Kurz vor dem Klingeln hastete er in das Schulgebäude. Ein kurzer Blick auf den Vertretungsplan alamierte ihn. Marion fehlte heute. Hatte er ihr gestern abend zu sehr zugesetzt? Er musste an ihre dauernde Übelkeit denken. War sie etwa ernsthaft krank? Er war ihr doch hoffentlich nicht zu sehr auf den Magen geschlagen???
Fieberhaft überlegte er, ob er sie anrufen oder nach der Schule mit einem Blumenstrauss einfach bei ihr vorbeifahren sollte?
Nein, auch diesen etwas angestaubten Gedanken verwarf er wieder.
Da fiel ihm die Fahrt zum Schullandheim ein: Weil er und Marion zusammen dorthin fahren sollten, hatte er einen wunderbaren dienstlichen "Aufhänger", denn es gab ja noch sooo viel zu planen. Außerdem konnte man alles natürlich nicht im Lehrerzimmer abhandeln.
So hatte Max also endlich genügend rationale und scheinrationale Gründe gesammelt und konnte jetzt mit ruhigem Gewissen handeln:
Er hetzte immer noch in Gedanken in seine Mathestunde in der 6a. Was wollte er eigentlich heute mit denen machen? Ach, eine Übungsstunde ist immer gut. "Schlagt bitte die Bücher auf Seite 50 auf und führt dort den Check Up durch.
Man war er froh, dass er in dieser Stunde nicht viel machen musste. Die Schüler rechneten brav vor sich hin und verglichen gegenseitig und mit den Lösungen im Buch ihre Aufgaben.
So konnte er einen klaren Gedanken fassen und sich doch noch für den Blumenstrauß entscheiden. Denn ein Anruf ja zu unpersönlich. Außerdem wäre das doch eine gute Versöhnung, um gemeinsam auf die Klassenfahrt zu fahren. Er wollte aber zur Sicherheit noch in der Pause Marions Freundin fragen, ob er einfach mal bei ihr vorbeikönnte. Er konnte ja die Klassenfahrt vorschieben, dass da noch einiges zu klären sei. Soll ja schließlich bald losgehen.
Er nahm allen Mut zusammen und ging in der Pause auf Sylvia zu, um ...
sie nach Marions Lieblingsblumen zu fragen. Plötzlich hielt er inne. Wollte er sich so offenbaren? Lieber nicht. Er bog schnell vor ihr ab und hinaus aus dem Schulgebäude. Was sollte er tun? Unaufdringlich und doch für sie da sein, das wollte er. Da kam ihm der rettende Gedanke...
Er würde gleich nach der Schule nach Hause fahren, Kartoffelpüree zubereiten und ihn dann bei Marion vorbei bringen. Das Mädel musste jetzt nicht nur nahrungsmäßig aufgepäppelt werden...
Das war nicht nur eine Magenverstimmung. Da stimmte auch etwas anderes nicht.
War er vielleicht doch ein Frauenversteher??
Marion dagegen hatte ganz andere Probleme. Sie lag immer noch in Sylvias Bett, sie war schon stolz gewesen, den Krankmeldungsanruf in die Schule geschafft zu haben und in ihrem Hirn drehte sich alles. Jack war wahrscheinlich vor einer Stunde aufgestanden, war im Bad gewesen. Was hatte sie nochmal auf den Spiegel geschrieben? Oh, Gott! Sie zog sich die Decke über den Kopf und ...
... hoffte, dass sich alles als ein wüster Traum herausstellen würde.
In ihrem Innern aber wusste sie sehr wohl, dass Jack für diesen Tag außer Gefecht gesetzt war.
Was konnte sie dafür, dass er als Diplom-Sportlehrer nach diesem unseligen Prozess wegen sexueller Belästigung keinen Job mehr angeboten bekam?
War das der Grund, warum Jack dem Thema Kinder und Schwangerschaft seit Monaten aus dem Weg ging, ja sogar ausgesprochen aggressiv wirkte, wenn sie vorsichtig darauf zu sprechen kam?
Jetzt würde er wahrscheinlich wieder in seine Stammkneipe gehen und ...
was wäre, wenn er statt in seine Stammkneipe zu gehen, Trost bei Simone suchen würde? Das Bild vom letzten Abend, Jack und Simone Hand in Hand, stand wieder messerscharf vor ihrem inneren Auge.
Simone mit ihrem übergroßen mütterlichen Herzen würde ihn schon trösten. Es grummelte wieder in ihrem Inneren, aber sie hatte keine Kraft aufzustehen und zog sich die Decke noch fester um ihren Kopf.
Sie fiel in einen unruhigen Schlaf...
..., aus dem sie bald wieder kam, weil sie sich viel zu warm in die Decke eingewickelt hatte.
Sie wälzte sich nach links, nach rechts: es half nichts. Kalte Wut auf Simone kroch in ihrem Herzen bis in die Magengegend, mal wünschte sie sich, mal Simone, mal Jack alle möglichen Unglücksfälle an den Hals.
Hier wurde sie endlich vom Schlaf eingeholt und gnädig umfangen.
Jack indes hatte ganz anderes im Sinn, und Simone hätte hellauf gelacht, wenn sie gewusst hätte, ...
dass ihm in dieser Situation nur eins einfiel: Ein
WM-Riesen-Fernseher.
Er ging schnurstracks in ein Elektrofachgeschäft. Nicht diese Billigläden, da hatte er viel zu schlechte Erfahrungen gesammelt. Nein, er ging in den Laden um die Ecke. Sollte Marion doch bleiben wo der Pfeffer wächst, ihn so abzuservieren. Sie verstand ihn einfach nicht, meinte Fussball=Doofheit. Dann halt nicht, was sollte er auch machen und ehrlich gesagt hatte er auch keine Lust mehr auf das Gezicke. Er blieb vor dem Schaufenster stehen und sah...