte es sicher gut gefallen."
Mittlerweile hatte er Sylvia entdeckt, begrüßte sie kurz und wünschte beiden Frauen eine gute Nacht. "Frauengeschichten brauche ich jetzt so dringend, wie ein Loch im Kopf", dachte er sich. Mit energischen Schritten verschwand er im Schlafzimmer.
Kurze Zeit später schlich er nochmals an den beiden vorbei, nahm sich die Zeitung vom Küchentisch und suchte mit versteinerter Miene den Sportteil.
"Marion, wo ist der Sportteil?"
Marion versuchte ihre Stimme ruhig zu halten:
"Ach, den hab ich...
Sie wollte schon sagen "..zum Schwangerschaftstest gelegt" aber sie verkniff es sich im letzten Augenblick. Erschöpft stand sie auf und stakste Richtung Kühlschrank. In sich hineingrinsend öffnete sie ganz langsam die festsitzende Tür und holte eine eingewickelte Flasche heraus. Ganz bedächtig nahm sie das Papier ab und reichte es provokant ihrem Jack, der mit weit geöffnetem Mund sprachlos vor ihr stand. "Hier, ist er!" Sylvia schaute betreten auf die Tischplatte, die sie schon geraume Zeit mit ihren harten rosa lackierten Fingernägeln bearbeitete. "Wieso???" Jack hatte seine Sprache wiedererlangt.
Marions Schultern zuckten leicht als sie antwortete, während sie den Kühlschrank lässig hinter sich zufallen ließ. "Dieses Alte Gerät hier wackelt immer so wenn es sich einschaltet. Du weißt, dass ich es hasse wenn Glas auf Glas schlägt."
"Aber doch nicht.." er verstummte. Nein, kein Streit. Nicht schon wieder.
"Mit dem heiligen Sportteil? War es das was du sagen wolltest?", doch sie bekam keine Antwort mehr.
Sylvia maltretierte noch immer die Tischplatte, als Marion zwei Gläser darauf stellte. "Komm lass uns anstoßen." Ein Plopp...
Jack nahm den Sportteil und verschwand wieder fluchtartig ins Schlafzimmer.
Aus Marion brach nun alles heraus. Unter Tränen berichtete sie ihrer Freundin alles schonungslos.
"Schöne Scheisse, in die du dich gebracht hast. Du musst dir wohl erst einmal Klarheit über deine Gefühle verschaffen, ansonsten verrenst du dich noch mehr", sagte Sylvia.
Es war keine Eingebung, und es sangen auch keine Engelein. Sie spürte: es ist vorbei. Still rekapitulierte sie noch einmal die 50 einfachsten Wege, dem Lover mitzuteilen, dass er überflüssig sei. Dann entschied sie sich für eine besonders brutale Methode, obwohl es ihr schon fast wieder leid tat.
Sie ...
pinselte entschlossen mit dunkelrotem Nagellack auf den großen Badezimmerspiegel:
JACK, DAS WAR'S!
Die Aktion dauerte länger, als sie gedacht hatte, aber es befriedigte sie ungemein, dass einige Lackspuren wie Blutstropfen aus der Schrift rannen.
Dann packte sie eilig die wichtigsten Sachen für den nächsten Tag - natürlich die schwarze Schultasche auch!!! - und wusste, dass sie für den Rest der Nacht gut bei Silvia aufgehoben war.
Morgen war ein neuer Tag. Sie würde sofort einen Termin bei ihrer Frauenärztin vereinbaren, denn nur dort konnte sie letztendlich mit einem sicheren Ergebnis bezüglich ihres Zustandes rechnen.
Und dann?
Max wälzte sich unruhig hin und her. Wilde Träume ließen ihn nicht zur Ruhe kommen. Der Alkohol, an den er in diesem Ausmaß nicht gewöhnt war, tat sein Übriges. Tief im Inneren wußte er, dass er sich in Marion verliebt hatte.
Sie jeden Tag in der Schule zu sehen, war ja ganz schön und gaben dem Tag eine extra Note, aber es ging auch ganz schön an seine Substanz.
Was wußte er denn eigentlich von ihr?
Viel war es eigentlich nicht. Sie ging wie er jeden Tag im Lehrerzimmer aus und ein. Aber wie sie das tat. Er kam schon wieder ins schwärmen. Aber ansonsten? Mit einer Kollegin hing sie häufig zusammen. Sie war Klassenlehrerin und unterrichtete Deutsch und ... Mist. Soviel wußte er von ihr, dass ihm nicht mal ihr zweites Fach einfiel. Viel war das wirklich nicht. Hatte sie eigentlich einen Freund? Nein! Das konnte nicht sein. Ansonsten wäre sie ja nicht mit ihm gestern weggegangen. Aber komisch war sie schon gewesen? Naja, vielleicht hatte sie ja gerade ihre Tage ...
Er schlurfte bei diesen Gedanken ins Badezimmer und fing an sich fertig zu machen. Oh man, hatte er einen Schädel. Hoffentlich waren die Schüler heute nicht zu laut ...
Aber zum Glück hatte er heute nur drei Stunden zu geben. Das würde er heil überstehen.
Er nahm sich auf jeden Fall ab heute vor ...
.. aber auch das bringt wohl nichts.
Auch nach längerem Grübeln blieben doch seine Ergebnisse dürftig, und er musste schon fast über sich selbst lachen: "Da habe ich mir wieder einmal etwas Schönes eingebildet. Wie komme ich nur aus der Sache wieder raus, ohne dass mich Marion für einen Volltrottel hält?"